Michael Moore und der Vorwurf der Propaganda

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Vortrag bei der Tagung „Politik im Dokumentarfilm“ im Kölner Filmhaus, 13. Oktober 2011. Lesern meines Buches „Genial dagegen“ werden die Mittelpassagen möglicherweise bekannt vorkommen…
Oh yeah, here he comes! Der berühmteste Linke der Welt! Der unterhaltsamste Klassenkämpfer dieses Globus! Der Entertainer unter den Sozialkritikern! Michael Moore, Amerikas dickste Smart Weapon: Lachen für den Frieden, Witzeln gegen Rechts, Pointen für den Regime Change in Washington. Der Filmemacher with a mission. Michael Moore gegen das Unrecht! In der Hauptrolle: Michael Moore. In der Nebenrolle: das Unrecht.
„Michael Moore und der Vorwurf der Propaganda“, so lautet das Thema, über das ich hier heute sprechen soll. 
Und da möchte ich, systematisch wie ich bin, erstmals mit der Frage beginnen, was das denn eigentlich für ein Vorwurf sein soll: Propaganda? Sind Michael Moores Filme „Propaganda“? Was ist das überhaupt „Propaganda“? 

Nun, hat Michael Moore eine Meinung? Oh ja, er hat eine starke Meinung. Versucht er, dafür zu sorgen, dass auch andere Menschen seine Meinung übernehmen, sich ihr anschließen, sie teilen? Oh ja, das ist sein Ziel. Aber ist das deshalb schon Propaganda? Ich meine, nehmen wir einen x-beliebigen Leitartikler, beispielsweise, Josef Joffe in der „Zeit“. Der schreibt Leitartikel. Er hat eine Meinung. Er würde diese Leitartikel nicht schreiben, wäre er nicht der Auffassung, dass seine Meinung die richtige ist und dass es gut wäre, wenn möglichst viele Menschen seine Meinung teilen. Kaum jemand würde aber deshalb sagen, Josef Joffe ist ein Propagandist. 
Also eine Meinung zu haben, diese mit Entschiedenheit zu vertreten und zu versuchen, andere von seiner Meinung zu überzeugen, ist ganz offenbar eine Bedingung dafür, etwas als „Propaganda“ zu charakterisieren, aber es ist keine zureichende Bedingung, es reicht nicht aus. Es sind noch andere Ingredienzien notwendig. 
Ein Faktor könnte der der Wiederholung sein. Wenn jemand einmal, ein einziges Mal,  in einem Leitartikel schreibt, dass nur freie Märkte, die von keinen staatlichen Regeln reguliert sind, auf optimale Weise Wohlstand schaffen, dann würde ich dem vielleicht vorwerfen, dass er Blödsinn verzapft, aber es wäre absurd, ihn als Propagandisten zu bezeichnen. Wenn er das drei Mal macht, ist es auch noch schwierig. Wenn er aber jahrein, jahraus drei Mal wöchentlich die Segnungen von Weniger Staat, Mehr Privat preist, dann werde ich den mit gutem Recht als Propagandisten bezeichnen. Es gehört zur Propaganda also dieses Repetitive dazu, das Hämmern mit Berechnung, oder auch das Obsessive. Und das zweite, was zum Vorwurf der Propaganda dazugehört, ist, dass das, was behauptet wird, irgendwie nicht stimme. Ja, mehr noch, dass der Behauptende das selbst im Grunde weiß. Dabei muss es nicht einmal so sein, dass alle oder auch nur einige der einzelnen Behauptungen falsch sind, nein, es kann jede einzelne faktische Behauptung richtig sein. Propaganda zeichnet sich nicht dadurch aus, dass die Nachricht falsch ist, sondern dass sie geschickt an andere Nachrichten montiert ist, dass der Erzähler manipulativ montiert und weglässt, dass er suggestiv ist. Dass es ihm nicht um Wahrheit geht – was immer das nun sein mag: Wahrheit -, sondern darum, den Punkt für seine Sache zu machen, und wenn die Wahrheit da stört, dann hat die Wahrheit halt Pech gehabt. 
Hat das, was Michael Moore macht, Elemente von „Propaganda“? Ist es „Propaganda“? Aber natürlich. Aber damit ist die Frage doch nicht abgehandelt, der Delinquent nicht überführt. Denn erstens: Michael Moore erweckt ja nicht den Eindruck, dass da alles stimmt an dem, was er vorführt. Einer, der seine Dokumentarfilme als ulkige Comedy-Streifen anlegt, der insinuiert seinem Publikum doch schon augenzwinkernd, dass es selbst schuld ist, wenn es alles für bare Münze hält, der erzählt doch, bevor er irgendetwas zu erzählen beginnt dass er seine Geschichte so erzählen wird, dass sie unterhält, und wenn es dafür nötig ist, da und dort einmal sich den Plott mit der Axt zuzuhauen, dass er das auch tun wird. Ich meine, einer, der, wie in „Capitalism – A Love Story“ den Finanzdistrikt im Süden Manhattans mit einem Gelben „Crime Szene“-Band umwickelt und den Bankern mit dem Megaphon zuruft, sie sollen rauskommen, er werde sie verhaften, ja, der tut doch nicht so als mache er eine seriöse Dokumentation. Oder wenn er, wie in „Sicko“, mit einer Handvoll unversicherter amerikanischer Kranker nach Kuba fährt und die dort wunderbare kostenlose Krankenversicherung erhalten. Der Punkt ist dann die Frage, biegt sich Moore seine Storys so zurecht, dass sie die Wahrheit, eine Realität, die Realität, wie Moore sie sieht, zwar zurechtgebogen, aber im Grunde akkurat erzählt, oder biegt er sie so zurecht, dass sie falsch wird? Das ist die Frage. 
Aber vielleicht müssen wir einen Schritt noch zurück gehen, und nicht nur die Frage stellen, ob die Dokumentarfilme des Dokumentarfilmers Michael Moore akkurate Dokumentarfilme sind, sondern ob er überhaupt ein Dokumentarfilmer ist oder nicht doch längst etwas ganz anderes. 
Das Publikum tobt, sei es in der Berliner Columbiahalle oder ein paar Tage später im Wiener Volkstheater, noch bevor der schräge Typ auch nur ein Wort gesagt hat. Da erlangt einer mit linker Kritik einen Kultstatus, der ihm Tourneen beschert wie ansonsten nur den Rolling Stones. Die ganze Woche hätte er in Berlin bleiben und täglich vor vollem Haus auftreten können, erzählt er, in Wien spult er sein Programm zweimal hintereinander ab, einmal um sechs, einmal um acht Uhr abends. Sitzplatz bleibt in beiden Fällen keiner frei. Er kommt, legt los, und kaum jemanden hält es auf den Sitzen. Michael Moore ist erstaunlich. In jedem Fall ein begnadeter Entertainer, mit einem großen Repertoire von Stimmen, von Tonlagen: dem brummenden Baß für den amerikanischen Rechten, den hohen Flötenton für die Europäer, eine säuselnde Kopfstimme für die Gutmenschen und und und. Michael Moore ist der Großmeister und zugleich der reine Typus des erstaunlichen Trends: der Verwandlung von Kritik in Pop.
Und er ist natürlich eminent amerikanisch. Moore, der Einzelkämpfer. Moore, Stimme der schweigenden Mehrheit, die nicht zum Schweigen gebracht werden kann. Der Mann, der seinen Privatkrieg führt, in dem er selbst seine Hauptwaffe ist: ein »pseudo-naiver Unterklassen-Eulenspiegel“ (so der Kasseler Historiker Thomas Clark) , der seine Gegner dazu bringt, sich bloßzustellen, der die Welt verändern will, indem er simple Fragen stellt. Moore, eine Art Dissident, dem sie das Mikro abdrehen, wenn er bei der Oscar-Verleihung sein »Shame on you, Mr. Bush“ ausstoßen will. ER gegen SIE. Da vergißt man fast, daß SIE IHM vorher den Oscar verliehen haben; daß »Bowling for Colombine“ der erfolgreichste Dokumentarfilm aller Zeiten war – bis er von »Fahrenheit 9/11″ abgelöst wurde.  »The people’s filmemaker“ – »Filmemacher des Volkes“ – hat ihn der britische Guardian genannt. 
Es ist etwas Verstörendes um Moore. Das beginnt schon bei der Frage, was Moore denn eigentlich genau ist. Ein ernstzunehmender Kritiker? Oder ein Komödiant? Seine Bücher sind gespickt mit Zahlen und Statistiken, seine Filme sind Dokumentationen, also Non-Ficton, voller Behauptungen aus der Welt der Fakten. Doch erwischt man ihn bei Ungenauigkeiten oder bei etwas freihändigem Umgang mit Tatsachen, dann erwidert er: »Wie kann es Ungenauigkeit in Comedy geben?“ 
Irritierend ist auch das Verhältnis von Volk und seinem Verstärker in Moores Selbstdarstellung. »Ich stehe nicht alleine sondern verkörpere die Mitte der amerikanischen Mehrheit. Dutzende Millionen amerikanische Bürger denken so wie ich.“ Nur haben die keine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Moore spielt den Verkünder der bitteren Wahrheiten, die ohne ihn ungesagt blieben, den lonely truth teller. Zwar versieht er seine Auftritte immer mit Aufrufen wie: »Es wird Zeit, daß ihr eure Ärsche hochbekommt.“ Aber das Setting ist doch von der Art, daß Moore der Star ist, der bitterböse Bücher schreibt und bissige Filme macht – und die Massen, anstatt zu revoltieren, sich Kinokarten kaufen. Chronisch pessimistische Nörgler meinen darum, der Mann, der mit Kamera, Mikrophon und Baseballmütze als Retter der Unterklassen daherkommt, sei selbst eher ein Symptom der Krise der Linken, weil er der paradigmatische Linke in der Sound-Bite-Society sei. War die Linke nicht einmal stolz darauf, daß ihr Gedankengut eben von einer gewissen Komplexität ist, die sich von der populistischen Schwarzweißmalerei ihrer Gegner notwendigerweise abhebt? Es ist natürlich ein bißchen humorlos, so zu fragen, wie man überhaupt schon Humor braucht, wenn man Moore toll finden will. 
Schließlich schafft es Moore, und das ist v
ielleicht das Erstaunlichste, abgedrehten Witz mit einer sehr plumpen linken Weltsicht zu verbinden. Denn politisch ist Moore, wie die Briten sagen würden, »very old labour“, eine kauzige Mixtur aus Oskar Lafontaine und einer Fuhre Hamburgern. Moore meint, daß die anständigen Armen arm sind, weil die Reichen gerissen und böse sind, und will, daß amerikanische Sportschuhe von Amerikanern in amerikanischen Städten wie Burlington oder Flint produziert werden und nicht in Sweatshops in Indonesien. Ziseliertere Kapitalismuskritik darf man von ihm nicht erwarten. Aber auch wenn man weiß, daß die Dinge oft komplizierter sind, als sie bei Moore scheinen, kann man seine Interventionen doch funny finden, irgendwie erfrischend in ihrer Polemik, in ihrer Schroffheit. 
Und sich zerkugeln, etwa wenn er sich in einem seiner Streifen („The Big One“, 1997) darüber mokiert, daß »United States of America“ doch ein reichlich dröger Name für das mächtigste Land der Welt ist, während etwa eine kleine Insel das Wort »Great“ im Namen führt – Great Britain; und vorschlägt, man solle Amerika einfach in »The Big One“ umbenennen und als Hymne gleich »We will rock you“  wählen; und in einem schnellen Cut eine Menschenmasse ins Bild rückt, die »We will rock you“ singt.  
Moore hat eine eigene Kunstfertigkeit, blöd zu fragen. Ein Kapitel in einem seiner Bücher beginnt folgendermaßen: 
»Was ist die schlimmste Präsidentenlüge? ›Ich hatte keine sexuellen Verhältnisse mit dieser Frau, Miss Lewinsky.‹
Oder… ›Er hat Massenvernichtungswaffen – die tödlichsten Waffen der Welt – die eine direkte Bedrohung für die Vereinigten Staaten, unsere Bürger, unsere Freunde und unsere Alliierten darstellen.‹ Eine dieser Lügen brachte einem Präsidenten ein Impeachmentverfahren ein. «
An einer anderen Stelle erinnert Moore daran, daß Osama bin Laden ein Araber, ein Islamist und ein Multimillionär ist. Seit Amerika Jagd auf Terroristen macht, werden Araber und Moslems schon mal vorsorglich ins Gefängnis gesteckt, auch wenn sonst nichts gegen sie vorliegt. »Warum sagen wir nicht, anstatt verdächtige Araber einzukreisen, ›Oh Gott, ein Multimillionär hat 3 000 Leute umgebracht. Schnappt Euch die Multimillionäre! Steckt sie ins Gefängnis! Wir brauchen keine Beweise, keine Prozesse! Werft die Multimillionäre raus!‹“
Es ist verdammt schwierig, Filme über das Gesundheitssystem, die Entindustrialisierung des mittleren Westens oder den Waffenkult und die Angstlust der Amerikaner zu drehen und damit zu unterhalten. Das verlangt höchste Kunstfertigkeit. 
Daß dies gelingt, ist um so erstaunlicher, als Moore von einem Amerika erzählt, das bei Gott nicht sexy ist, von dem Amerika, aus dem er selbst stammt – der mittlerweile 57jährige voluminöse, häßliche Boy mit dem Watschelgang, den ausgewaschenen Jeans, die irgendwo in den Kniekehlen hängen, den gräßlichen Brillen und den unvermeidlichen Baseball-Caps. Moores Amerika ist identisch mit seiner Heimatstadt Flint, einem von Gott verlassenen – und auch vom größten Arbeitgeber General Motors abgeschriebenen – Flecken irgendwo im gesichtslosen amerikanischen Mittelwesten. »Moore ist auf eine Art aus Flint, wie Odysseus aus Ithaka war“, schrieb eine amerikanische Kritikerin in einer schönen Sentenz. Und so sind seine Filme auch von einer tragischen Nostalgie durchzogen, von der Erinnerung an ein Goldenes Zeitalter, von Roosevelts New Deal bis zu Johnsons Great Society, in dem die kleinen, dicken Leute noch davon träumen konnten, die »hard working people“ seien das »Salz der Erde“, »the salt of the earth“. Von der Erinnerung an das Amerika, das Woody Guthrie besang, wo sich die Zukunftszuversicht mit Egalitarismus paarte und in dem der Patriotismus linker Spielart herrschte, den Richard Rorty noch vor ein paar Jahren in seinem Buch »Stolz auf unser Land“ nachhing. Es ist kein Wunder, dass Moore in „Capitalism – A Love Story“ in den Schlusssuquenzen eine große Hommage an Franklin D. Roosevelt und den „New Deal“ eingebaut hat. 
Schon als Moore mit Roger and Me den Durchbruch schaffte, hieß es, der Film hätte besser »Roger & ME, ME, ME!“ geheißen, so notorisch ist in Moores Filmen die Hauptperson der Filmemacher selbst. Man kann diese Art, sich ins Bild zu rücken, penetrant finden – allein, die Masche zieht; like it or not, it works! Wie gesagt: Moore gegen das Unrecht! In der Hauptrolle: Moore. In der Nebenrolle: das Unrecht. »Person become product“, nennen die Amerikaner das.
Moore liebt dramatische Gesten. Wenn er in eine Corporation eindringt, welche Arbeiter ausbeutet oder Waffen produziert, um dort die PR-Dame zu quälen, kommt er daher mit der Wucht einer Naturkatastrophe. Auch plagt ihn keine falsche Scheu vor Kitsch. Wenn eine Frau bei einer seiner Buchpräsentationen erzählt, sie sei heute gekündigt worden und dann in Tränen ausbricht, nimmt Moore sie bei laufender Kamera in den Arm, tröstet sie. Eine gute Szene, findet Moore, und schon ist sie in einem Film gelandet. Weinende Frauen umarmt er überhaupt gerne, so auch die Lehrerin in »Bowling for Columbine“, die unter Tränen erzählt, wie ein sechsjähriger Schuljunge eine sechsjährige Mitschülerin vor ihren Augen durchsiebt hatte. Und man kann das schmerzhaft kitschig finden, und man kann auch abstoßend finden, und unmöglich, was er in „Bowling for Clombine“ mit dem hilflosen dementen Greis Charlton Heston macht. Wie er ihn hier vorführt, obwohl der nicht mehr weiß, wie ihm geschieht. 
Michael Moore ist also: kitschig, egomanisch; populistisch, daß es oft schmerzt; er versimpelt die Dinge; man kann es auch unehrlich finden, wenn einer den Boy from Flint und Rächer der Enterbten markiert und längst in einem Zwei-Millionen-Dollar-Appartement in New York mit Blick auf den Broadway residiert. Und dennoch ist Moore irgendwie auch großartig. 
Er trägt dem Umstand Rechnung, daß man Leute, will man sie in einer Ära des Entertainments erreichen, unterhalten muß. Wenn der Kampf um die Hegemonie in allen Sphären der ideologischen Formierung der Gesellschaft ausgetragen wird, dann ist das, was Michael Moore betreibt, sozusagen Klassenkampf in Disneyworld. Der Held eines solchen Klassenkampfes wird notwendigerweise selbst ein bißchen zur Mickey Mouse. Aber es stimmt natürlich auch: So wie es ein »universelles Kennzeichen des modernen Kapitalismus ist, daß oppositionelle Haltungen nicht verfolgt werden, sondern vermarktet“, so sind für Moore die Leute im Publikum nicht nur Mitstreiter, sondern auch Kunden. Er bedient sie, und sie sorgen dafür, daß er tun kann, was er für richtig hält, daß er »sinnvolle“ Filme machen kann; daß er nicht zu Geldgebern betteln gehen muß, um seine Projekte zu finanzieren. »Ja, ich bin ein Multimillionär, weil Multi-Millionen mögen, was ich mache“, sagt Moore. Das ist die schlichte, kommerzielle Logik auch bei der Kritik in Zeiten des Entertainments: je publikumswirksamer, also kommerziell erfolgreicher ein Kritiker ist, um so leichter ist es für ihn, seine Kritik zu äußern; um so mehr aber ist er auch gezwungen, die »Marke“ erfolgreich und erkennbar zu halten. Er muß unablässig »an der Marke arbeiten“. 
Insofern ist vielleicht nicht so sehr die Frage interessant, ob Michael Moore „Propaganda“ macht, sondern, ob er eine Figur ist, die einen Strukturwandel von Öffentlichkeit charakterisiert, der sich mit Begriffen verbinden lässt wie: Personalisierung, Polarisierung, Entertainment. Ich muss Ihnen nicht erzählen, dass es auf der amerikanischen Rechten eine Phallanx von Radaubrüdern und -Schwestern gibt, die sich in Schrillheit und Gebrüll gegenseitig zu übertreffen versuchen – Ann Coulter, Glenn Beck usw. 
Denen gegenüber stehen auf der Linken Leute wie Jon Stewart, Bill Maher un
d eben auch Michael Moore, Leute, bei denen es schwer zu unterscheiden ist, ob sie seriöse News-Leute, politische Aktivisten, geniale Komödianten oder bloß professionelle Geschäftsleute sind. Die aber unter den Bedingungen eines Medienbusiness mit seiner harten Konkurrenz um Aufmerksamkeit, dieser Aufmerksamkeitsökonomie, in die die Beachtung durch das Publikum ein knappes Gut ist, um das gerauft wird, die also unter den Bedingungen dieser zeitgenössischen Medienökonomie natürlich den Schluss gezogen haben, dass die Kritik, die den Vorteil hat, nüchtern vorgetragen, fundiert und bedächtig zu sein, die aber den Nachteil hat, dass sie niemand beachtet, eine etwas frustrierende Sache ist; und dass der Kritiker, der sich die Frage stellt, wie kann ich mein Publikum unterhalten, so dass es mir nicht einschläft oder wegzappt, vielleicht die nützlichere Arbeit macht – abgesehen davon, dass er auch noch darüber hinausgehende erfreuliche Resultate für ihn hat, wie hohes Einkommen, super Sozialprestige, Celebritystatus, schönen Frauen was auch immer. 
Will ich das kritisieren? Will ich darüber die Nase rümpfen? Na, sicher nicht. 
Ich würde halt immer die Frage stellen, ob man wirklich etwas lernt, ob es jemanden weiter bringt. Bringt Michael Moore als progressive Celebrity, mit seinen Filmen, seinen Ralleys, die er rund um die großen Wahlen veranstaltet, die Linke weiter? Indem er sie etwa zusammenschweißt, ihr Energie gibt, die Leute motiviert, etwas zu tun? Ja, kann sein, nicht dramatisch, aber ein bisserl. 
Bringen seine Filme bei seinen Zusehern irgendeinen signifikanten Erkenntnisgewinn? Nun, da bin ich nicht sicher. Stellen wir uns verschiedene Typen potentieller Zuseher vor:
Etwa, den uninformierten, sagen wir salopp: etwas dummen Linken. Der sich die Moore-Filme ansieht und denkt. Ach, so läuft das. So ist das. So ist das, der das eins zu eins für bare Münze nimmt. Nun, so einen Zuseher wollen wir uns besser nicht vorstellen. Wahrscheinlich ist das aber natürlich nicht der typische Michael-Moore-Film-seher. Wer ist der typische Michael-Moore-Film-Seher? 
Also, ich habe Capitalism – A Love Story auf der Upper West Side von Manhattan gesehen, das ist natürlich nicht die total typische Region für die Weiten Amerikas. Aber ich denke mir doch, dass der typische Michael Moore Filmseher schon ein „kritischer“ Zuseher ist, also einer, der nicht nur dem Kapitalismus oder der Rechten oder dem Neoliberalismus oder der Profitgier gegenüber kritisch ist, sondern der vom kritischen Geist durchdrungen ist und sich nicht einfach etwas vorsetzen lässt, ohne darüber wiederum sich reflexiv Gedanken zu machen, kritische Gedanken über die Kritik sozusagen. Und noch einmal: Moore suggeriert ja nicht, dass das alles ernst und wahr und richtig ist wenn er da wie ein Eulenspiegel durch die Welt hampelt. Also, ich denke, dass der durchschnittliche Michael Moore Zuseher so denkt wie ich, dass er sich das ansieht und denkt: Bissi simpel, aber lustig. Das heißt, er ist immer schon ein bisschen klüger als der Film, den er sich ansieht, ist aber auch erfrischt von dieser Simplizität. Aber er erfährt natürlich, von Details abgesehen, was das große Bild betrifft nichts, was er nicht schon wusste, um nicht zu sagen: Was er nicht selber besser weiß. Und als Zuseher gehe ich dann raus und freu mich, ich hatte einen schönen Abend und frag mich dann: War das so simplifiziert, dass es schon wieder falsch war? 
Und ich hab mir das überlegt, als ich da runter gefahren bin mit der U-Bahn von Uptown-Manhatten runter Richtung East Village, hab mir das überlegt und bin dann zu dem Schluss gekommen: Nein. Eigentlich nicht. Es ist überzeichnet, versimpelt, dramatisch aufgepeppt, es ist unterhaltsam, kurzweilig, man sieht sich das gerne an, man könnte ein paar Dinge besser, weniger dick aufgetragen machen aber im Grunde, im Grunde ist das alles More or Less so, 
Und auch wenn die Leute das eh wissen, wenn daran nichts Aufklärerisches ist, in dem Sinn, dass da eine völlig neue Perspektive angeboten wird, etwas, was man noch nicht gewusst oder gedacht hat, 
So bestärkt das ein Wissen, fundiert es da und dort und rahmt es ein. 
Ist das Propaganda? 
Ich zweifle daran, dass das der richtige Begriff dafür ist. 
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