Ein rotes Jahrzehnt?

Sozialdemokraten können jede Wahl gewinnen, wenn sie nur wollen – und die richtigen Lehren aus Erfolgen von Scholz & Co. ziehen.

Bei Wahlen ist es ja oft so: Sie finden statt, haben dann hinterher irgendein Ergebnis und danach fragen sich alle Kommentatoren, Politiker und Interpreten: Was wollten uns die Wähler und Wählerinnen damit sagen?

Nach den jüngsten Wahlgängen in den verschiedensten europäischen Ländern haben die ersten schon ein neues „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ ausgerufen. Olaf Scholz hat mit den Sozialdemokraten die deutschen Bundestagswahlen gewonnen. Verglichen mit den stabil schlechten Umfragen der SPD der letzten Jahre haben Scholz und seine Truppe flotte zehn Prozentpunkte zugelegt. Ein mittelgroßes Wahlwunder.

Auch in Norwegen haben die Sozialdemokraten unlängst gewonnen, sie regieren jetzt in ganz Skandinavien. In Dänemark führen sie die Regierung an, in Spanien auch, und in Portugal sowieso, wo der beeindruckende charismatische Kümmerer Antonio Costas sogar eine große Mehrheit erringen kann und phantastische Politik macht.

Es gibt eine Sehnsucht nach „echten Sozis“, selbst der Erfolg der Grazer Kommunisten ist dafür ein Symptom: Die werben ja nicht mit Lenin und Gulag, sondern damit, dass sie volksnah, bescheiden und immer auf der Seite der Benachteiligten sind.

Ein paar Lehren können wir aus all dem schon ziehen:

Wir leben in extrem verunsichernden Zeiten, eigentlich in einer dauernden Krise. Die Finanzkrise und deren fürchterliche Folgen wie Massenarbeitslosigkeit haben wir erst seit ein paar Jahren überwunden, dann kam jetzt die Corona-Krise, die damit verbundene Wirtschaftskrise. Sehr viele Menschen haben Existenzangst, genügend Menschen hat es schon hart getroffen. Und die Klimakatastrophe, die auf uns zukommt, kann auch keiner mehr leugnen. In solchen Zeiten haben die Bürgerinnen und Bürger ein Bedürfnis nach Sicherheit. Da wünscht man sich keine riskanten Experimente und „Spompanadln“, wie wir Wiener sagen, sondern Leute, die solide regieren und auf der Seite der ganz normalen Leute stehen, die es sowieso nicht leicht im Leben haben.

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In das Leben vieler Menschen hat sich aber schon länger mehr Druck, mehr Stress eingeschlichen, selbst die Menschen in der Mittelschicht wissen oft nicht mehr, wie sie die nächste Rechnung zahlen sollen. Viele Menschen arbeiten hart, sind aber in Prekarität gefangen, von chronischer Unsicherheit befallen, werden schlecht bezahlt für wichtige Arbeit und dazu auch noch wie Nummern behandelt, werden herumkommandiert. Es ist mies, Leute schlecht zu bezahlen, es ist aber genauso mies, sie dauernd mies zu behandeln. Wenn Sozialdemokraten nur einigermaßen glaubwürdig als Verteidiger dieser Menschen dastehen, dann gewinnen sie auch. Olaf Scholz hat über den ganzen Wahlkampf „Respekt“ getrommelt und sich für einen höheren Mindestlohn eingesetzt, der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil hat gegen üble Arbeitsbedingungen gekämpft, etwa in der Fleischindustrie.

Olaf Scholz ist zwar ein Mann der Mitte, aber er ist in den vergangenen Jahren markant „nach links“ gewandert. Ohne dem wäre sein Wahlsieg gar nicht möglich gewesen. Dabei erinnert er an US-Präsident Joe Biden: auch der ist ein Mann des „rechten Flügels“ seiner Partei, die aber kämpferischer und sozialistischer geworden ist – und auch Biden ist als Präsident linker als er als Senator jemals war.

Und noch etwas sieht man: Leute, die gegeneinander arbeiten, wird niemand vertrauen. Aber wenn die roten Spitzenleute an einem Strang ziehen, geht plötzlich viel mehr, als man gedacht hätte.

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