Bauen wir das moderne Österreich

Der Negativismus in der Politik verhindert Aufbruchsgeist und Zukunftsideen.

Manchmal kann es ja ganz nützlich sein, einen Schritt zurück zu treten und die Geschehnisse in der österreichischen Innenpolitik aus etwas Abstand zu beobachten, oder sich in einen Art von Vogelperspektive zu begeben und von da aus draufzusehen. Aus der Nähe sehen wir nur Gerangel, Politiker und Politikerinnen, die aufeinander einschlagen, da die Regierung, dort die Opposition, alle auf der Jagd nach der nächsten Schlagzeile, stolpernde Nichtskönner, versessen darauf, irgendeinen populistischen Punkt zu landen, den Gegner schlecht zu machen. Und irgendwelche Ideen, die einen packen können, nimmt man beim besten Willen nicht wahr.

So macht sich Verdruss breit, und eine ganze Gesellschaft versinkt in schlechter Laune. Eine Art depressiver Stockung nimmt vom Land Besitz. Das ist bei uns so, das ist auch anderswo so, was dann auch wieder zurückstrahlt, denn politische Stimmungen wirken längst über Landes-, ja sogar kontinentale Grenzen. Das war schon vor sechzig Jahren so, als die jungenhaften Kennedys in den USA antraten, was dazu beitrug, die Idee von Modernisierung und Reform auch in anderen Ländern zu unterstützen. Heute ist diese Internationalisierung natürlich noch viel eklatanter.

Ist Ihnen freie Publizistik etwas wert? Ist Ihnen dieser Text etwas wert? Robert Misik, IBAN    AT 301200050386142129 / BIC= BKAUATWW

Bei der Politik geht es um extrem viele Details, Maßnahmen da, Gesetze dort, Subventionen hier, um die Tragfähigkeit des Sozialsystems, ein gutes Bildungssystem, die bestmögliche Praxis in der Integrationspolitik, und so weiter. Die meisten von uns steigen beim Konkreten und bei den Details aber auch schnell aus, wenn es uns nicht direkt betrifft, sind Steuersystem und Industrieansiedelung eher etwas für Fachleute oder Nerds. Was bei den Wählerinnen und Wählern bleibt, ist der Eindruck: Hat jemand Schwung und repräsentiert jemand eine Idee von einem künftigen besseren Leben? Oder eben nicht? So eben wie bei den schon erwähnten Kennedys: Die verkörperten einfach Aufbruch, dass der Mief wegkommt. Das ermöglichte den Kreiskys und Brandts ihre Reformpolitik.

Wir könnten einen vergleichbaren Geist im Sinne von – „Wir bauen das moderne Österreich“ – ganz gut gebrauchen. Daran fehlt es heute, weil sich die Parteien dauernd in Nebensachen verkeilen. Dabei wäre es doch gar nicht so schwer. Vieles geschieht längst: Der Umbau unseres Energiesystems, der Kampf gegen den Klimakollaps, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, eine zukunftsfitte ÖBB, gut gemachte Neubauten mit niedrigen Energieverbrauch, daran wird sowieso mit viel Elan gearbeitet. Vieles sollte schneller gehen, klar, aber es geschieht. Als Gesellschaft sind wir heute viel offener, was unterschiedliche Lebensweisen betrifft. Auch Einwanderer sind im großen und ganzen akzeptiert, und obwohl es Diskriminierung und Startnachteile gibt, schaffen viel mehr Einwandererkinder den Bildungsaufstieg als noch vor dreißig Jahren. Auch der Sozialstaat ist unbestritten, die meisten Menschen sind sogar stolz darauf, dass es ein Netz gibt, das im Notfall auffängt. Wie man eine Wirtschaft in Notsituationen und Krisen stabilisiert, das haben wir in den letzten Jahren gesehen, und heute gibt es auch darüber weitgehend Konsens, und eigentlich keine großen Differenzen zwischen links und rechts etwa. Klar, an ein paar Rädern werden wir drehen müssen, der Arbeitskräftemangel wird wegen der Demografie noch ärger werden, Einwanderung, mehr Anreize, den Pensionsantritt zu verschieben und die Befreiung von Frauen aus der Teilzeit-Falle wären Maßnahmen, um dagegenzuwirken.

Im Grunde sind wir ja eine Gesellschaft, in der sehr viel verdammt gut funktioniert, sodass wir einen politischen Wettbewerb darüber haben könnten, wie man einige Dinge noch besser macht. Der Hang zum Negativismus verstellt dafür aber den Blick.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.