Mehr Moral in die Wirtschaft

Jetzt kommen sie langsam in Serie heraus, die Erinnerungen abgewählter Politiker mit dem Arbeitstitel: „Die Welt stand am Abgrund. Aber ich habe sie gerettet“. Nach dem deutschen Ex-Finanzminister Peer Steinbrück hat jetzt auch der britische Ex-Premier Gordon Brown ein Buch über die Monate vorgestellt, in denen die Welt knapp an einem Totalkollaps des Finanzsystems vorbeischrammte. Und obwohl man dem Labour-Premier Brown nachsagt, er sei ein witzloser Zahlenhengst und Besserwisser, liest sich das durchaus packend: Wie er plötzlich ein Getriebener ist, wie er seinem Kollegen George W. Bush den Ernst der Lage erklären muss, wie er im Flugzeug über dem Atlantik „einen Plan“ zur Rekapitalisierung der Banken entwirft. Dabei muss man sich Gordon Brown als unglücklichen Mann vorstellen: Jahrelang stand er als Schatzkanzler im Schatten Tony Blairs, und als er ihm, wie lange angestrebt, endlich im Amt des Regierungschefs nachfolgt, fliegt ihm die Welt um die Ohren. Er macht als sachkundiger Wirtschaftsexperte alles richtig, verhindert Bankenzusammenbrüche, setzt ein massives keynesianisches Konjunkturprogramm in Gang, was eine ökonomische Abwärtsspirale abwendet – und wird dann erst recht abgewählt. Man erkennt in Brown aber auch den Moralisten. Neben seinen Ideen für neue ökonomische Regeln plädiert er immer wieder für eines: „Märkte brauchen Moral“. Dass es blauäugig sei, Moral im Wirtschaftsleben zu fordern, das findet Brown ganz und gar nicht. Schließlich würden sich doch nicht nur die meisten Menschen im allgemeinen, sondern auch die meisten Wirtschaftstreibenden an ethische Standards halten. Fast alle tun das. Der Bäcker, der Schuster, das Modegeschäft, die Computerfirma – sie alle betrügen ihre Kunden nicht. So gesehen sei das ja von Bankern wirklich nicht zuviel verlangt, sich an ein paar Grundprinzipien zu halten.

Gordon Brown: Was folgt. Wie wir weltweit neues Wachstum schaffen. Campus Verlag, Frankfurt /M. – New York. 375 Seiten, 25,60.- Euro

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