Zerschlagt die GÖD

Die Gewerkschaft der AHS-Lehrer bekämpft die Schulreformen, bevor die noch begonnen haben. Und tritt den Gewerkschaftsgedanken mit Füßen. Falter, 10. Oktober 2007

 

 

Wer ein Kind an einer Wiener AHS hat, der hatte vergangene Woche reichlich zu tun, die Panik der Kleinen wieder in den Griff zu bekommen. „Hilfe, meine Schule soll eine Gesamtschule werden“, berichteten die Kinder nach Schulschluss. Da hatten die schwarzen AHS-Lehrerfunktionäre der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) wieder einmal ganze Arbeit geleistet und Infoblätter verteilt: „Entmündigung“ lauteten die Schlagworte, oder: „Kinder als ‚Versuchskaninchen’“. In einigen Schulen wurden Dienststellenversammlungen abgehalten – während der Unterrichtszeit. Praktisch waren das Warnstreiks, auch wenn sie sich als Informationsveranstaltungen getarnt haben.

 

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe in meinem und im Schulleben meiner Kinder viele tolle Lehrer kennen gelernt. Zudem bin ich ja ein großer Freund der Gewerkschaften und Protest, der liegt mir gewissermaßen im Blut. Aber was die GÖD-Funktionäre derzeit anstellen, überschreitet alle Grenzen des Legitimierbaren. Wogegen die Gewerkschaft der Lehrer der Höheren Schulen Sturm läuft, ist jeder Versuch, die Schieflage des österreichischen Schulsystems zu korrigieren. Derzeit ist der Gesetzesentwurf in Begutachtung, der die Einrichtung von Modellregionen zur Einführung der „Neuen Mittelschule“ vorsieht. Ob die Modellversuche ein passabler Weg sind, die Krise der Bildungsinstitutionen zu überwinden, darüber darf man diskutieren. Noch ist unklar, welchen Zuschnitt die „Modellregionen“ haben sollen (in Wien ist von einigen Bezirken die Rede). Es ist bestimmt auch fraglich, ob eine Reform, die mit der de facto Abschaffung der Hauptschulen beginnt, ohne vorher massiv in flankierende Maßnahmen zu investieren, wirklich optimal funktionieren kann und natürlich steht die gesamtgesellschaftliche Debatte noch aus, was uns eine Totalreform des Bildungssystems wert ist. Ohne begleitende Maßnahmen wie einen obligatorischen Besuch des Kindergartens, engagierter Förderung von Kindern aus bildungsfernen Schichten schon in der Volksschule und viel Geld für Förderlehrer wird der Modellversuch möglicherweise nur suboptimalen „Modell“-Charakter haben. Über eines aber kann man nicht diskutieren: Dass eine Reform an Haupt und Glieder notwendig ist.

 

Allzu viele Kinder werden von der Aussortier-Schule heute schon als sechs, sieben, achtjährige und endgültig als zehnjährige zu lebenslangen Verlierern gestempelt. Die AHS-Funktionäre wollen, dass das so bleibt. Pointiert gesagt: Es gibt Gewerkschafter in diesem Land, die dafür streiken, dass die neue Unterklasse in ihrem Unterklassendasein festgehalten wird. Könnte es sein, dass die Herrschaften den Gewerkschaftsgedanken ein wenig falsch verstanden haben?

 

Alle Welt weiß, spätestens seit es die PISA-Studien gibt, wie hoch der Preis für verschleppte Reformen ist. Aber wir wissen auch, dass, wenn man nur entschieden in Bildung investiert, ein einigermaßen gleichberechtigter Zugang zu Chancen ohne Nivellierung nach unten möglich ist. Jeder weiß das. Die Wirtschaftskammer hat das begriffen und in der ÖVP-Steiermark weiß man das auch. Nur die Lehrergewerkschafter glauben, sie tun sich etwas Gutes, wenn sie sich als reaktionärstes Fähnlein des heimischen Konservatismus positionieren.

 

Man neigt fast dazu, der GÖD eine Maggie Thatcher an den Hals zu wünschen, die dafür gesorgt hat, dass aus Gewerkschaften, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben, ehemalige Gewerkschaften wurden. Oder besser noch: dass die vielen engagierten Lehrer die freigestellten Funktionäre, die vorgeben, in ihrem Namen zu sprechen, mit den gesellschaftlichen Realitäten vertraut machen.

Ein Gedanke zu „Zerschlagt die GÖD“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.