Freiheit und Egoismus

Wer meint, er habe das Recht, Andere zu gefährden, ist ein ichbezogener Egozentriker – und kein Freund der Freiheit.

Ich mochte das Wort „Querdenker“ ja nie besonders gerne. Es stand früher für „unkonventionell“ und „frisch“, aber auch ein wenig für „originell“ nur der Originalität wegen. Und es wurde auch oft einfach nur für Leute verwendet, die gedacht haben und sich nicht auf das Nachplappern von billigen Vorurteilen beschränkten, weshalb auch so mancher „Denker“ einfach „Querdenker“ genannt wurde. Aber jetzt ist der Begriff „Querdenker“ sowieso für obskurantische Wirrköpfe reserviert, die alles glauben, was ihnen vegane Köche oder Schlagersänger so via Social Media zusenden. Kein Mensch, der seine sieben Sinne beisammen hat, wird sich heute noch gerne als Querdenker bezeichnen lassen.

Kritisches Denken zeichnet sich eben nicht dadurch aus, jeden Unfug zu glauben, nur weil dieser den Erkenntnissen der Wissenschaft entgegensteht oder justament das Gegenteil von dem behauptet, was Regierungspolitiker so von sich geben. Kritisches Denken bedeutet, alle verfügbaren Informationen zu sammeln, diese gegeneinander abzuwägen, sich im Rahmen der eigenen Fähigkeiten (heißt: soweit wir als Laien dazu in der Lage sind) der Erkenntnisse der Wissenschaft zu bedienen und dann ein eigenes Urteil als mündiger Bürger und Bürgerin zu treffen.

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Wissenschaftsfeindlichkeit ist das Gegenteil von kritischem Denken – sie ist einfach dumm.

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, proklamierte die Aufklärung. Das heißt auch: Zu prüfen und sich täglich ein neues Urteil bilden. Wobei zudem oft zu akzeptieren ist, dass verdammt viele Dinge im Ungewissen sind.

Nehmen wir nur die Schockmeldung von der neuen Corona-Mutation, die – wie angenommen wird – um 50 Prozent infektiöser ist als die bisherige Variante und genauso gefährlich. Kommt es ganz schlimm, dann breitet es sich noch rasanter aus als der bisherige Stamm. Die nackte Mathematik stützt die Annahme, dass ein Virus, das um 50 Prozent ansteckender ist sogar gefährlicher ist, als eines, das um 50 Prozent tödlicher wäre. Natürlich können wir beim jetzigen Stand nicht völlig sicher sagen, wie groß diese Gefahr wirklich ist. Sollen wir daher „mit dem Schlimmsten rechnen“? Oder die Gefahr ignorieren, solange wir keine hundertprozentige Gewissheit haben? Ersteres könnte zu Überreaktionen führen, letzteres zu sträflicher Dummheit.

Auch das ist ein Abwägungsfrage und gar nicht so leicht zu beantworten. Als Autofahrer kennt man das: Man brettert nicht mit 120 km/h in eine enge, uneinsichtige Kurve, wenn denkbar ist, dass einem ein Auto entgegenkommt. Aber man fährt auch nicht immer mit 30 km/h.

Manche Leute behaupten auch, unsere „Freiheit“ würde nun durch eine „Corona-Diktatur“ bedroht. Aber es ist natürlich klar, dass primär nicht die Politik, sondern ein Virus das unmöglich macht, was unser normales, freies Leben normalerweise auszeichnet. An sich kann in einer Ordnung der Freiheit jeder und jede selbst entscheiden, welches Risiko er oder sie in Kauf nimmt. Das Problem ist aber: Als Gesellschaft sind wir auch so etwas wie ein Organismus und gerade bei ansteckenden Krankheiten sind wir durch Infektionsketten miteinander verbunden. Wenn Einzelne also im Rahmen ihrer Freiheit Risiken eingehen, dann bedrohen sie die Gesundheit anderer. Da die Freiheit des Einzelnen da endet wo die Freiheit eines Anderen bedroht ist, ist aber klar: Der Begriff „Freiheit“ kann nicht dafür missbraucht werden, Rücksichtslosigkeit und Egozentrik zu rechtfertigen und andere zu gefährden. Rücksichtsloser Egoismus hat mit „Freiheit“ nichts zu tun.

Und dennoch müssen wir wohl auch diese Egozentrik bis zu einem gewissen Grad tolerieren – etwa so wie stinkende Schweißfüße.

2 Gedanken zu „Freiheit und Egoismus“

  1. Puh, wer nach 10 Monaten der Pandemie immer noch den Reflex hat sein Geschwurbel auf einen sehr fundierten Artikel hat abzulassen hat entweder a) nicht genügend Hirnkapazität um komplexe Dinge, wie es eine Pandemie nun einmal ist, zu verstehen oder b) ist schlichtweg an Eskalation und Chaos interessiert, weil er davon profitiert oder c) checkt einfach nicht, dass er für gesellschaftszersetzenden Handlungen instrumentalisieren lässt. Nach „selber nachgedacht und zu dem Entschluss gekommen…“ klingt dieses reflexartige Nachplappern auf jeden Fall nicht!

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