Bibelkreis V. Wie ein Übersetzungsfehler eine Kultur neurotisierte

War Maria eine Jungfrau oder eine junge Frau?

 

Die christliche Leibfeindschaft hat ja theologisch recht bizarre Höhen erklommen, worum sich Kirchenvater Augustinus besonders verdient machte. Indem er die christliche Gottesidee mit der griechischen Philosophie verrührte konstruierte er eine Idee zweier Reiche: der materiellen Welt und der Welt des Geistes. Die geistige Welt wurde hochgehalten, die materielle Welt drastisch abgewertet. Alle Körperlichkeit, ganz zu schweigen von den fleischlichen, sinnlichen Begierden wurden abgewertet. Angelegt ist das natürlich alles schon beim Völkerapostel Paulus, dem nicht gerade ein entspanntes Verhältnis zur Körperlichkeit und zu den Frauen im besonderen nachgesagt werden kann. Paulus hat ja sogar erklärt, es wäre besser wenn die Ledigen „bleiben wie ich“, und nur wenn sie das nicht könnten, „sollen sie heiraten; denn es ist besser, zu heiraten als sich in Begierde zu verzehren“ (1. Korinther 7. 8 – 9) Wo Geist ist, da ist der Herr, wo Leib ist, da ist Verwesung. Klar: Auferstehen tut nur der Geist, nicht der Leib. Der Leib, das ist ein notwendiges Übel. Ein stinkenden Ding, aus dem es an allen Enden raus rinnt.

 

Darin fügte sich natürlich bestens das christliche Dogma von der jungfräulichen Geburt Jesu. Danach hatte Jesu keinen leiblichen, menschlichen Vater, sondern wurde vom Heiligen Geist gezeugt. Übrigens hatte die Heilige Jungfrau Maria davor, aber auch danach nie Geschlechtsverkehr. Als Superheilige hat sie Josef, den traurigen Zimmermann, nie ran gelassen. Es ist vielleicht erwähnenswert, dass nur im Matthäus- und Lukas-Evangelium von dieser erstaunlichen Begebenheit die Rede ist. Nach zweitausend Jahren Christentum, die uns den Ekel vor der Unreinheit der Fleischeslust implantiert hat scheint es uns natürlich selbstverständlich, dass Jesus, der Messias, unmöglich durch normalen Geschlechtsverkehr, womöglich einem Quickie am Acker, gezeugt geworden sein konnte. Aber die christliche Leibfeindschaft war natürlich nicht der Ursprung dieser Legende, sondern ist eher selbst seine Folge.

 

Der Ursprung der Legende liegt in den Versuchen der Evangelisten, das Leben Jesu mit einer Reihe – um genau zu sein: einigen hundert – prophetischen Vorhersagen des jüdischen Tenachs in Übereinstimmung zu bringen. Und da fanden die – griechisch schreibenden – Evangelisten bei Jesaja eine Stelle in der es heißt: „Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären.“ (Jesaja 7. 14)

 

Das Problem ist freilich, dass in den jüdischen Schriften von „alma“ die Rede ist – was soviel heißt wie „junge Frau“. Die Evangelisten übersetzten irrtümlich mit „Jungfrau“.

 

„So scheint fast sicher, dass das christliche Dogma von der Jungfrauengeburt sowie ein Großteil der daraus resultierenden Scheu der Kirche vor Geschlechtsverkehr nur die Folge eines Übersetzungsfehlers aus dem Hebräischen waren“, schreibt Sam Harris in seinem Buch „Das Ende des Glaubens“.

 

Es ist wirklich ein Treppenwitz der Geschichte: nicht wesentlich zur Neurotisierung einer gesamten Kultur trug bei, dass irgendwelche Kompilatoren Heiliger Bücher nicht ordentlich hebräisch kannten.

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