Die Wahrheit ist offenbar nicht zumutbar

Wie der türkische Botschafter in Wien eine diplomatische Krise auslöste. taz, 12. November 2010.

Klar, diplomatisch waren die Worte, mit denen der türkische Botschafter Kadri Ecvet Tezcan die Anti-Ausländer-Stimmung in Österreich charakterisierte, nicht wirklich. Gewiss auch, ganz den Gepflogenheiten seiner Branche entsprach es nicht, dass er der als „Abschiebeministerin“ bekannten Innenministerin Maria Fekter implizit vorhielt, sie würde besser in eine rechtsextreme Partei passen.

Aber dafür haben die starken Sätze, die der türkische Botschafter in Österreich sagte, einen Vorteil: Sie sind alle wahr. Mehr noch: Letztendlich weiß das jeder.

Der Botschafter hat einfach Klartext geredet: Die Anti-Ausländerpolitik selbst ist es, die zu Ghettoisierung führe. „Wenn man nicht willkommen ist und von der Gesellschaft immer an den Rand gedrängt wird, warum soll man dann Teil dieser Gesellschaft sein wollen?“

Aber damit hat er der politischen Klasse in Wien zuviel an Wahrheit zugemutet. Als erster empörte sich der Chef der konservativen ÖVP, Josef Pröll, und befahl seinem Außenminister, den Botschafter einzubestellen. Die Rechtspopulisten von BZÖ und FPÖ empörten sich erwartungsgemäß noch mehr, und da wollte auch der Bundeskanzler Werner Faymann nicht abseits stehen, bei so viel Empörung über die angebliche „Beleidigung aller Österreicher“

Die politische Korrektheit hat längst schon die Seite gewechselt. Rassistische Parolen sind alltäglich, und wenn sie geäußert werden, werden sie mit dem Hinweis legitimiert, „man wird das doch noch sagen dürfen!“ Wenn jemand Muslimen ein Dummheitsgen andichtet und diese „Meinung“ über alle Kanäle verbreitet wird, dann wird das in einer peinlichen Selbstheroisierung als Akt der „Meinungsfreiheit“ verkauft. Aber wenn einmal wirklich einer die Wahrheit sagt, dann fallen alle über ihn her. Wenn einer sagt, dass die Österreicher die Türken „wie ein Virus“ betrachten, dann hört sie sich auf, die Meinungsfreiheit.

Man sollte das im Ohr behalten, wenn mal wieder von den PI-Korrekten über angebliche „Denkverbote“ schwadroniert wird.

Ein Gedanke zu „Die Wahrheit ist offenbar nicht zumutbar“

  1. ich bin auch der meinung, daß der türkische botschafter mit seinen aussagen genau ins schwarze getroffen hat…die Reaktionen waren entlarvend und das war gut so.
    dennoch ist es auch richtig, daß der botschafter sein amt mißbraucht hat, denn „diplomatisch“ waren die aussagen ja wirklich nicht.
    allein wie er das „presse“-interview begonnen hat:“Wollen Sie, daß ich als Botschafter antworte oder wollen Sie meine eigene Meinung hören?“
    Ich mein, das imponiert mir schon: Da gibts einen, der kann sich offenbar aussuchen, ob er in der Öffentlichkeit als Botschafter seines Landes oder als Privatperson spricht.
    In etwa wie wenn sich Armin Wolf vor der ZIB2 fragt: „Soll ich heute professionell journalistisch moderieren oder vor laufender Kamera eine Strip hinlegen?“
    Völlig unprofessionell…aber dafür erfrischend couragiert. Vielleicht braucht’s das in weiteren Berufen (Chirurgen jetzt mal ausgenommen).

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