Man sollte das Konzept der Cooleness einer Kritik unterziehen

FS Misik Folge 559

Die sozialen Medien produzieren nicht die Pose der coolen Distanziertheit, aber sie verstärken sie noch, diese Sucht nach pubertärem Distinktionsgewinn. Jeder ist bemüht, sich über den Durchschnitt zu erheben und dies ohne Unterlass kundzutun, was am Ende dazu führt, dass man peinlich bemüht ist, sich niemals mit einer Sache oder mit einer größeren Zahl von Menschen zu verbinden – sondern umso bemühter ist, zu zeigen, was einen von anderen trennt. Dieser Tribalismus von politisch-ästhetischen Stilgemeinschaften ist eine eigene Art des neoliberalen Wettbewerbsgeistes, bei dem es primär darauf ankommt, stets zu zeigen: Ich bin super, alle anderen sind deppert. Neben dem großen Wir-gegen-Sie ist unsere Gesellschaft des Gegeneinanders daher durch viele kleine Wir-gegen-Sies zerrissen, dem Narzissmus der kleinen Differenz. Doch dieses Fest der Differenz, das jetzt in Katerstimmung umschlägt, weil alle nur mehr wechselseitig aufeinander einprügeln, ist im Konzept der Coolness schon angelegt. Man giert nach dem Applaus, aber die applaudierende Sub-Gruppe muss möglichst klein sein, damit sie sich noch ausreichend vom verpönten Durchschnitt abheben kann. Man sollte das Konzept der Coolness jedenfalls einer grundlegenden Kritik aussetzen.

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