Mein? Dein? …Unser!

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Commons. Können Kooperationsgeist und „Commonismus“ aus der Krise der Marktwirtschaft führen? 
Die „Commons“ sind gegenwärtig ein beliebtes Schlagwort in der sozialwissenschaftlichen und politischen Diskussion. Sie beschreiben jene Sphären ökonomischen Handelns, in denen kooperativ agiert wird und die weder von privatem Eigentum noch vom Staat bestimmt werden. Also alles, für das gilt: Es ist möglicherweise „irgendwie“ privat, aber geteilt, oder es gehört niemandem und damit allen, es ist nicht Ware, auch wenn Güter produziert werden, Eigennutz steht Allgemeinwohl nicht entgegen. Beispiel unter vielen: Shared Software, Linux etc. Oder die Weide, die nicht Privatland ist, auf die alle ihre Schafe treiben. 
Es ist eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit, dass diejenigen, die sich für die „Commons“ (oder die Commons-Diskussion) begeistern, in drei Gruppen zerfallen. Erstens, die Ökoromantiker, die zurückkehren wollen zu Substistenz. Zweitens, Linksradikale, denen ihr Projekt abhanden gekommen ist, und die jetzt den „Kommunismus“ durch den „Commonismus“ ersetzen. Und drittens, unorthodoxe Liberale und Antietatisten, die nach dem Debakel entfesselter Märkte hoffen, dass nicht der Staat mit seinen Behörden jetzt wieder einspringt (dem sie ja misstrauen), sondern irgendetwas anderes. Das macht diese Diskussion oftmals ein bisschen ermüdend, weil eben nicht immer im Zentrum steht, was ist, und was sein könnte, sondern was sich die Beteiligten wünschen, was sie sehnlich erhoffen. 

Es ist kein Zufall, dass jetzt gerade die Parteiakademie der deutschen Grünen, die Heinrich-Böll-Stiftung, die schon seit längerem Pfade jenseits von Staat und Markt sucht, einen fetten Wälzer mit Studien, Positionen und Fallbeispielen über die „Commons“ herausbrachte. Untertitel: „Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“. 
Nun sind ein paar Dinge ziemlich klar und gehören auch unterstrichen, und die Autoren machen das mit Nachdruck. Hier kurz im Schnelldurchlauf: Commons, im Sinne von Gemeinschaftsgüter, gab es immer schon. Im Zuge der kapitalistischen Entwicklung wurden sie nach und nach zu marktgängigem Privateigentum: die Weide, die von allen benutzt wurde, wurde eingezäunt und „gehörte“ plötzlich jemandem. Aber natürlich gibt es weiter „Commons“ und sie entstehen aufs Neue. Die Dichotomie von „Markt“ und „Staat“ beschreibt nur scheinbar Antipoden, oft eher eine Arbeitsteilung: Am Markt agieren Individuen in Privatkonkurrenz, auf Basis eines Rechtssystems, für das der Staat sorgt (der die Eigentumsrechte dieser Wirtschaftssubjekte absichert). Der Staat wiederum lebt von Steuern, die diese Wirtschaftssubjekte zahlen. Der Staat ist aus Sicht der Commons-Theoretiker eben nicht „das Andere“ des Marktes, die Commons seien vielmehr „das Andere“ zu beiden, zu Staat und Markt. Commons treten natürlich in verschiedenen Betriebsmodi auf. Als knappe Ressourcen, die gemeinschaftlich benützt werden können, aber auch privatwirtschaftlich, wie etwa die Weide aus unserem Beispiel. Begrenzte Ressourcen, die aber schwer als Waren vermarktbar sind (Atemluft etwa, die sich nicht leicht in Tüten verpacken lässt). Oder Ressourcen, die nicht verbraucht werden, wenn sie von vielen benützt werden – „Wissen“ etwa wird ja nicht knapper, wenn es viele haben, im Gegenteil, es wird sogar noch mehr. 
In der Praxis treten „Commons“ in vielen Erscheinungsformen auf: als Gemeinschaftsgüter in Ökonomien in der kapitalistischen Peripherie, als Fischfanggründe bei Indios beispielsweise. Aber neuerdings auch wieder im Zentrum hochentwickelter Ökonomien, wenn etwa in Dörfern und Kleinstädten Bürger Genossenschaften gründen und gemeinsam alternative Energieerzeugung betreiben (Solartechnik, Windenergie) oder ihre Abwasserentsorgung gemeinschaftlich organisieren. Oder in Peer-To-Peer-Netzwerken im Internet, wo freie Software entwickelt wird. 
Die Bedeutung all dessen in der Ökonomie existiert und sie soll auch gestärkt werden, was aber oft etwas ermüdet in dieser Diskussion – und auch in diesem Buch -, ist der romantische Sound mit der ein Paradigmenwechsel besungen wird, der „steinige Weg zu den Commons“ an dessen Ende ein Paradies der Nachhaltigkeit stehen könnte. 
Am Interessantesten sind womöglich ohnehin die Mischformen: Wenn etwa staatliche Behörden die Commons stärken, wie etwa in Linz, jener Stadt, die nicht nur freies Internet an vielen Hotspots realisiert hat, sondern etwa auch die Kunstförderung neu ausrichtet. Wer seine Produktionen mit Creative-Commons-Lizenzen versieht, also auf Teile seines „Eigentumsrechts“ verzichtet und andere Künstler sein „geistiges Eigentum“ zur Verfügung stellt, erhält gleich einen zehnprozentigen Bonus auf jede Förderung. 
Oder: Wer sagt eigentlich, dass Gemeindeboden im Privatbesitz sein muss? Angesichts der Überhitzung von Grundstück- und Immobilienmärkten in den Städten könnte man ja auch Häuser bauen, die auf Grundstücken stehen, die niemanden privat gehören: Die Immobilie ist Privatbesitz, der Boden aber Gemeindeeigentum. Solche Eigentumsformen gibt es jetzt schon, warum sie nicht fördern? Auch manche öffentlichen Dienstleistungen des Staates haben durchaus Charakteristika von Commons: Kindergärten, Schulen, Öffis, die Staat oder Kommunen gratis (oder gegen kleines Entgelt) allen zur Verfügung stellen. Schließlich ist Platz in der U-Bahn zwar begrenzt, aber solange der Waggon nicht überfüllt ist, macht es keinen Unterschied, ob ich ihn alleine („privat“) nutze oder mit zehn oder zwanzig anderen gemeinsam.
So gedreht ist die Commons-Diskussion ganz gewiss produktiv. Allerdings wird sie heute oft noch mit dem Sound des „zurück zu irgendwas“ geführt, zurück zum Gemeinschaftsgeist der Indianer oder sonst jemanden, was ihr ein bisschen den muffigen Geruch von Hippie-Romantik oder Schlimmeren verleiht. 
Silke Helfrich und Heinreicht-Böll-Stiftung (Hg.): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Transcript-Verlag, Bielefeld 2012, 526 Seiten. 25,50.- Euro. 

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