Ist der deutsche Wahlkampf plötzlich spannend?

Ab nun schreibe ich bis zur Bundestagswahl am 27. September gemeinsam mit anderen in loser Folge das Wahlblog der Heinrich-Böll-Stiftung. Hier mein erster Eintrag:

Bis vor zwei Tagen hieß es unisono: „Oh, wie langweilig dieser Wahlkampf.“ Nach den Landtagswahlen im Saarland, Thüringen und Sachsen soll plötzlich alles anders aussehen. Mit Wucht hätten die Wähler Leben in den Wahlkampf gebracht, behaupten die Kommentatoren nun. Der Münchner Merkur wird gleich pathetisch: „Die Republik erlebt jetzt die Wiedergeburt des Politischen, die Erfahrung, dass der Wähler nicht nur wählen, sondern auch entscheiden kann.“ Aber was genau war denn bisher langweilig, und was exakt ist, im Umkehrschluss, nun wieder spannend geworden?

Wahlkämpfe gelten heute generell als ereignisarm. Die großen, elementaren Weltanschauungsdifferenzen zweier Lager gibt es nicht mehr. Gelegentlich ist, in Fünf-Parteien-Systemen zumal, schon die Konstruktion von „Lagern“ schwierig. Unter solchen Bedingungen wird es dann am ehesten „spannend“, wenn es wenigstens Auswahl zwischen klar konturierten und lebenskulturell unterscheidbaren Spitzenpersonen gibt. Wie Schröder versus Stoiber etwa. Aber Merkel versus Steinmeier? Ich bitte Sie.

Doch die eigentliche Ursache der Langeweile ist nicht die Vielfalt der Parteien oder die Gleichheit der Kandidaten. Ursache ist die allgemeine Überzeugung, es gebe zwar Wahlen, aber wer Kanzler – also: Kanzlerin – wird, sei jetzt schon klar. Fraglich ist allenfalls, ob sie als Vorsteherin einer schwarz-gelben Koalition regieren darf, ob sie sich doch wieder in die Große fügen müsse, oder vielleicht doch Jamaika…?

Kurzum: Ein Wahlgang, bei dem vorher schon feststeht, wer nachher Regierungschef ist, ist nicht sonderlich sexy. Und hat sich daran durch den Landtags- und Kommunalwahlsonntag allzu viel geändert? Was genau ist jetzt anders? Die SPD freut sich, dass die CDU stark verliert, obwohl sie selbst kaum wo über 25 Prozent erhält. Sie hat gemeinsam mit der Linkspartei strategische Mehrheiten, die sie aber, selbst wenn sie sie im Bund hätte, nicht nützen will.

Ergo: Es ist schwer vorstellbar, was passieren könnte, damit Angela Merkel nicht die nächste Bundeskanzlerin wird. Eine „Wiedergeburt des Politischen“ sieht anders aus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.