Was steckt genau drin im Sparbudget? Gastautor Niki Kowall hat sich den Haushaltsentwurf im Detail angesehen. Und je genauer man hinsieht, umso deutlicher wird, dass man kaum zu sagen vermag, was am Budget skandalöser ist: die soziale Ungerechtigkeit oder die politische Phantasielosigkeit. Alles was Werner Faymann durchgesetzt hat ist ein minimaler Anstieg der vermögensbezogenen Steuern von 0,5 auf 0,8 Prozent des BIP.
Sparbudget 2011/2012: Die Steuererhöhungen für „Banken, Spekulanten, Konzerne und Vermögende“ (spoe.at) sind äußerst glimpflich ausgefallen. Die Kürzungen im Familienbereich bringen wenig ein, haben dafür drastische Auswirkungen. Die sozialdemokratische Handschrift ist auf der Einnahmenseite in Ansätzen erkennbar, ein Blick auf die Ausgabenseite verdeutlicht jedoch, dass letztlich die konservative Klaue dominiert.
Von Niki Kowall
Etliche Mitglieder der Bundesregierung vom Kanzler abwärts versuchen nach anfänglichem Eigenlob nun auf Grund der breiten Kritik am Budget den Eindruck zu erwecken, es handle sich um einen groben Vorschlag, der in der Begutachtungsphase noch modifiziert werden könne (Faymann zur Krone: „bessere Vorschläge sind stets willkommen“). Das ist eine Herangehensweise an Politik, die ganz offenkundig nicht darauf beruht den bestmöglichen Kompromiss mit Herz und Hirn auzuverhandeln und dann gegebenenfalls auch gegen Widerstände mit Überzeugungskraft durchzusetzen. Vielmehr wird nach dem Prinzip „trial and error“ ausgelotet wie die Maßnahmen in der öffentlichen Meinung ankommen, um danach gegebenenfalls noch nachzubessern. Ein Mangel an Überzeugungen lässt es an klaren Zielen fehlen, dies reduziert den Mut für getroffene Entscheidungen einzustehen, wodurch wiederum die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse erodiert. Strache lässt grüßen. Doch nun zu einigen Maßnahmen im Detail.
Ausgabenseite: Studierende bluten für nichts
Bei den Einsparungen auf der Ausgabenseite sticht die Kürzung der Geldleistungen für Familien bzw. Studierende ins Auge. Seit vielen Jahren betonen Menschen jeglicher Gesinnung, dass monetäre Geldleistungen für Familien nicht der Weisheit letzter Schuss sind. So zuletzt Rainer Nowak in der Presse:„(…) vor allem aber ein gutes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen [hilft] vielen Eltern wesentlich mehr als Prämienzahlungen. Das weiß man aus Skandinavien und Frankreich.“ Würden Bund, Länder und Gemeinden mit aller Kraft in die öffentliche Kinderbetreuung investieren, könnten die monetären Familienleistungen analog schrittweise zurückgefahren werden. Ein softer Übergang von Geldleistungen zu Sachleistungen im Familienbereich wäre durchaus vernünftig. Faktum ist, das aktuelle Betreuungsangebot ist weder ausreichend noch flächendeckend und eine entsprechende und eine gezielte Umschichtung der Gelder in Richtung Betreuungsinfrastruktur ist nicht vorgesehen. Es handelt sich um eine reine Sparmaßnahme.
Interessant ist der Umstand, dass die Kürzungen bei der Familienbeihilfe insgesamt nur 250 Millionen Euro einbringen, also weniger als ein Sechstel des gesamten angepeilten Einsparungsvolumens von 1,6 Mrd. Euro. Die Herabsetzung der Anspruchsdauer für die Kinderbehilfe auf 24 Jahre ist überhaupt nur mit 70 Millionen veranschlagt und wegen der nachträglichen Modifikation für Stipendien-BezieherInnen spart sich der Staat noch einmal 15 Millionen weniger, sprich budgettechnisch mickrige 55 Millionen. Das sind gerade einmal lächerliche drei Prozent des Einsparungsvolumens. Eine Kürzung die somit sehr wenig einbringt aber wegen der geringen Zahl an Betroffenen für die Einzelnen dennoch drastische Folgen hat. Die Maßnahme ist also nicht nur falsch, sondern auch unklug, die Studierenden bluten für nichts und wieder nichts. Über die Details der Einsparungen schreiben Eva Maltschnig und Joe Thoman am Blog der Sektion 8.
Ein kleines Fallbeispiel zur Verdeutlichung der Situation: Ein zweitgeborenes Kind das im Oktober zur Welt kam, wird mit fast sieben Jahren eingeschult und besucht nach Volks- und Hauptschule eine fünfjährige HTL. Die Person maturiert im Juni und wird im Oktober darauf 20 Jahre alt. Der/die Maturant/in entschließt sich sowohl einen Bachelor, als auch einen Master in Maschinenbau zu absolvieren (zehn Semester), womit selbst bei Einhaltung der Mindestzeit das letzte Jahr schon ohne Familienbeihilfe bestritten werden muss. Es kann aber auch zu anderen Verzögerungen kommen, die allesamt keine Sünden, sondern völlig legitime – oder sogar wünschenswerte – Normabweichungen in den Biographien junger Menschen sind. Die Person kann in der Schule einmal durchgefallen sein, nach der HTL-Matura zwei Jahre gearbeitet haben, mit dem Studium nicht so rasch zurecht gekommen sein, eine besonders forschungsintensive Masterarbeit verfasst haben die nochmals ein bis zwei Semester dauerte, eine monatelange Reise nach der Matura gemacht haben, ein Auslandssemester absolviert haben oder vielleicht zuerst ein bis zwei Semester ein anderes Studium versucht haben, das sich dann doch nicht als die ideale Wahl herausgestellt hatte. Das sind nur einige von hunderten Gründen wieso jemand vielleicht nicht mit 24 Jahren fertig wird. Diese zweitgeborene Person bekommt jedenfalls 165,5 Euro Familienbeihilfe, was gerechnet auf zwei Jahren 4.000 Euro ergibt. Damit ist die Kürzung bei der Familienbeihilfe um zwei Jahre für diese/n Studierende sogar schmerzlicher als die Studiengebühren, die für zehn Semester 3.630 gekostet hätten.
Es ist gelinde gesagt ein Skandal, dass die Studierenden einen für die Betroffenen so schmerzlichen und fürs Budget noch dazu so irrelevanten Beitrag leisten sollen. Für eine Krise die – und daran sollte wieder einmal erinnert werden – von der Finanzwelt und ihrer vermögenden sowie marktgläubigen Kundschaft verursacht wurde. Natasche Strobl vom VSStÖ lässt in diesem Zusammenhang ihrer berechtigten Empörung über die SPÖ in der Tageszeitung Der Standard freien Lauf und fragt die Parteiführung „Geht’s noch?“
Einnahmenseite: Gute Ansätze, doch letztlich vergebene Chance
Die SPÖ-Führung trommelt 2/3 der Steuereinahmen kämen von den Banken, Spekulanten, Konzernen und Vermögenden. Eine leider beschönigende Darstellung. Erstens machen die neuen Einnahmen von Stiftungen und Banken, aus Aktienzuwächsen und aus der Steuerbetrugsbekämpfung im Jahr 2011 nur 50 Prozent aus. Zweitens steigert sich der Anteil bis 2014 langsam auf 62 Prozent was die SPÖ-Führung als 2/3 interpretiert. Diese mathematisch nicht ganz präzise Darstellung kann verziehen werden, schwerer wiegt allerdings der folgende dritte Umstand. Mehr als ein Drittel dessen was von den Banken, Spekulanten, Konzernen und Vermögenden kommen soll, firmiert unter dem Titel Betrugsbekämpfung. Der Finanzminister rechnet ab 2012 mit eine halben Milliarde Euro, doch was der Fiskus dabei in welchem Zeitraum einnehmen kann, wird niemals seriös messbar sein. Die ÖVP kann jedenfalls mehr als ein Drittel des neuen Steueraufkommens unter Betrugsbekämpfung verbuchen und ihre kleine aber feine Hauptklientel – die Vermögenden – vor weiterem Ungemach bewahren. Ein paar Worte zu den einzelnen Maßnahmen:
Die Vermögenszuwachssteuer ist zwar besser als nichts, jedoch im Prinzip eine Enttäuschung, weil keine Immobilien sondern nur Aktien betroffen sind. Dieser Umstand empört sogar den Bankensektor. „Wenn eine Vermögenszuwachsbesteuerung, die insgesamt schon problematisch ist, halbwegs gerecht sein soll, dann muss sie ausnahmslos alle Vermögenskategorien beinhalten. Wegen volkswirtschaftlicher Kosten der Infrastruktur und der Knappheit wäre eine Besteuerung von Immobilien viel mehr gerechtfertigt“, so der Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI) gegenüber der APA. Der Meinung des Herrn Chefanalysten dürften sich auch viele jener Menschen anschließen, die seinen Arbeitgeber lieber zerschlagen und verstaatlicht sehen würden. Das nächste Problem der Vermögenszuwachssteuer ist, dass nur Privatanleger betroffen sind, aber keine Versicherungen, Pensionskassen bzw. staatlich geförderte Vorsorgeprodukte. In diesem Fall bringt Anlegerschützer Wilhelm Rasinger – auch kein prononcierter Klassenkämpfer – die Kritik auf den Punkt. Dass institutionelle Anleger wie auch Fondsgesellschaften und Versicherungen verschont werden sei schlicht „unfair“. Die Steuer hat noch einen gewaltigen Schönheitsfehler: Sie gilt nur für Wertpapiere, die ab dem 1. Jänner 2011 gehandelt werden, wodurch das Aufkommen in den nächsten Jahren minimal sein wird. Für 2011 rechnet die Regierung mit 30 Millionen Euro. Das klingt viel, entspricht aber nur lächerlichen 0,025 Prozent des gesamten Steuer- und Abgabenaufkommens (also der Summer aller staatlichen Steuereinnahmen) von 2009. Bis 2014 sollen die Einnahmen auf 250 Millionen oder 0,2 Prozent des Steuer- und Abgabenaufkommens ansteigen. Die großen Brocken Umsatzsteuer oder Einkommenssteuer machen das Hundertfache des Aufkommens aus der Vermögenszuwachssteuer aus, womit der Vermögensbeitrag weiterhin aus Peanuts besteht. Positiv ist eigentlich nur das Selbstverständliche: Verluste aus negativen Wertpapierentwicklungen können mit keinen anderen Einkommensarten, und auch nicht mit Gewinnen aus den kommenden Jahren gegengerechnet werden.
An der skandalösen Tatsache, dass die vermögensbezogenen Steuern in Österreich 2008 mit 1,4 Mrd. Euro nur rund 0,5 Prozent am BIP ausmachten – bekanntlich einer der allerniedrigsten Werte in der OECD – ändert sich demnach nur wenig. Ein Anstieg auf den Durchschnittswert der EU-15 von 2,1 Prozent Vermögenssteueraufkommen am BIP würde das österreichische Volumen um 4,5 Mrd. auf rund sechs Mrd. vervierfachen. Wenn man großzügigerweise die Bankenabgabe zu den Vermögenssteuern rechnet (was inhaltlich eigentlich nicht korrekt ist), dann steigt das Vermögenssteueraufkommen flankiert von Vermögenszuwachssteuer und Änderungen bei der Stiftungsbesteuerung bis 2014 um 850 Millionen Euro. Das bedeutet einen Anstieg der vermögensbezogenen Steuern am BIP von 0,5 Prozent auf 0,8 Prozent. Stellt man diesen extrem bescheidenen Zuwachs einem potentiellen Anstieg auf den EU-15 Schnitt von 2,1 Prozent gegenüber wird klar, dass hier nur ein Minimalfortschritt erzielt wurde. Die vermögensbezogene Besteuerung in Österreich bleibt im Bereich der Kosmetik.
Zum Schluss noch etwas erfreuliches, nämlich die stärkere Belastung von Stiftungen. Die Begünstigung bei der Zwischensteuer wurde beseitigt, die Privilegien bei der Besteuerung von Liegenschaftsgewinnen in Stiftungen wurden zumindest auf natürliche Personen beschränkt. Das Privileg bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen den halben Steuersatz, oder – was der Regelfall ist – gänzlich steuerfrei auszusteigen bleibt. Die Vorteile von Stiftungen sind nicht ganz leicht zu erklären, wer sich für die Details interessiert und z.B. wissen möchte, was der begünstigte Zwischensteuersatz bisher gebracht hat, kann sich auf der Webseite Steuermythen schlau machen.
Noch im Frühjahr 2008 hat die Stiftungslobby gegenüber der Regierung Gusenbauer eine Halbierung des Eingangssteuersatzes für Stiftungen von 5 auf 2,5 Prozent durchgeboxt. Wenn nun die im identischen Geiste angetretene Regierung Faymann beachtliche Einschnitte bei den Stiftungsprivilegien durchsetzen kann zeigt dies, dass sich mit der Krise die Zeiten verändert haben. Die behäbige SPÖ-Führung hatte jene Signale, die andere Völker schon längst vernommen hatten, lange überhört. Selbst als Franz Voves unter wütenden Beschimpfungen der Krone endlich erkannte, dass die Sozialdemokratie für eine gerechtere Besteuerung von Vermögen kämpfen muss, war in der Bundesparteizentrale noch keine Rede von „Zeit für Gerechtigkeit“. Erst im Frühjahr 2010 kam die Wende in der SPÖ-Verteilungspolitik. Weil selbst die letzte Umfrage ergeben habe, dass ein Kurswechsel populär sei, so kritische BeobachterInnen. Andere halten entgegen, die Motive seien egal, was zählt sind die Ergebnisse. Diese fallen allerdings nicht nur in der Budgetpolitik sondern auch in der Asylpolitik so ernüchternd aus, dass die Frage nach den Motiven doch wieder in den Vordergrund rückt. In einer großen Volkspartei ist die Palette an Gründen derentwegen Menschen sie unterstützen extrem breit. Vielleicht ist es letztlich zweitrangig, aus welchem Mix an Motiven eine Mehrheit für die Sozialdemokratie zustande kommt. Es ist aber offenkundig nicht egal, aus welchen Motiven die SPÖ geführt wird.
Was wäre eine fortschrittliche Alternative zu den aktuellen Einsparungen? Darüber mehr beim nächsten Mal.
Nikolaus Kowall ist Vorsitzender der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund