Schäuble: Sparen tut kurz weh, ist aber dann ur super! Argument dafür? Leider Nein…

Der Gastkommentar von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble in der vorgestrigen „Financial Times“ (hier der link) ist wieder einmal zum Haareraufen. Ja, klar, man kann sagen, diese Auftragstexte, die irgend ein Ministersekretär schreibt, diese langen Kolonnen an heißer Luft, sie haben ohnehin keine Bedeutung. Aber so stimmt das nicht. Auch das Sloganhafte dieser Textsorte macht sie nicht unwichtig: denn es sind meist diese einfachen Slogans, die in den Köpfen dieser Leute herumspuken. Viel mehr passiert in diesen Köpfen ohnehin nicht. Was also schrieb Schäuble?

Das Rezept ist so einfach wie es schwierig ist, in die Praxis umzusetzen: die westlichen Demokratien und andere Länder mit hohen Schuldenniveaus und Defiziten müssen ihre Ausgaben kürzen, ihre Einnahmen erhöhen und die strukturellen Probleme ihre Ökonomien in den Griff bekommen, wie schmerzhaft das politisch auch sein mag. … Es gibt die Sorge, dass fiskalische Konsolidierung, ein kleinerer öffentlicher Sektor und flexiblere Arbeitsmärkte die Nachfrage in diesen Ländern in kürzer Frist unterminieren würden. Ich bin nicht überzeugt davon, dass dies wirklich der Fall sein würde, aber sogar wenn es der Fall wäre, müsste man eine Abwägung treffen zwischen den kurzfristigen Schmerz und dem langfristigen Nutzen. (Dieser)… wird den kürzfristigen Einbruch der Nachfrage abwiegen.

Was soll man da noch sagen? Kein Argument, nur ein Glaubensbekenntnis. Wenn wir ordentlich sparen, wird das kurzfristig schmerzhaft sein, aber langfristig ganz toll! Warum das der Fall sein soll, sagt der Minister nicht dazu.

Okay, denken wir also selber nach. Der Staat kürzt die Einkommen der normalen Menschen, er kürzt damit die Einkommen der Firmen, deren Güter diese Menschen kaufen würden, er kürzt die Einnahmen der Investitionsgüter-Industrie, weil die Firmen ja nicht investieren werden, wenn sie wissen, dass ihnen niemand ihre Güter abkaufen wird. Also, er reduziert den Reichtum ein Volkswirtschaft, er senkt ihr Outputniveau, und selbst wenn es dann irgendwann wieder zu Wachstum kommt, findet dieses Wachstumsniveau von niedrigerer Ausgangsbasis statt, und die verlorenen Potentiale sind praktisch nicht mehr einzuholen. Und wieso soll das langfristig nützlich sein, ja, wieso sollte dieser Nutzen den Schaden und den Schmerz überwiegen, den das anrichtet? Irgendein Argument? Irgendeine Hinweis, wie sich dieses ökonomische Mirakel abspielen würde? Leider nein.

Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Fiskalische Verantwortlichkeit ist schon wichtig, langfristig kann kein Staat auf Pump leben. Und tatsächlich kann das ja der Fall sein, dass einzelne Volkswirtschaften gar keine andere Wahl haben, als ihre Staatsausgaben zu reduzieren; tatsächlich ist das ja tatsächlich auch so, dass die meisten Länder versuchen müssen, ihre Schuldenstände zu reduzieren (wobei das gerade bei den reichen, prosperierenden Nationen besser über neue Steuerquellen geschieht, die das Wachstum nicht abwürgen). Und Schäuble hat schon recht, dass auch Euro-Bonds ohne irgendeine Art gesamteuropäisches fiskalisches Regime nicht gut funktionieren würden. Über all das muss man nachdenken, und dazu gehört eben das Nachdenken über neue Einnahmenquellen ebenso wie über intelligente Ausgabeneinschränkungen der Länder (Kürzungen, die den geringsten Schaden anrichten). Aber dieses Mantra, dass schon im Titel des Schäuble-Manifests zum Ausdruck kommt, dass „Austerität die einzige Kur für die Euro-Zone ist“, das ist so doof, so bar jedes Sachversandes und jedes vernünftigen Nachdenkens, dass es schon richtig richtig schmerzt. Die Wirtschaft abwürgen tut kurz weh, ist dann aber ur super? Nein, leider, Herr Schäuble, das ist ausgemachter Unsinn, auch wenn sie so fest daran glauben wie George W. Bush an seine Wiederauferstehung.

Ich fürchte, Europa kann sich den Geist solcher Minister, die nur Glaubenswahrheiten folgen, ohne überhaupt den Versuch zu unternehmen, etwas zu verstehen, nicht mehr allzu lange leisten.


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