Zahlen für die Griechen?

Heinz-Christian Strache stellt mal wieder dir richtigen Fragen und gibt wie stets die falschen Antworten  Falter, 15. Juni 2010
„Unser Geld für unsere Leute“, trommeln Heinz-Christian Strache und seine Entourage. Und das Argument zieht. Ein Schuldiger für die Misere an den Finanzmärkten ist gefunden: der „Pleite-Grieche“ im Besonderen, die faulen Südeuropäer im Allgemeinen. So verdichtet sich der Argwohn, dass da doch irgendetwas nicht gerecht zugeht beim Bezahlen der Krisenkosten, in Finanzchauvinismus. Freilich, das Gefühl selbst ist ja nicht unberechtigt, aber wie stets lenkt der Populismus es in die denkbar dümmsten Kanäle. 
Die Staatsschuldenkrise ist ja nur die Folge der globalen Finanzkrise, da die Staaten erstens den Banken ihre Schulden und den Investoren ihre Risiken abgenommen haben, zweitens mit dem Einbruch der Wirtschaftsleistung auch die Steuereinnahmen eingebrochen sind und drittens mittels teurer Konjunkturmaßnahmen ein Totalzusammenbruch der Wirtschaften abgewendet werden musste. Und da sind drei Fragen natürlich naheliegend: Waren die Maßnahmen effektiv? Waren sie gerecht? Und wäre das, was dem Gerechtigkeitsgefühl entsprechen würde, genauso effektiv, effektiver oder weniger effektiv? 

Zunächst die einfachste Frage: War irgendetwas „gerecht“ daran, wie die Krisenkosten bestritten wurden? Menschen mit größeren oder kleineren Vermögen haben ihr Geld auf den internationalen Finanzmärkten angelegt. Natürlich sind das nicht nur die „Superreichen“, aber doch die Menschen, die überhaupt Vermögen besitzen. Wenn die obersten zehn Prozent in Österreich 54 Prozent der Finanzvermögen besitzen und das unterste Drittel überhaupt nichts, dann haben wir in etwa ein Bild davon, wer Geld auf Finanzmärkten angelegt hat. Nun ist Geldanlage eine Risikooperation. Mit dem Kollaps der Finanzmärkte wären alle diese Vermögen vernichtet worden. Das wurde aber von den Regierungen verhindert. Davon haben also überproportional jene profitiert, die überhaupt ein Vermögen besitzen, das gerettet werden konnte. Bezahlt wird das aber von allen Steuerzahlern zusammen. Mehr noch: Da die Staaten ja ihrerseits für diese Operationen Geld brauchen, müssen sie es sich am Kapitalmarkt leihen. Leihen können es ihnen natürlich nur die Vermögenden, die dafür Zinsen kassieren. Sie lassen sich die Rettung ihrer Vermögen also auch noch bezahlen.
Hätte es dazu aber eine effektive Alternative gegeben? Wohl keine, die man gerne ausprobiert hätte. Gerechter gestalten kann man diese Operation am leichtesten dadurch, dass man in einem sekundären Schritt, etwa über die Anhebung von Vermögenssteuern, die Nutznießer auf angemessene Weise an den Rettungskosten beteiligt. 
Manche Staaten sind nun aus dem Kapitalmarkt rausgefallen, das heißt, es leiht ihnen niemand mehr Geld, außer zu unannehmbaren Konditionen. Wollen sie Staatsanleihen verkaufen, müssen sie deutlich erhöhte Zinsen („Risikozuschläge“) zahlen. Nun haben Investoren – Banken, Fonds, Privatleute – „Risikozuschläge“ kassiert, aber damit diese Staaten wie Griechenland, Spanien, Irland und andere nicht pleite gehen, spannt man Rettungsschirme. Ist das gerecht? Natürlich auch nicht. Denn wie kann man denn den „Risikozuschlag“ begründen, wenn dann die Regierungen ausschließen, dass das „Risiko“ schlagend wird? 
Sind nun all die Maßnahmen, die bisher getroffen wurden, wenn schon nicht gerecht, dann wenigstens effektiv? Auch das ist sehr fraglich. Für die Rettungsmaßnahmen werden Griechenland, Spanien & Co. harte Sparprogramme vorgeschrieben. Ihre Ökonomien stürzen noch tiefer in die Depression, was ganze Generationen ihre Zukunft raubt, aber auch dazu führt, dass diese Länder nie und nimmer ihre Schulden zurückzahlen können. „Mit jedem Versuch, das Problem zu lösen, erschaffen sie (die Regierungen) zig neue“, formulierte die „Zeit“. Denn es müssen im Grunde drei Ziele gleichzeitig gelöst werden, die sich nicht so leicht auf einen Nenner bringen lassen. Erstens soll es nicht zu einem neuen Bankenkrach kommen. Zweitens muss den überschuldeten Ländern die Möglichkeit gegeben werden, wieder auf die Beine zu kommen. Und drittens ist nicht einzusehen, warum die Steuerzahler die Hauptlast tragen, die Finanzanleger aber hohe Zinsen kassieren. 
Aber das Durchwurschteln von Fall zu Fall funktioniert nicht mehr. Es fällt auch zunehmend schwer, es gegenüber den Bürgern zu legitimieren. Deswegen braucht es einen Plan, der erstens die Finanzanleger auf eine Weise beteiligt, der gerade noch moderat genug ist, dass es nicht zu neuen Bankenkrisen kommt. Es braucht in den reichen, prosperierenden Ländern, deren Unternehmen sich das leisten können, deutliche Reallohnsteigerungen, damit sie nicht wie bisher die schwächeren Ökonomien nieder konkurrieren, sondern umgekehrt die Bürger genug Geld in der Tasche haben, die Güter der Griechen und Spanier zu kaufen (oder dorthin auf Urlaub zu fahren). Im Moment passiert ja schlicht das Gegenteil: In Deutschland erhöhten sich die Löhne zuletzt gerade um zwei Prozent, was unterhalb der Inflationsrate liegt und deutlich unter dem, was selbst arbeitgebernahe Institute den „Verteilungsspielraum“ nennen – also die Summe von Inflation und Produktivitätszuwachs. Damit verschärft aber Deutschland noch die Ungleichgewichte in Europa. Und es braucht massive Investitionen in die schwächeren Ökonomien, weil eine Währungsunion nur funktioniert, wenn die Lebensverhältnisse sich einigermaßen angleichen. Nur so können die Staaten der europäischen Peripherie aus der Depressionsspirale rauskommen. Ein solcher Plan wäre gerecht und effektiv, und es gibt zu ihm außerdem keine realistische Alternative.  
All das ist freilich nur schwer möglich mit Politikern, die sich bloß von Notfall zu Notfall schleppen und schon gar nicht mit Populisten, die komplizierte wirtschaftliche Herausforderungen auf die Formel reduzieren: Kein Geld für meinen Nachbarn!

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