Journalisten als (un)bewusste politische Consulter und/oder Lobbyisten. Ein Beitrag für das „Jahrbuch für politische Beratung“, Herausgegeben von Thomas Köhler und Christian Mertens. Böhlau Verlag, Wien
Die Fragestellung, die mir hier aufgetragen ist, ist ein nachgerade „unmögliches“ Thema: Schließlich sehen sich die meisten Journalisten in ihrem Selbstbild als distanzierte Beobachter der Macht, als kritische Köpfe, die auf nichts so bedacht sind wie auf ihre Unabhängigkeit. Schließlich ist „Objektivität“ ja das Kapital des Publizisten. Will ein Journalist aber politische Akteure beeinflussen, setzt das eine Nähe voraus, die natürlich auch Beeinflussung in die andere Richtung ermöglicht – und dann käme auch seine Berichterstattung in den Geruch, politisch motiviert zu sein. Dann stünde er schnell unter Verdacht, seine Artikel im Sinne seiner politischen Favoriten hinzubiegen. Skurrilerweise gibt es gerade in Österreich einen regelrechten Kult um die „Unabhängigkeit“. Wohl aus mehrerlei Gründen. Einerseits gab es mindestens bis zum Ende der sechziger Jahre eine starke Tradition der Parteipublizistik, gegen die sich der Wert der Unabhängigkeit erst einmal durchsetzen musste; zweitens ist wegen der Kleinheit des Marktes die ökonomische Basis hiesiger Medien vergleichsweise prekär und deshalb ihre sublime Abhängigkeit von politischen Akteuren unbestreitbar; und drittens ist aufgrund der Kleinheit des Landes die Gefahr übertriebener Nähe immer gegeben – schließlich spielt sich das politische Geschehen in Wien auf etwa zwei Quadratkilometern ab, wo jeder jeden seit Jahren kennt. Angesichts dieser stetigen systemischen Bedrohungen der journalistischen Autonomie wird die parteipolitische „Unabhängigkeit“ von Journalisten gelegentlich mit besonderer Verve herausgestellt. Ist sie doch oft keine Unabhängigkeit, die sicher in sich ruhen würde, sondern eine, die sich stetig bedroht fühlt. Das führt dann gelegentlich auch zu eher skurrilen Erscheinungen, etwa, dass Journalisten ihre eigenen politischen Präferenzen und weltanschaulichen Überzeugungen irgendwie peinlich sind, als wären sie ein Defekt, der ihre Arbeit beeinträchtigen könnte und der deshalb irgendwie verschleiert werden müsste, so von der Art des anonymen Alkoholikers, der fürchtet, sein Laster könnte ihn in Verruf bringen.
Nun ist natürlich „Journalist“ nicht „Journalist“ und für eine ergiebige Diskussion unseres Themas müssen wir die verschiedenen Sphären für’s Erste auseinander sortieren. Der Begriff „Journalist“ unterstellt schließlich eine Einheit, die es so nicht gibt. Im Kontext unseres Themas: Der Herausgeber der „Kronen“-Zeitung lobbyiiert anders als der politische Redakteur der „Presse“, der einen Kommentar schreibt. Der Herausgeber des „Kronen“-Zeitung versucht oft auf ungeheuerliche Weise, der Politik seine Agenda aufzuzwingen; der Herausgeber von „Österreich“ betreibt Lobbyismus für seine unmittelbaren ökonomischen Eigeninteressen und schreckt dabei vor unorthodoxen Methoden nicht zurück, um das freundlich auszudrücken. Aber auch der Herausgeber des „profil“ agiert in einem viel eminenteren Sinne in einem politischen Umfeld als ein normaler Redakteur: Er hat eine Mischung aus Manager und Diplomat zu sein, der zugleich die Begehrlichkeiten eines Wirtschaftskonglomerats, das direkt mit einer politischen Partei verbunden ist, als auch die Interessen eines rein auf Rendite orientierten internationalen Medienhauses austarieren muss und zudem auch noch die Ansprüche eine rebellischen Redaktion, die er vor ökonomischen und politischen Druck schützen muss. Das ist bestimmt keine leichte Aufgabe – und wenn er seinen Job so versteht, dass er sich als personifizierte Firewall sieht, dann kommt das der Realität wohl ziemlich nahe. Vom Direktorium des ORF wollen wir hier gar nicht sprechen, auf dem derartiger politischer Druck lastet, dass es ihn immer wieder nachzugeben gezwungen ist. All diese „Journalisten“, die natürlich hauptsächlich Medienmanager sind, versuchen natürlich aus besseren und schlechteren Gründen in Richtung Politik Einfluss zu nehmen – aber hauptsächlich, um Vorteile daraus zu ziehen, bzw. um Nachteile abzuwenden. Diese Art von Lobbyismus ist so offenkundig wie banal. Und deshalb letztlich auch für unser Thema nur mäßig interessant.
Interessanter ist die Frage, auf welche Weise „normale“ Journalisten ihre politischen Haltungen zum Ausdruck bringen und auf welche Weise sie versuchen, die Politik zu beeinflussen. Auch hier muss eine Einschränkung getroffen werden: vernünftigerweise ist natürlich nicht von allen Journalisten die Rede, sondern nur von den politischen Journalisten im weitesten Sinn. Von Innen- und Außenpolitikjournalisten, manchen Lokal-, Chronik- und Gesellschaftsjournalisten. Der Sportjournalist, beispielsweise, mag seine politischen Ansichten haben, aber sie sind so privat wie die des Installateurs, dessen Meinungen für seine Arbeit keinerlei Relevanz haben. Nun habe ich oben schon gesagt, dass dem politischen Journalisten seine politischen Präferenzen oft ähnlich peinlich sind wie dem Alkoholiker sein Laster, und er instinktiv die Auffassung hegt, sie könnten ihn in seiner unparteiischen Berufsausübung behindern. Meine Lebenserfahrung sagt mir freilich, dass die übergroße Mehrzahl der politischen Journalisten relativ starke politische Präferenzen haben, vor allem aber klare Haltungen und Überzeugungen. Mehr noch: es sind in aller Regel die besseren Journalisten, die solche klaren Überzeugungen haben. Und jene, die solche Überzeugungen nicht haben, sind in der Regel die Schlechteren. Das ist ja auch leicht einzusehen. Wer ist denn schon politisch „unparteiisch“? Meisten jene Leute, die die Auffassung hegen, dass das doch „eh egal ist, wer regiert“, weil „die“ doch ohnehin „alle gleich sind“, dass „das“ doch „keinen Unterschied macht“. Jemand, der sich stark für Politik interessiert, wird aber solche Meinungen kaum vertreten, oder umgekehrt, wer solche Meinungen vertritt, interessiert sich normalerweise nicht für Politik. Aber ein Politik-Journalist, der sich nicht für Politik interessiert, wird möglicherweise unparteiisch und in alle Richtungen äquidistant sein – aber er wird eben auch ein schlechter Politikjournalist sein. Simpel gesagt: Wer sich für seinen Beruf nicht interessiert, wird in seinem Beruf schlecht sein. Natürlich ist Interesse an Politik keine hinreichende Bedingung dafür, ein guter Journalist zu sein – man kann sich für Politik interessieren und dennoch grottenschlechte Artikel schreiben; man kann politische Präferenzen hegen, und dennoch faul sein; man kann ein starkes Gerüst an Haltungen haben und dennoch unfähig sein, eine Fernsehgeschichte zu erzählen. Aber das leidenschaftliche Interesse an seinem Gegenstand ist dennoch die Grundvoraussetzung dafür, im politischen Journalismus gut zu sein.
Nun ist natürlich mit politischen Präferenzen nicht gemeint, dass jemand hundertprozentige Loyalitäten zur SPÖ, zu den Grünen, zur ÖVP oder sonst einer politischen Organisation hat. So etwas ist im Journalismus eher selten. Aber der konservative Journalist wählt meist die ÖVP, hatte vielleicht einmal sein Kreuz bei der Heide Schmidt gemacht und eine Stimmabgabe für das BZÖ ist jedenfalls im Bereich des Denkmöglichen – und für eine kleine Untergruppe ist selbst die FPÖ wählbar. Der linksliberale Journalist wählt häufig die SPÖ und gelegentlich die Grünen – oder umgekehrt, das ist eine Frage von Sozialisation und Naturell. Bei Gemeinderatswahlen, etwa in Niederösterreich, kann er auch im Einzelfall für den schwarzen Bürgermeister stimmen. Aber das war’s dann auch. Ausschläge aus diesem Muster sind eher selten. Wer eine größere Bandbreite an politischen Stimmverhalten aufweist, den stellen wir uns besser nicht als originellen Kopf, als Menschen ohne Scheuklappen und weltoffenen pluralistischen Kerl vor – sondern als verwirrten Typen ohne verlässliches Kategoriensystem, der heute dies, morgen jenes behaupten könnte. Ein besonders genialer Reporter oder Kommentator wird aus ihm eher selten werden. Und wer versucht, in alle Richtungen auf gleiche Weise offen zu sein – etwa, um ein gutes Gesprächsklima mit Politikern aller Couleurs zu haben -, der ist oft nicht wirklich eine ich-starke Persönlichkeit, sondern das Gegenteil, im Extremfall sogar ein karrieristischer Schleimer. Manche mögen das anders sehen, aber meine Berufserfahrung lässt mich das mit großer Überzeugung behaupten.
To make long things short: Die meisten politischen Journalisten haben starke politische Meinungen und sie sind ganz oft auch deshalb in den Journalismus gekommen, weil sie ursprünglich die, vielleicht etwas naive, Jugendhoffnung hatten, damit etwas verändern zu können. Diese Hoffnungen mögen sich etwas abgeschliffen haben, womöglich sind sie einem leisen Zynismus gewichen, aber sie sind selten vollends verloren gegangen. Sie sind auch meistens der Meinung, dass die Politiker der von ihnen präferierten Richtung die Dinge eher schlecht machen – oder zumindest besser machen könnten. Jeder kritische Artikel, den sie über sie schreiben, jeder Kommentar, den sie schreiben, kann deshalb auch als „Ratschlag“ gelesen werden. Aber sie haben in aller Regel auch ein spezielles Bild von der Politik. Naturgemäß ist ihnen die mediale Seite der Politik näher als die Details der sachpolitischen Aspekte. Jeder Journalist ist ein Experte für politische Rhetorik, aber nur wenige sind Experten für Steuerrecht oder die Krankenkassenfinanzierung. Nur um ein Beispiel zu nennen: Fast jeder Journalist findet Doris Bures unmöglich. Aber nur die wenigsten Journalisten können beurteilen, ob sie eine gute Verkehrsministerin ist. Ihr Urteil stützt sich in der Regel auf die Tatsache, dass sie bei ZiB-2-Auftritten schwer zu ertragen ist. Über die systemischen Zwänge, in denen ein Politiker steckt, der sich etwa mit dem Koalitionspartner, innerparteilichen Rivalen, der Trägheit des politischen Apparates, der Eigenlogik der Beamtenschaft und auch noch mit seiner Parteibasis herumschlagen muss, wissen sie zwar möglicherweise intellektuell Bescheid, lebenskulturell sind sie ihnen in aller Regel sehr fremd. Jedenfalls im linksliberalen Milieu sind die „Ratschläge“, die den Politikern der präferierten Parteien erteilt werden, oft von harter K
ritik nur selten zu unterscheiden.
ritik nur selten zu unterscheiden.
Am Rande sei hinzugefügt: Ich bin mir nicht vollständig sicher, aber ich habe den Eindruck, dass es hier übrigens einen gewissen Unterschied zwischen konservativen und linksliberalen Milieus gibt. Linksliberale Journalisten stehen „ihren“ politischen Kräften kritischer gegenüber als konservative Journalisten den „ihren“. Jedenfalls ist es in linksliberalen Milieus üblicher, dass Kritik öffentlich geäußert wird, es wird sogar erwartet, dass das so ist, weil man ja dem Berufsbild des „kritischen Journalisten“ folgt. Übertriebene Parteiloyalität ist im linksliberalen Milieu eher ein Karrierenachteil, eine Punzierung, wohingegen sie in konservativen Kreisen belohnt wird – und Illoyalität sofort bestraft. Politiker der Mitte-Links-Parteien müssen zumindest den Eindruck erwecken, dass sie Kritik aus ihrem Milieu aufgeschlossen gegenüber stehen (weil es sich um einen Wert handelt, der seit vierzig Jahren innerhalb der Linken sehr hoch gehalten wird) – tun sie das nicht, werden sie sofort Ziel weiterer Kritik. Für die Mitte-Rechts-Parteien ist das nicht notwendig, da es sich in diesen Milieus nicht um einen ihrer integralen Werte handelt.
Medien haben, sofern nicht die Meinung des Herausgebers automatisch die Meinung aller Kommentatoren zu sein hat – wie das etwa in der „Kronen-Zeitung“ der Fall ist – natürlich keine „Meinung“. Ihre „Meinung“ ist sehr oft von der weltanschaulichen Meinung ihrer Eigentümer beeinflusst, aber nicht bestimmt. Sie wird durch die Summe der „Meinungen“ ihrer Kommentatoren konstituiert, die natürlich vom „Geist“ ihrer Medien eingefärbt sind. Die „meinungsbildenden“ Kommentatoren sind gewiss in einem höheren Grad autonom, als sich das der kritische Normalbürger ausmalt. Aber diese „meinungsbildenden“ Kommentatoren gehören doch allesamt einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht an. Die Mehrheit zählt zum bestverdienenden Zehntel der Gesellschaft, erlebt sich selbst aber nicht als reich (nicht zuletzt, weil sie aus beruflichen Gründen sehr oft mit noch Reicheren zu tun hat), sondern als Mittelstand. Es ist daher beispielsweise sicher nicht falsch, wenn man annimmt, dass die Auffassung, dass „der Mittelstand“ etwa steuerlich entlastet werden muss, für diese Journalisten spontan einsichtiger ist, als, beispielsweise, für einen Geringverdiener in einer unteren Progressionsklasse. Das heißt natürlich nicht, dass meinungsbildende Journalisten nicht auch die Meinung vertreten können, dass, beispielsweise, die Niedriglöhne erhöht werden müssen. Aber mit den Steuersätzen für Bezieher eines 6.000 Euro-Gehaltes haben sie in jedem Fall mehr persönliche Erfahrung als mit der Lebensrealität von 1.200-Euro-Haushalten. Keineswegs soll damit das Vorurteil unterstützt werden, dass Journalisten auch nur in aller Regel Lobbyisten ihrer materiellen Eigeninteressen sind – das sind sie nur in den seltensten Einzelfällen -, aber dass die einflussreichen Journalisten einem ziemlich homogenen sozial-materiellen Milieu angehören, spielt eine Rolle, die weder verschwiegen, noch übertrieben, aber auch nicht unterschätzt werden soll.
Aber natürlich beeinflussen Journalisten Politiker nicht nur durch ihre Artikel und Kommentare, durch die öffentlichen Urteile, die sie abgeben – die oft einfach positive oder negative Zensuren sind -, sondern auch direkt. Persönliche Nähe zwischen politischen Journalisten und Amtsträgern ist oft unvermeidbar. Man kennt sich bisweilen seit Jugendtagen – aus dem Bundesjugendring, aus der SJ, der JVP, man hat vielleicht gemeinsam gegen Zwentendorf demonstriert oder in der Katholischen Hochschulgemeinde Jazzmessen gesungen oder man ist sich einfach schon seit den gemeinsamen beruflichen Anfängen bekannt. Während der eine seinen politischen Aufstieg organisierte, machte der andere seine Berufslaufbahn im Mediengeschäft. Man kennt sich und spricht vertraut bei einem Kaffee oder einem Glas Bier. Und man gibt seine Urteile ab. Man gibt Tipps. Man sagt, was aber wirklich nicht gut kam – und damit implizit, wie es besser ginge. Der Politiker will vielleicht seinem journalistischen Weggefährten auch das Gefühl geben, er höre auf seine Meinung – damit gibt er ihm das Gefühl, wichtig zu sein, nimmt ihn damit aber gleichzeitig für sich ein. Der Journalist erhält auch Einblick in die Mikrophysik der Macht, er „erfährt“ etwas, was sich vielleicht nicht einmal in eine Story packen lässt, aber es schult seinen Instinkt für das, was gerade abläuft, sich anbahnt. Insofern ist eine solche Nähe nicht unbedingt nur negativ zu sehen – gewissermaßen als Korrumpierung des Journalismus -, sie hat auch viele positive Seiten. Als Korrespondent in Deutschland habe ich erlebt, wie viele hervorragende Journalisten einen solchen privilegierten Zugang zur Rot-Grünen-Regierung unter Gerhard Schröder hatten. Deren Artikel waren dann möglicherweise „parteilich“, sie waren aber deswegen nicht schlecht, im Gegenteil. Sie waren so gut, dass man sie lesen musste, weil man auf diese Weise früh erfuhr, was im Hause Schröder so angedacht wurde, und welche Meinung man womöglich im Hause Joschka Fischers dazu hat. Wenn ein solcher Journalist mit privilegiertem Zugang einen eigenständigen Charakter bewahrt, dann sind seine Artikel meist die besten.
Aber es wäre natürlich realitätsfern, anzunehmen, dass sich der Journalist dann auf die bloße Berichterstattung beschränken würde. Es sind ja „seine“ Leute, die da regieren (oder opponieren). Ob sie erfolgreich sind, oder nicht, lässt ihn ja nicht kalt. Machen sie ihre Sache haarsträubend schlecht, dann quält ihn das auch. Er wird ihnen sagen, wie sie es besser machen können. Er will, dass sie auf ihn hören. Er ist vielleicht sogar der Meinung, dass er die Dinge besser könnte – eine Meinung, die ja, da er nie in die Lage kommt, es beweisen zu müssen, durch keine Erfahrung irritiert wird.
Wenn alle Politik Kommunikation ist, dann ist natürlich schon einsichtig, welche Bedeutung auch die Politiker den Journalisten zumessen. Ein Journalist kann gewiss nicht mit einem Kommentar die Politik beeinflussen, aber wenn sich verschiedene Beiträge zu einem veröffentlichten Meinungsklima verdichten, dann können sie so etwas wie einen kommunikativen Konsens über ein bestimmtes Thema bilden, hegemoniale Auffassungen. Politiker umgeben sich mit Spin-Doctoren, die am medialen Konsens mitstricken sollen, aber die Experten dafür sind letztlich doch die Journalisten. Deswegen haben sie Einfluss. Das Kategoriensystem ist in diesem Fall übrigens keineswegs „Wahr/Falsch“ sondern „Populär/Unpopulär“. Anders gesagt: Der Journalist würde möglicherweise gerne vom Politiker gehört werden, weil er seine Aussagen für „wahr“ hält – aber für den Politiker sind sie auf einer anderen Ebene interessant. Publizierte Meinungen haben Macht, wenn sie sich durchsetzen, egal ob sie in irgendeinem Sinne „wahr“ oder aber haarsträubend „falsch“ sind. Und insofern – aber ich fürchte, nur insofern – hören auch die Politiker auf die Journalisten: Ideen, für die kein kommunikativer Konsens organisierbar ist, lassen sie in der Regel fallen. Auf der anderen Seite sind die Journalisten die Spezialisten für mediale Kommunikation und ihre Expertise wird wohl noch mit der Ausdifferenzierung der Medienkultur wichtiger. Früher reichte es, wenn man die Journalisten von TV, Radio und Zeitungen fütterte und ansonsten klassische politische PR- oder Werbekampagnen machte. Mit Internet, Social-Networks wie Facebook und Twitter, Online-Videos, den Möglichkeiten zu wellenförmigen, niedrigschwelligen Kampagnen wächst die politische Relevanz jener, die das „Gewusst-Wie“ der neuen Medien verstehen, während gleichzeitig die Bedeutung klassischer – etwa innerparteilicher – Kommunikation durch die Erosion der Parteimitgliedschaften sinkt. Meinungsführerschaft ohne mediale Raffinesse – das ist heute praktisch unmöglich.
Das Fazit muss also lauten: Natürlich leisten Journalisten auch eine Arbeit, die der der politischen Consulter nicht unähnlich ist – sie werden dafür allerdings von der Politik nicht bezahlt. Journalisten leisten sie oft unbewusst, aber sie leisten sie oft auch bewusst, weil sie selbst politische Meinungen haben, aber die von ihnen präferierten Politiker als unprofessionell oder hilflos erleben. Weil sie unzufrieden sind, und weil sie dem – fälschlichen? – Glauben anhängen, sie könnten etwas zum Besseren verändern. Und manchmal einfach, weil sie sich wichtig machen wollen.