Der Mensch ist eine Ressource, die stört

Auf Einladung von IBM sprach ich heute vor der Wiener Belegschaft des Konzerns darüber, wie Marktlogiken, Unternehmenslogiken und gesellschaftliche Logiken in Konflikt geraten können. Hier der Vortrag.

 

 

Wir leben im Kapitalismus, oder anders gesagt, in einer auf privater Wirtschaftsinitiative beruhender Marktwirtschaft. Und neben allen konkreten Ausformungen dieser Wirtschaftsorganisation liegen dieser auch ein paar Grundüberzeugungen, man könnte auch sagen, moralische Axiome zugrunde.

 

– möglichst freie Märkte führen zu einer effektiven, dh. maximal produktiven Allokation von Ressourcen.

– wo alle ihrem ökonomischen Eigennutz folgen – was ja eigentlich eine „Untugend“ ist -, schlägt das zum Nutzen aller um, also in etwas Positives. In einer fast mirakulösen Operation wird aus der Summe privater, individueller Untugenden eine öffentliche Tugend.

– deshalb ist es sinnvoll, alles nach dem Muster des Wettbewerbs zu organisieren, weil sich dann alle anstrengen und alle etwas davon haben.

– Menschen – „Wirtschaftssubjekte“ – verhalten sich in einer solchen Marktökonomie ökonomisch rational.

 

Das klingt nach einfachen Prinzipien, aber damit fangen die Probleme erst an. Denn erstens heißt, dass wir in einer Marktwirtschaft leben, ja natürlich noch lange nicht, dass wir deshalb in einer Marktgesellschaft leben. Wenn die Art, wie wir die Produktion von Computern, Zahnstochern oder Lebensversicherungen organisieren, diesen Prinzipien folgt, heißt das ja noch lange nicht, dass wir die Art, wie wir unser Schulwesen, unser Universitätswesen, die Auswahl unserer Sexualpartner und die Organisation unseres Pensionsversicherungswesens an diesen Prinzipien organisieren wollen oder müssen.

 

Wenn Finanzmärkte, Gütermärkte und die Märkte für Dienstleistungen nach diesen Marktprinzipien organisiert sind, heißt das eben noch lange nicht, dass alle Sphären und gesellschaftlichen Felder sich produktiv nach diesen Prinzipien organisieren lassen. Und da lasse ich einmal die Frage aus, ob diese Prinzipien überhaupt für alle Märkte im engeren Sinn gute Richtschnüre sind. Dass es in einen allgemeinen Nutzen umschlägt, wenn alle ihrem Eigennutz folgen, ließe sich ja etwa für die Finanzmärkte im Lichte der gegenwärtigen Finanzkrise durchaus auch bezweifeln.

 

Aber ich will davon jetzt einmal absehen.

 

Was ich Ihnen hier verdeutlichen will, ist, dass es Unternehmenslogiken gibt, dass es Marktlogiken gibt und dass es gesellschaftliche Logiken gibt, die eben nicht immer deckungsgleich sind und die in Widerspruch zueinander geraten können und die sich nicht immer leicht gegeneinander austarieren lassen. Und schließlich ist auch zu fragen, ob die „Märkte“ überhaupt nach Marktprinzipien funktionieren – oder ob es nicht so ist, dass es verschiedene Arten von „Marktlogiken“ gibt.

 

Was heißt das: Die Marktlogik sagt, dass der Bessere gewinnt. Lassen wir einmal beiseite, was in diesem Zusammenhang „der Bessere“ heißt – heißt das: der der günstiger produziert, oder der der qualitätsvoller produziert oder der der das Nützlichste produziert? -, fragen wir einmal, was in diesem Zusammenhang „gewinnen“ heißt. Der Bessere ist dann vielleicht der Marktführer: Das heißt, dass Coca-Cola am meisten verdient, aber Pepsi verdient auch ganz schön. Aber dann gibt es auch Märkte die anders organisiert sind. Wir können die die „Winner-Takes-It-All-Märkte“ nennen. Die lassen sich am besten am Beispiel des Sports schildern. Nehmen wir Hermann Meier in seiner besten Zeit: Der fuhr jedes Rennen, das ca. 2.30 Minuten dauerte, um, sagen wir, 90 Hundertstelsekunden schneller als der Nächstbeste. Dh. Hermann Meier war nur unwesentlich besser als der zweite oder der dritte und auch der zehnte. Im Grunde sind die alle gleich gut, die Differenz ist im gerade noch messbaren Bereich. Dennoch hat der Hermann Meier Werbeverträge von vielleicht 20 Millionen Euro pro Jahr bekommen, der zweitbeste, an dessen Namen wir uns schon nicht mehr erinnern können, hat noch 5 Millionen gekriegt, und die anderen haben 200.000, 100.000 oder 50.000 gekriegt.

 

Manche Märkte sind so organisiert. Manche sind nicht so organisiert. In der Sportschuhproduktion: Nika, Adidas, Puma, die verdienen alle ganz gut. Manche Märke sind aber ziemlich nahe am The Winner Takes All Markt – oder wie man auch sagen kann: Der Loser Takes Nothing Markt. Buchversand: Amazon. MP3-Player: iPod.

 

Das heißt also: Es ist eines der Grundprinzipien von Märkten, dass es Gewinner und Verlierer gibt, aber was genau „gewinnen“ bedeutet und was genau „verlieren“ bedeutet ist keineswegs eindeutig. Wohlgemerkt: auch damit haben wir nur jene Sphäre im Sinn, in denen vernünftigerweise Marktprinzipien gelten, also Märkte für Güter, Dienstleistungen und Finanzprodukte, auf denen Unternehmen agieren. Das heißt erstens noch nicht, dass das außerhalb der ökonomischen Sphäre gilt, und es heißt auch nicht, dass das überall innerhalb der ökonomischen Sphäre gilt. Zum Beispiel ist es schon sehr fragwürdig, ob Unternehmen im Inneren nach Marktprinzipien organisiert werden sollen.

 

Denn in der Ökonomie gibt es eine Ressource, die zwar notwendig ist, aber permanent stört: Den Menschen. Menschen haben nämlich Gefühle. Und das bedeutet, dass sie nicht so funktionieren, wie sich das die rationale Markttheorie oft einbildet. Die „Behavioral Economics“ – zu deutsch: die Verhaltensökonomik – hat in den vergangenen Jahren einige entscheidende Beiträge dafür geliefert, wie sehr menschliche Emotionen das ökonomische Geschehen beeinflussen. Herdentrieb, Hysterie, spielte auf den Finanzmärkten eine große Rolle.

 

Aber kommen wir zum Kern der Überlegungen, die ich heute anstellen möchte: Inwiefern können Unternehmen in ihrem Inneren auf rationelle Erfolgslogiken setzen, wie sie auf Märkten vorherrschen? Sie können natürlich auch im Inneren Wettbewerb hoch halten. Sie können dabei nicht nur auf die moralischen Axiome der Marktprinzipien verweisen, sondern auch auf einen etwas simplen sozialdarwinistischen Hausverstand, dass sich Menschen am meisten anstrengen werden, wenn sie gegen andere Menschen konkurrieren. Und sie werden dann schnell feststellen, dass das für Unternehmen nicht nur produktiv ist. Erstens wird das Betriebsklima leiden. Leute werden gegeneinander arbeiten, auch wenn sie zusammenarbeiten sollten. Sie werden vielleicht nicht einmal gegeneinander arbeiten, sondern ein paar, die das Prestige haben, zu Winner-Typen zu zählen, werden sich anstrengen, die anderen werden ihre Anstrengungen einstellen, und den anderen zusehen, wie sie sich anstrengen.

 

Ein paar werden zu Winnern. Die anderen werden frustriert sein.

 

Vor allem dann, wenn sich die innere Funktionslogik der Funktionslogik der „Winner-takes-all“-Märkte angleicht. Bleiben wir bei unseren Beispielen von vorhin. Was passiert bei Märkten, bei denen der Winner das größte Stück, der zweite das etwas kleinere Stück und alle ein passables Stück erhalten? Es werden sich viele freuen, möglicherweise werden sich sogar alle freuen. Aber was passiert auf „Winner-takes-all“-Märkten? Da freut sich nur einer. Wenn er eine Party gibt, um seinen Erfolg zu feiern, kommt niemand. Schon der Zweite ist frustriert. Sie haben das Gefühl, dass sie nicht bekommen, was ihnen zusteht. Dass sie nicht genug Anerkennung bekommen, dass sie nicht ausreichend Wertschätzung bekommen. Wir können das auch auf die Einkommensverteilung innerhalb von Unternehmen umlegen. In jüngster Zeit sind ja die Managementgehälter zunehmend in die öffentliche Diskussion geraten. Jetzt gibt es Unternehmen, in denen verdient der Chef zehn Mal so viel wie der durchschnittliche Arbeitnehmer. Wenn das Medianeinkommen bei zweiteinhalb tausend Euro liegt, liegt dann das Management-Einkommen meinetwegen bei 25.000 Euro monatlich. Ordentlich viel Geld, aber auch keine astronomische Differenz. Gerade eben war aber in der deutschen Talkshow von Anne Will der CEO von Arcandor, das ist diese Kaufhauskette, die gerade in großen Schwierigkeiten ist. Fragt Frau Will, was verdienen sie eigentlich? Nach langatmigen Ausführungen über die Angemessenheit seines Gehalts und seine Verdienste bei der Deutschen Telekom, rückte er endlich mit der Höhe heraus:

 

2 Millionen Euro plus 1 Million Euro Leistungszulage. Also drei Millionen Euro. Pro Jahr. Wenn man sich ins Gedächtnis ruft, wie viel die durchschnittliche Verkäuferin in einem Kaufhof-Einkaufszentrum wohl verdient, kommt das der Verteilung auf Winner-Takes-It-All-Märkten schon sehr nah. Man kann sagen: Wenn der oben alles abcashed bleibt für den Rest nichts mehr übrig.

 

Jetzt kann man natürlich einwenden, das ist irrational. Selbst wenn der zwei Millionen Euro weniger verdienen würde, und bei seinen anderen Vorstandkollegen sparen wir noch einmal drei Millionen Euro ein, dann hätten wir fünf Millionen und wenn wir die auf die 65.000 Mitarbeiter eines solchen Riesen verteilen, bleiben 76.- Euro übrig. Der Chef wäre also sehr viel ärmer, aber die Mitarbeiter kaum spürbar reicher. Aber, das ist ja der Punkt von dem, was ich Ihnen hier sagen will, die Dinge sind ja nicht rational. Oft sind unsere ökonomischen Empfindungen sehr irrational, aber ihre Resultate sind nichtsdestoweniger real.

 

Marktentscheidungen sind moralisch blind und das ist auch gut so. Über Erfolg und Misserfolg von Unternehmen entscheidet der Markt. Es ist ja kaum anders vorstellbar. Angenommen, Nike gewinnt dramatisch und Adidas schmiert ab. Wer könnte, wer sollte denn die moralische Instanz sein, die entscheidet, dass es jetzt moralischer wäre, wenn Adidas ein bisschen mehr Erfolg hätte – abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben würden, mehr „Gerechtigkeit“ zwischen dem Betriebsergebnis der beiden Unternehmen herzustellen. Aber schon für die Beschäftigten innerhalb der verschiedenen Unternehmen gilt das nicht. Die sind moralisch nicht blind. „Waren“, schreiben die beiden US-Ökonomen George Akerloff und Robert Shiller in ihrem neuen Buch „Animal Spirits“, „Waren sind weitaus einfachere Tauschobjekte als Arbeitsleistungen. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die unglücklich werden, wenn sie ihren Lohn für zu niedrig halten, sind Güter unbelebt und haben keine Emotionen.“ Menschen wollen fair behandelt werden und wenn sie das Gefühl haben, nicht fair behandelt zu werden, dann fällt ihre Motivation in den Keller.

 

Ich möchte daran erinnern, dass das Arbeitsprogramms meines heutigen Talks lautet: Marktlogiken, Unternehmenslogiken und gesellschaftliche Logiken – und wie die zueinander in Widerspruch geraten können. Diese Irrationalitäten, wie ich den Einfluss der Emotionen auf die Ökonomie hier einmal provisorisch nenne, können sehr diffizile Formen annehmen. Nehmen wir nur eine Wirtschaftskrise wie die Gegenwärtige und einen Fall wie den Folgenden, der sicher heute alltäglich ist: Ein Unternehmen hat gleich bleibende Kosten, aber die Einnahmen gehen zurück. Einerseits, weil sie von den Gütern, die sie produzieren, weniger absetzen; andererseits vielleicht, weil sie die Preise für diese Güter reduzieren, damit doch noch der eine oder andere sie erwirbt, der sie ansonsten nicht kaufen würde. Das heißt: Die Produktionskosten steigen relativ zum Unternehmenseinkommen, aber auch die Löhne der Beschäftigten steigen relativ zu den Preisen, weil das Preisniveau allgemein sinkt, wenn sich sehr viele Unternehmen so verhalten (also Preise senken). Was könnte ein Unternehmen jetzt also machen? Es könnte versuchen, die Löhne der Beschäftigten zu senken. Es könnte argumentieren: Es ist ohnehin Preisverfall – also Deflation – sagen wir, um 0,5 Prozent, also senken wir die Löhne. Wenn wir sie um 0,5 Prozent senken, dann bleiben sie real sogar gleich, sie sinken ja nur nominal. Die Beschäftigten hätten dennoch den Eindruck, dass sie unfair behandelt werden. Sie werden sich weniger für die Firma engagieren. Wenn dann der Aufschwung wieder kommt, werden sie vielleicht die Firma wechseln, weil sie sich nicht mehr gebunden fühlen an ein Unternehmen, das sie in der Krise so mies behandelt hat. Nehmen wir aber nun den Fall, in dem nicht Deflation, sondern eine mäßige, normale Inflation von, beispielsweise, 2,7 Prozent herrscht. Jetzt einigen sich Unternehmensvertreter und Gewerkschafter auf eine Tariferhöhung von 2,3 Prozent. Was machen die Beschäftigten? Fühlen sie sich ob des Reallohnverlusts von 0,4 Prozent ebenso unfair behandelt wie im Deflationsfall, oder besser: unfairer, denn im Deflationsexempel blieben die Reallöhne unverändert, während sie im Inflationsfall sinken. Im Gegenteil: Sie freuen sich wohl über den schönen Lohnzuwachs von 2,3 Prozent, und merken oft gar nicht so richtig, dass die nominale Erhöhung ein realer Verlust ist. Genau deshalb – und noch ein paar weiteren Gründen – ist Deflation so gefährlich, mäßige Inflation aber eine ungefährliche, oft sogar gute Sache.

 

Genauso können unternehmerische und gesamtwirtschaftliche Logiken im Widerspruch zueinander geraten. Bleiben wir beim gerade skizzierten Exempel, dem Einbruch der gesellschaftlichen Nachfrage und damit dem Rückgang der Unternehmenseinkommen. Für das Unternehmen stellt sich die Sache so dar: Aufgrund des schlechten Wirtschaftsklimas kaufen weniger Leute seine Produkte und deshalb sinken seine Einnahmen. Es will, es muss vielleicht sogar Kosten senken. Da ist es aus der mikroökonomischen Perspektive sehr sinnvoll, die Löhne der Beschäftigten zu senken. Aber jetzt stellen wir uns vor, dass das viele Unternehmen machen. Dann geht die Nachfrage noch mehr zurück, und auch unser Unternehmen, das Kosten senken wollte, wird nicht froh, weil jetzt noch einmal ein Stück seiner Einnahmen wegbrechen, weil die Leute noch ein bisschen weniger Geld haben, seine Produkte zu kaufen. Hier ist, was einzelwirtschaftlich rational ist, makroökonomisch und gesellschaftlich vollkommen kontraproduktiv.  

 

Wir können, was ich hier in Loop-Form immer wieder ausführe, so zusammenfassen: das streng rationale ökonomische Kosten-Nutzen-Kalkül ist nur in sehr eng umzirkelten Grenzen produktiv. Was mikroökonomisch rational ist, kann makroökonomisch schon kontraproduktiv sein. Und der Mensch ist nicht der „Homo Economicus“, der nur nach materiellen Vorteil entscheidet. Die kapitalistische Wirtschaft ist Konkurrenzwirtschaft, aber sie ist auch, wie jede Wirtschaft, „Beziehungswirtschaft“. Man könnte natürlich auch sagen: Die Menschenhaben ihren „Nutzen“ im Auge, aber „Nutzen“ ist mehr als nur maximal viel Kohle einnehmen oder den kleinsten Preis für ein Gut zahlen. Als Konsumenten zahlen sie manchmal gerne mehr. Sie kaufen einen Puma-Turnschuh um 130 Euro, obwohl das No-Name-Produkt gerade einmal 29,90 kosten würde. Die Preisdifferenz ist das Image der globalen Power-Brand Puma. Diese Image – möglicherweise „Cooleness“ oder „Hipness“ – verbinden sie mit ihrer eigenen Person, das Image des Produktes färbt auf sie ab, sie gehören damit möglicherweise zu einer Lebensstil-Gruppe von Leuten, die sich wechselseitig erkennen und vielleicht schon mal vorsorglich sympathisch finden, obwohl sie nichts voneinander wissen. Das ist dann auch Teil des „Nutzens“. Manche kaufen vielleicht Bioprodukte oder fair gehandelte Waren wie „Fair-Trade-Cafe“. Dann erhalten sie für ein paar Euro mehr ein materielles Gut, aber sie erhalten zu diesem Gut auch noch immaterielle Güter dazu: etwa ein gutes Gewissen. Sie können sich das Bewusstsein kaufen, ein guter Mensch zu sein. Auch das ist ein „Nutzen“, aber eben einer, der sich ökonomisch nicht so leicht messen lässt.

 

Oder betrachten wir das ganze aus der Perspektive des Beschäftigten einer Firma. Der oder die ist gut qualifiziert, hat also am Arbeitsmarkt keine Probleme. Sie verdient bei ihrer Firma sagen wir 5000 Euro und könnte bei einem Mitbewerber 5.500 Euro verdienen. Wechselt sie automatisch? Natürlich nicht. Wir alle wissen, was hier noch mitschwingt. Mögleicherweise eröffnet sie ihrem Vorgesetzten ihre Wechselmöglichkeit und der sagt: Ich kann da vom Gehalt nicht mithalten aber ich möchte dich behalten, und ich kann Dir 5.200 Euro bieten. Möglicherweise ist die Beschäftigte in ihrem Job sehr zufrieden, auch das Image der Firma ist ein Gutes, also man muss sich nicht genieren, wenn man sagt, man arbeitet für Firma XY und überdies zeigt die Tatsache, dass ihr Chef symbolisch mitbietet, dass sie und ihre Leistung respektiert wird. Sie wird sehr wahrscheinlich das Angebot abschlagen. Wenn Sie aber bei einer Firma arbeitet, in der das Betriebsklima schlecht ist, in der sie das Gefühl hat, sie ist nur ein Kostenfaktor mit Ohren und zwei Beinen oder die ein schlechtes Image hat, weil sie Teil eines Multis ist, der mit Zulieferfirmen zusammenarbeitet, die in der Dritten Welt Leute ausbeutet oder gar unter dem Verdacht steht, von Kinderarbeit zu profitieren, dann wird sie vielleicht den Wechsel sogar überlegen, wenn sie einen Teil ihres Einkommens verliert. Sie gewinnt ja womöglich eine andere Art von Nutzen: Es wird ihr künftig im Freundskreis nicht mehr peinlich sein müssen, wenn sie sagt, wo sie arbeitet.

 

Dass in jüngster Zeit der „bewusste Konsument“ in aller Munde ist und sich andererseits Firmen darin überbieten, „Gutes“ zu tun, hängt exakt mit diesem Sachverhalt zusammen. Das sind nicht harte ökonomische, aber sanfte, nicht minder wirtschaftlich bedeutende Faktoren, mittels denen Firmen um Konsumenten, aber auch um die besten Beschäftigten konkurrieren.

 

Ich komme zum Schluss: Wenn man ihnen sagt, der Mensch ist ein Homo Economicus, also ein Tier, dem nur um seinen ökonomischen Vorteil zu tun ist – glauben sie es nicht. Wenn sie es bisher geglaubt haben, wenn sie auch nur Spurenelemente dieses Glaubens in ihrem Kopf haben (und wir alle haben Spurenelemente dieses Glaubens im Kopf), dann löschen sie das aus ihrem Kopf. Es ist ein Fehlglaube, der sie systematisch falsch handeln lässt.  

 

Ein Gedanke zu „Der Mensch ist eine Ressource, die stört“

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