Ihr sollt Uns nicht scannen!

Mein Kommentar aus der „taz“ über den Antiüberwachungsaufruf von über 500 Schriftstellern
Eine scheinbar nebensächliche Nachricht des Tages: In der Ukraine bombardierte die Polizei die Handys der zehntausenden pro-europäischen Demonstranten im Kiewer Stadtzentrum mit der SMS-Nachricht: „Sie sind umstellt. Sie haben keine Chance.“ Technologisch ist das keine große Schwierigkeit. Wessen Mobiltelefon bei einer der nahegelegenen Sendestationen eingeloggt ist, wird als wahrscheinlicher Demonstrant identifiziert. Danach kann man problemlos ein SMS an den Handynutzer schicken. Die einschüchternde Wirkung ist nicht zu unterschätzen. Nicht nur die SMS-Nachricht als solche wirkt bedrohlich, sondern auch die Botschaft, die mitgeschickt wird: „Wir wissen, wer Du bist. Wir haben Dich am Radar.“ 
Wo flächendeckende Überwachung möglich ist und praktiziert wird, wird die Freiheit hohl. Jeder weiß: Im Extremfall können sie Dich wegfangen. Mehr noch: Man weiß auch im Normalfall, dass das im Extremfall so wäre. 
Gegen diese Freiheitsbedrohung im globalen Maßstab etwa durch NSA und andere Geheimdienste wendet sich der spektakuläre Schriftstelleraufruf von 500 Autoren aus aller Welt: „Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben“, schreiben sie. „Überwachung verletzt die Privatsphäre sowie die Gedanken- und Meinungsfreiheit.“ 
Das Spektakuläre ist nicht der Text und auch nicht, dass ihn Elfriede Jelinek, Ilja Trojanow oder Juli Zeh unterschrieben haben. Sondern dass es ein gemeinsamer Text von Autoren unterschiedlicher Gesellschaften ist; von Autoren, die in jeweiligen nationalen Öffentlichkeiten agieren, die sehr unterschiedlich auf die Überwachungsenthüllungen reagierten. Was in Deutschland Skandal genannt wird, halten Amerikaner und Briten für kaum eine Nachricht wert. Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Deutschland, Frankreich, den USA, Bangladesh, Albanien, Brasilien und vielen anderen Ländern erheben gemeinsam ihre Stimme zu einem Problem globaler Relevanz. 
Symbolpolitik? Ja, natürlich. Ohne praktische Bedeutung? Das wird man sehen. Aber selbst wenn es so wäre – was wäre denn dann besser? Zynisch, depressiv zu schweigen, weil gegen die globalen Überwachungsdienste ohnehin kein Kraut gewachsen ist? Der Aufruf steht gegen den Trott der Nachrichten, die empörend sind, aber niemanden mehr aufregen, gegen das achselzuckende „da kann man doch eh nichts tun“. Allein dafür ist den Initiatoren zu danken.  


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