Sollen Sozialdemokraten mit anderen Maßstäben gemessen werden? Fünf Anmerkungen zur Causa Gusenbauer.

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Alfred Gusenbauer ist jetzt wieder in den Schlagzeilen, vordergründig, weil ihm „profil“ an Hand einer offenbar anonymen und durch nichts belegten Anzeige eine Spionage für Kasachstans Potentaten Nursultan Nasarbajew andichten wollte. Und das mag zwar eine dünne Suppe sein, nur: Als „Berater“ für Kasachstan gibt sich Gusenbauer ja unbestritten her. Und für den Glückspielkonzern Novomatic sitzt er im Aufsichtsrat einer Tochterfirma. 
Das sind zwei skandalträchtige Elemente von Gusenbauers Geschäftstätigkeit. Ansonsten ist Gusenbauer als Investor und Aufsichtsrat Hansdampf in vielen Gassen. Das Magazin „Format“ kalkulierte sein Jahreseinkommen einmal auf 600.000 Euro. Ich kann das nicht beurteilen, halte die Schätzung aber für plausibel. 
Gusenbauer ist jetzt wieder einmal Häme und Geschimpfe ausgesetzt. Und gleichzeitig gibt es immer noch ein paar Leute, die wiederum meinen, das sei alles ungerecht – Gusenbauer tue nichts Verbotenes, er ist Privatmann. Es werde mit zweierlei Maß gemessen. Bei einem konservativen Ex-Politiker würde niemand an all dem etwas finden. 
Wie ist das nun also? Wird Gusenbauer ungerecht behandelt, oder tut er tatsächlich etwas, was moralisch bedenklich ist? Und wird hier tatsächlich mit zweierlei Maß gemessen? Ich möchte dazu fünf Anmerkungen machen. 
Erstens: Gusenbauer ist kein Privatmann, dessen Gebaren niemanden etwas angeht. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Kein Bundeskanzler kann jemals wieder so sehr Privatmann sein. Er hat das wichtigste politische Amt einmal ausgefüllt, und als Elder Statesman ist man anderen moralischen Urteilen ausgesetzt. Das ist auch richtig so. Jemand, der ein so hohes demokratisches Amt ausgeübt hat, darf es nicht hinterher beschädigen, wie er will, nur weil er jetzt Privatmann ist. Außerdem ist Gusenbauer auch noch Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, also wahrlich kein „Sozialdemokrat außer Dienst“. 
Zweitens: Gusenbauers Tätigkeit für Kasachstans Regime hat einen fragwürdigen Geruch, ist aber nicht prinzipiell skandalös. Dass demokratische Ex-Politiker gegenüber autoritären Regimes, die ja möglicherweise auch in Richtung Demokratisierung beeinflusst werden können, Konsultativaufgaben übernehmen, ist nicht grundsätzlich schlecht. Wir wissen ja nicht, wie diese Beratungstätigkeit konkret abläuft. Es wäre nur besser und glaubwürdiger, dafür kein Geld zu nehmen. Wenn man von diesen Regimes bezahlt wird, liegt der Eindruck nahe, dass man für sie Image-Einflusskampagnen unterstützt, oder Schlimmeres. Man sollte da zumindest Fingerspitzengefühl zeigen. 
Drittens: Bei Gusenbauers Engagement für Novomatic sind solche Ambivalenzen nicht mehr auszumachen. Novomatic verdient am privatisierten Glücksspiel, und damit am Unglück anderer. Meist sind das ohnehin Schwächere, Ärmere. Nun kann man sagen: Diese Leute sind an ihrem Unglück selbst schuld. Aber Novomatic tut alles dafür, dass sich die Leute unglücklich machen. Logischerweise, weil Novomatic daran gut verdient. Das ist nicht nur das Problem der Betroffenen, sondern auch der ganzen Gesellschaft, denn das wuchernde Glückspiel zerstört Nachbarschaften, Leben und führt zu Kriminalität. Aus diesem Grund gibt es Beschlüsse der Sozialdemokratie, diese fragwürdigen Unternehmungen zurückdrängen zu wollen. Gusenbauer verdient ab jetzt an diesen mit. Förderung von Vereldung ist „unsozialdemokratisch“, das sollte auch Gusenbauer begreifen, hat deshalb Florian Scheuba richtig gesagt.  
Viertens: Nun kann man sagen: Gusenbauer ist seiner Bewegung nichts mehr schuldig. Man hat ihn schlecht behandelt, man hat ihm die Unterstützung versagt, als er EU-Außenminister werden hätte können. Er hat daraufhin beschlossen, in der Privatwirtschaft zu arbeiten. Er ist niemandem eine Erklärung schuldig. Aber das stimmt nicht. Jemand, der – siehe Punkt Erstens – ein so hohes Amt ausgefüllt hat und damit Repräsentant einer Idee bleibt, ist der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig, wenn sein Agieren in Widerspruch zu den moralischen Maßstäben gerät, die er selbst einmal aufgestellt hat. Das gilt ja genauso für Journalisten, die sich für eine bestimmte Ethik stark machen. Überspitzt formuliert: Mir hat auch niemand einen EU-Job besorgt, und dennoch würde ich mit Novomatic nie Geschäfte machen. 
Fünftens: Ist es, und das ist die entscheidende Frage, ungerecht, wenn an Sozialdemokraten andere, höhere Maßstäbe angelegt werden? Aber nein, gar nicht. Das zeigt ja sogar, dass die Leute die hohen ethischen Maßstäbe der Sozialdemokratie immer noch ernst nehmen, trotz allem, was in den vergangenen Jahrzehnten Grund genug gegeben hätte, dies nicht zu tun. Wie lauten diese – oft ungeschriebenen – Grundsätze in etwa? Sozialdemokraten sollen ihre Funktionen nicht zur persönlichen Bereicherung nützen. Sie sollen sich ein Beispiel an Leuten wie Victor Adler nehmen, die ihr privates Vermögen eingesetzt haben, um sich für die Sache der einfachen Leute einzusetzen. Sie sollen auch nicht mittun an dem Spiel aus Eitelkeit und Luxus, oder wenn, dann nur bis zu einem Grad, der eine Gesellschaft nicht zerreißt – sie sollen sich, kurz gesagt, nicht Lichtjahre von den einfachen Leuten entfernen, für die sie die Fürsprecher sind. Ihre Glaubwürdigkeit hängt davon ab – ihre politische, aber auch ihre als moralische Individuen. Es war doch immer so: Werden ÖVPler beim Stehlen erwischt, ist erstens niemand darüber überrascht und zweitens wird das in ihren Kreisen als Kavaliersdelikt angesehen. Werden Sozialdemokraten beim Stehlen erwischt oder bei ungerechtfertigten Griffe in irgendwelche Kassen, dann erleiden sie den sozialen Tod. Ist das ungerecht? Nein, das ist der Unterschied zwischen Sozialdemokraten und anderen. Mit anderen Worten: Werden Sozialdemokraten mit anderen Maßstäben gemessen? Ja! Ist das schlecht? Nein. Es versteht sich vielmehr von selbst. 


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