Der rote Faden, meine Kolumne aus der taz vom 7. März 2015
Eine Reihe abgehalfterter westeuropäischer Ex-Regierungsmitglieder hat nun bei einer „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ angeheuert. Die soll die Regierung in Kiew beraten. Wir Österreicher brachen darüber in schallendes Lachen aus, weil den Vorsitz der Schattenregierung ausgerechnet unser ehemaliger Vizekanzler Michael Spindelegger übernehmen soll. Das ist deshalb witzig, weil man sich kaum ein größeres Gegenteil von „Modernisierung“ vorstellen kann als Spindelegger. Er ist fad bis zum abwinken, das Bürokratenhafte ist seit jeher seine zweite Natur und sein Leben hat er in der verstaubten Bünde- und Freunderlwirtschaftswelt des Alpen-Konservativismus verbracht. „Spindelegger Chef von Modernisierungsagentur“, das ist eine Schlagzeile, die ein wenig nach Postillion oder Titanic klingt.
Bezahlt wird die ganze Modernisierungsunternehmung von drei zwielichtigen Oligarchen. Einer davon ist in der Wiener Geld- und Bussi-Bussi-Gesellschaft gut vernetzt, aber nur, weil er sich gegen eine Rekord-Kaution von 125 Millionen Euro auf freiem Fuß befindet.
Auch der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist mit an Bord, und das ist schon weniger zum Lachen. Denn im Unterschied zu den anderen Politikern auf der Oligarchen-Payroll ist er nicht vollends Ex-; Steinbrück hat ja immerhin noch ein Bundestagsmandat. Er bekommt aber zusätzlich zu seinen Bundestagsdiäten demnächst auch noch Zuwendungen von zwielichtigen Milliardären aus Osteuropa. Man weiß eigentlich nicht, was man erschütternder finden soll: Diese Tatsache, oder den Umstand, dass daran kaum jemand etwas findet. Hallo? Ich seh das ja eher so: Als Politrentner kann man so etwas machen, auch wenn man sich die Reputationsrisiken zweimal überlegen sollte. Aber als Parlamentarierer hat man so etwas zu unterlassen. Als Parlamentarier lässt man sich nicht von mächtigen Wirtschaftsbossen bezahlen, und schon gar nicht von ausländischen De-Fakto-Mafiosi. Aber wahrscheinlich bin ich altmodisch und muss mich auch mal von einer Modernisierungsagentur modernisieren lassen.
Der Begriff „Modernisierung“ ist ähnlich wie „Fortschritt“ oder „Reform“ in den letzten Jahrzehnten extrem ausgedünnt und zu einer nichtssagenden Vokabel geworden. Modernisierung, wie sie sich die Steinbrück-Spindelegger-Partie vorstellt, heißt wohl so etwas wie: Effizienz von Verwaltung, Investitionssicherheit, ökonomische Innovation, Rechtsstaatlichkeit und Anschluss an den Weltmarkt. Gegen all das ist per se noch nichts einzuwenden, außer, dass es ein sehr technokratisch verengter Begriff von Modernisierung ist. Modernisierung als Anpassung an Wirtschafts-Sachzwänge und westliches State-of-the-Art-Regieren. Und bei näherer Betrachtung fiele einem wohl auch genug ein, was gegen so einen Modernisierungs-Begriff einzuwenden ist: Nicht selten werden ja bloße wirtschaftsliberale Gesetzesänderungen, die einfach nur die Interessen der Superreichen bedienen, mit dem Begriff „Modernisierung“ geadelt. Man erinnere sich an das „Modernize or die“, das Tony Blair den britischen Gewerkschaften zurief.
Dabei war „modern sein“, war „die Moderne“ einmal ein umfassendes Versprechen. Die Moderne: Das war das brodelnde, urbane Leben, Lichter der Großstadt, aber auch die Befreiung der Subjekte aus den Fesseln des Hergebrachten, die Überzeugung, die jeweilige junge Generation könne eine ganz neue Welt bauen. Revolution der Stile, Boheme, Gegenkultur, Punk. Diese Moderne war immer ein Kampf, „La Querelle des anciens et des modernes“ , ein Kampf gegen den „Antimodernismus“. Auf in neue Zeiten! Eine Zeit lang bedeutete links zu sein, modern zu sein und umgekehrt, modern zu sein bedeutete meist links zu sein. Das schiere Wort modern brachte den pathetischen Wunsch zum Ausdruck, Gegenwart und Zukunft von der Vergangenheit zu separieren. Il fault etre absolument moderne! Man muss absolut modern sein! (Rimbaud) Größere Wahlmöglichkeiten, aber auch um den Preis der Entwurzelung. Revolutionen in der Kunst, neue Wahrnehmungsformen, contemporary sein. Die Moderne war, wie Susan Sontag das nannte, eine „lebenssprühende Idee“, und das bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein. Modernes Bewusstsein war das Gegenteil der Nostalgie. Es war voller Zukunftsgier. Lernen im Vorwärtsgehen.
An dieser Modernitätsidee begann die Postmoderne rumzumäkeln, und später blieb von Modernisierung nur mehr der Dünnpfiff, den sich die Wirtschaftsliberalen krallten: Modernes Banking, moderne Märkte, moderner Konsum. Modernisierung als Catchphrase auf den Lippen grausgesichtiger Männer, die alle gleich aussehen, die gleichen Anzüge tragen und die gleichen Phrasen absondern.
Ein Gedanke zu „Der Jargon der Modernisierung“