Krank in die Firma

„Quarantäne-Ende“. Arbeitsschutzregeln werden aufgeweicht – und das wird uns auch noch als Erleichterung angedreht.

Seit 1. August dürfen sie also, wenn sie Covid-Positiv sind, ihre Wohnung verlassen, spazieren gehen, und zu den frei zugänglichen Stränden auf Donauinsel, Donau oder sonstwo dürfen sie sowieso. Das ist eine Erleichterung für viele, die nach einer Infektion vielleicht drei Tage Beschwerden hatten, und für die die weiteren Tage des Hausarrestes eine ziemliche Belastung waren. Die Regierung hat also die verpflichtende Quarantäne abgeschafft und es wäre nichts dagegen einzuwenden, ginge es nur um die Abschaffung unnützer Unbequemlichkeiten.

Aber sehen wir uns alle diese Dinge mit etwas Realitätssinn an. Erstens: Dass symptomlose Infizierte in Quarantäne sind, das ist doch sowieso seit Monaten schon nicht mehr der Fall. Wer lässt sich denn noch testen, ohne dass er oder sie Symptome hat? Das betraf vielleicht noch Menschen in einigen wenigen Branchen und Unternehmen. Wer in Quarantäne war, war praktisch immer krank. Die können jetzt raus, sobald sie sich besser fühlen.

Viele Menschen, die sich auch ziemlich angeschlagen fühlten, gingen gar nicht mehr testen – um sich die Quarantäne zu ersparen. Wenn sie sich im Alltag so verhalten, dass sie andere nicht anstecken können, ist dagegen auch gar nichts zu sagen.

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Leider besteht das Leben nicht nur aus Freizeit: Wer sich krank fühlt und im Bett bleiben muss, braucht eine Krankschreibung. Oder er holt sich keine Krankschreibung und schleppt sich in die Firma. Und da wird es dann verantwortungslos, auch durch die Firma, wenn sie so ein Verhalten ermutigt oder sogar fördert.

Das ist das große Problem: Wer Realitätssinn hat, der weiß, dass Menschen jetzt gedrängt werden, infiziert zur Arbeit zu erscheinen. Wegen dem bisschen Rotz, Halsweh, Fieber und Zerschlagenheit wirst doch nicht daheim bleiben? Wennst nicht kommst, dann kannst gleich daheim bleiben – das werden Arbeitnehmer zu hören bekommen. Die Unternehmer haben sich eher nicht für die Aufhebung der Quarantäne stark gemacht, damit sich ihre rekonvaleszenten Mitarbeiter zur Erholung ins Bad legen können.

Natürlich gibt es Gründe, die Quarantäneregel zu beenden. Es gibt Impfungen, es gibt eine Grundimmunisierung in der Bevölkerung durch Infektion, und wenn viele geimpft sind und eine Infektion hinter sich haben ist die Seuche irgendwann nicht mehr erheblich gefährlicher als Influenza.

Was mich fuchsig macht: Es wird fast schon routinemäßig der Eindruck erweckt, dass es wünschenswert ist, wenn Menschen krank in die Arbeit kommen. Fehlt ja sowieso überall an Personal, da sollen sich die Leute in den Job schleppen.

Aber hallo! Sind wir gerade dabei, alle Arbeitsschutzregeln zu diskreditieren und ins späte 19. Jahrhundert zurückzufallen? Wer krank ist, soll im Bett bleiben und sich erholen, bis er wieder am Damm ist.

Hinzu kommt: Wer infiziert in die Arbeit geht, kann dort andere anstecken. Manche davon werden keinen milden Verlauf haben. Letztendlich ist das Körperverletzung. Wie kommt man dazu, im Büro einer solchen Gefahr mutwillig ausgesetzt zu werden? Infektionen können immer passieren. Aber wenn Menschen in die Firma kommen, die nachweislich infektiös sind, ist das schon etwas anderes. Das Arbeitsinspektorat schreibt vor, wieviel Tageslicht einem zustehen, dass wir ein Anrecht auf ergonomische Sitze haben, was getan werden muss, damit Fensterputzer nicht runter fallen. Aber plötzlich muss man damit klarkommen, mit einer gefährlichen Krankheit angesandelt zu werden? Das ist schon ziemlich absurd.

2 Gedanken zu „Krank in die Firma“

  1. Leider ist es üblich mit Grippesymptomen arbeiten zu gehen und allen einen Schnupfen anzuhängen, ich kannte die winterlichen Erkältungskrankheiten nur in der Rundumweitergabe. Oder vom Kindergarten oder von der Schule heimgebracht und ins Büro getragen. Bis Corona kam, dann war damit Schluss. Maske, Abstand und Händewaschen und eine Vorsicht bei Erkältungszeichen haben es ermöglicht. Nun, das ist wieder vorbei.
    Long covid wird bleiben.
    Und vulnerable Personen sind immer mit Risiko unterwegs.

  2. Leider wird seit 2 Jahren dieses Thema wie eine heisse Kartoffel zwischen Sozialministerium und Arbeitsministerium herumgereicht – Ausrede „in die AUVA Selbstverwaltung“ einzugreifen ist schwierig. Dieses destruktive Verhalten der Politiker verhindert leider einen Veränderungsprozess der nicht nur real 1 Milliarde Kostenreduktion sondern auch die Performance von Firmen und die Motivation der Mitarbeiter voll unterstützt – it’s all about Leadership.

    Health und Safety – was muss man verbessern, um Effizienz zu steigern

    1. Fokus auf TRI / LTA zeigt ein klares Bild von Leadership Performance und den Ursachen von Gesamtkosten im System
    Die Grafik (Beilage) zeigt Beispiele von Firmen mit Staats-oder Länderbeteiligung:
    Der Unterschied zwischen LTA-Frequenz (Lost Time Accident per 1 Million Arbeitsstunden) zu TRI- Frequenz (Total Recorded Incidents pro 1 Million Arbeitsstunden) – bei Top Firmen ist die Ratio LTA: TRI 1:5 – 1:10.
    Beispiel Linz / OÖ – Oberösterreich/Linz Firmen zeige klar das Gap zu Top Performer auf (OMV/ Borealis):
    Man sieht hier einen klaren Unterschied zwischen Linz AG, Energie AG OÖ, VÖST (LTA-F=9) und Borealis Standort Linz (Frequenz 1,2 – 2019). Als wir als Borealis den Fertiliser / Melaminbereich übernahmen waren die Unfallzahlen ähnlich hoch wie bei den Umgebungsfirmen. Innerhalb von 2 Jahren war es möglich die Unfälle auf ein Borealis Niveau zu senken (von LTA 6 mit Toten und schwer Verletzten sowie Anlagenbränden auf 2,1 ohne schwere Unfälle).
    Dieses Beispiel zeigt klar auf, dass bei hohen Unfallraten, die Defizite des Managements / Leadership in der Performance zu schlecht geführten Unternehmen führt und zwangsläufig zu hohen Gesamtkosten im System.

    2. Die Gesamtkosten:
    Diese berufsbedingten Verletzungen, Erkrankungen und Todesfälle verursachen für Einzelpersonen, deren Familien, Arbeitgebern, Regierungen und der Gesellschaft hohe wirtschaftliche Kosten. Zu den negativen Auswirkungen zählen kostspieliger Vorruhestand, Wegfall qualifizierter Mitarbeiter, Fehlzeiten und Präsentismus (wenn Mitarbeiter trotz Krankheit zur Arbeit gehen und dann eher Fehler machen) sowie hohe Behandlungskosten und Versicherungsbeiträge.
    Die Werte, basierend auf AUVA Unfallzahlen, geben eine Gesamtbelastung von etwa 7-9 Milliarden € pro Jahr (1,8-2,3% – des BIP, eher auf der niederen Seite, da hauptsächlich lange Krankheitsverläufen nicht inkludiert sind).

    Eine aus meiner Sicht durchführbare Verbesserung von 10-15% der Unfallfrequenz ergeben eine Reduktion der Gesamtbelastung von 1 Milliarde € pro Jahr.

    Eine solche Reduktion von Unfällen, würde durch die dafür notwendigen Maßnahmen in den Unternehmen, auch ein großes Produktivitätspotential freisetzen.

    3. Was ist dazu notwendig:
    Maßnahmen sollten durch einen entsprechendes Bonus / Malus System, ähnlich wie bei Autoversicherungen üblich, unterstützt durch Incentive Modelle, umgesetzt werden. Um dieses Potential auszuschöpfen und nachhaltig weiter zu verbessern, ist eine Diskussion und Entscheidung bezüglich einer Änderung des derzeitigen reinen AUVA Prämiensystems 1,2% der Lohnsummensteuer, hinzu einem System mit ökonomischen Incentives für die Reduktion von Unfällen am Arbeitsplatz, notwendig.
    Um dieses große Potential in Österreich auszuschöpfen, scheint leider die
    Bürokratie zu passiv und die Politiker zu wenig Erfahrungen in solchen Prozessen zu haben

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