Heikle Detailfragen zur Staatsverschuldung

In einem an sich sehr instruktiven und sachkundigen Artikel von Andrea Rexer im jüngsten „profil“ über Staatsschulden hat sich an einer Stelle eine Ungenauigkeit eingeschlichen, die recht symptomatisch ist für das reflexartige Denken, wenn die Rede auf Budgetdefizite kommt. Und zwar referiert Rexner die Studienergebnisse von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhard wonach das Wirtschaftswachstum leide, „wenn Staaten mit mehr als 90 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in der Kreide stehen“. Soll heißen: Wenn der Staatsschuldenstand mehr als 90 Prozent des BIP betrage, treten signifikant niedrigere Wachstumsraten auf. Nun zeigt das die Empirie nicht: Die Empirie zeigt nur, dass Staaten mit mehr als 90 Prozent Verschuldung niedrigere Wachstumsraten haben. Sie zeigt aber keinen Wenn-Dann-Zusammenhang. Die Empirie zeigt also nicht: Wenn die Staatsverschuldung hoch, dann schwaches Wirtschaftswachstum. Es dürfte nämlich eher andersrum sein: Wenn ein Staat in eine langandauernde Krisenphase mit niedrigen Wachstumraten gerät, dann steigt in aller Regel natürlich auch die Staatsverschuldung relativ zum (niedrigen, kaum wachsenden) BIP. Man mag das für eine Kleinigkeit halten, aber ideologisch geht es bei diesem Detail ums Ganze: Nicht hohe Staatsschuldenstände sind das Problem, sondern sie sind dann ein Problem, wenn die Wirtschaft dümpelt.

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