Stimulierende Zeiten

Was ist eigentlich ein gutes Konjunkturprogramm? Eines, das schnell wirkt und lange nützt. Falter, 3. Dezember 2008 

 

 

 

Es ist als hätte die Welt den Schalter umgelegt: Kaum mehr als einen historischen Augenblick brauchten die Regierungen in den vergangenen Wochen, um von der Jahrzehnte herrschenden neoliberalen Doktrin auf  Neokeynesianismus umzuschwenken. Überall werden Konjunkturprogramme aufgelegt, die die Wirtschaft stimulieren sollen. „Stimulating Times“, titelt das US-Magazin „Time“.

 

So stellt sich längst nicht mehr die Frage: Sollen Konjunkturprogramme aufgelegt werden? Sondern: Was ist ein gutes, was ist ein ausreichendes Konjunkturprogramm?

 

Noch immer ist der „New Deal“ des legendären US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt historisches Vorbild für ein staatliches Investitionsfeuerwerk. Nachdem Roosevelt 1933 ins Amt kam, stärkte er die Gewerkschaften, was in höheren Löhnen resultierte, führte Renten- und Arbeitslosenversicherung ein, baute Schulen, Tausende von Krankenhäusern, Hunderte von Flughäfen. Schon in seiner Antrittsrede versprach der die „dringend benötigten Projekte zur Stimulierung“. Eine Million Kilometer Straßen wurden gebaut, 77.000 Brücken, die 30 Stundenwoche eingeführt und ein Steuersystem mit niedrigen Sätzen für die Armen und hohen Sätzen für die Reichen. Roosevelt, selbst reich geboren, zog den Hass der Oberklasse auf sich, was seiner Popularität keinerlei Abbruch tat. „Man wird in der jüngeren Geschichte nicht leicht einen Politiker finden, der so sehr eine Kraft zum Guten gewesen ist wie Franklin Delano Roosevelt“, charakterisierte ihn erst kürzlich wieder die „Zeit“.

 

Die „lebensrettenden Maßnahmen“ (Paul Krugman), die Barack Obama jüngst ankündigte, kommen den Roosevelt-Programm sehr nahe. 500 bis 700 Milliarden Dollar sollen zusätzlich zu den Rettungsgeldern für die Banken ausgegeben werden. 2,5 Millionen Jobs sollen entstehen beim „Wiederaufbau unserer bröckelnden Straßen und Brücken, bei der Modernisierung unserer Schulen und bei der Schaffung der sauberen Energieinfrastruktur für das 21. Jahrhundert“, kündigte Obama an.

 

Das Problem ist freilich: Nicht jede Investition ist eine gute Investition. Auch ein großes Land benötigt nicht Millionen Brücken. Ausgaben, die etwa die Autoindustrie ankurbeln, sind nicht unbedingt tragfähige Zukunftsinvestitionen. Denn General Motors, Ford und Chrysler, die „großen Drei“ aus Detroit sind auch deshalb praktisch pleite, weil sie seit Jahren an den Konsumenten vorbei produzieren.

 

Das zweite Problem mit Konjunkturprogrammen: Wenn nicht längst geplante Investitionen vorgezogen werden, greifen sie sehr langsam. Eine Brücke, die heute geplant wird, wird nicht schon morgen gebaut.

 

Der Stimulationsplan der britischen Regierung setzt anders als der von Obama vor allem auf die Kürzung der Mehrwertsteuer zur Stimulierung des Konsums. 1,2 Prozent des BIP will die Regierung Gordon Browns mobilisieren (Obamas Plan ist mit drei Prozent deutlich ambitionierter). Das britische Haushaltsdefizit wird im nächsten Jahr auf acht Prozent springen. Mit höheren Einkommenssteuern, insbesondere für die Besserverdienenden, will die Regierung von 2011-2016 das Geld wieder herein bringen.

 

Die EU-Kommission will 2009 200 Milliarden Euro mobilisieren – 170 Milliarden sollen von den Mitgliedsstaaten kommen.

 

Fünf Milliarden sollen in den Ausbau von Strom- und Breitbandnetzen eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt, so Harvard Business-Guru Michael Porter: Man soll jetzt massiv jene Investitionen subventionieren, die man schon lange für sinnvoll hält. Die Umrüstung von Wohnhäusern auf Energieeffizienz, den Ausbau von Schulen, Investitionen in Bildung und Straßenbau da, wo er auch später dem Wachstum nützt – etwa, indem sich der Gütertransport beschleunigt.

 

 

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