Eine sehr gutgemeinte Warnung an die SPÖ

Warum die Sozialdemokratie gut beraten ist, auch eine Stichwahl durch die Mitglieder durchzuführen.

Die SPÖ hat jetzt eine Mitgliederbefragung beschlossen und ein paar Nebel haben sich gelichtet – etwa, wer die aussichtsreichen Kandidaten sind, wie in etwa das Verfahren ablaufen soll. Aber nach einer Reihe an Hoppalas droht die SPÖ in die nächste Falle zu torkeln. Die sollte unbedingt vermieden werden, deshalb diese sehr freundliche Warnung: Wenn es keine Stichwahl durch die Mitglieder gibt, kann die Sache äußerst böse ausgehen. Ich will kurz schildern, warum.

Bei der Mitgliederbefragung werden einige Mitglieder antreten – wieviele, ist noch unklar, denn Kandidaten müssen bis Freitag 30 Unterstützungsunterschriften beibringen –, aber es werden mindestens drei sein: Pamela Rendi-Wagner, Hans-Peter Doskozil und Andreas Babler. Möglich, dass bei der Befragung eine der antretenden Personen eine absolute Mehrheit bekommt, dann wäre ja alles gut. Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht. Die formal endgültige Entscheidung muss ein Parteitag treffen. Wie aber kann die Entscheidung der Mitglieder respektiert und als einigermaßen verbindlich behandelt werden?

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Nehmen wir einmal an, bei der Mitgliederbefragung hat eine Person 35 Prozent, eine Person 34 und eine Person 27 Prozent. Dann ist ja gut möglich, dass bei einer Stichwahl die Person, die „nur“ 34 Prozent erhalten hat, die absolute Mehrheit erlangen würde. Beispielsweise, weil die Person, die 35 Prozent erlangt, zwar eine Minderheit an entschlossenen Anhängern hat, aber von einer Mehrheit leidenschaftlich abgelehnt wird, während die Person, die 34 Prozent im ersten Durchgang hat, nicht so stark oder sogar überhaupt nicht abgelehnt wird. Dann würden in einer Entscheidungswahl ein Großteil der Wähler jener Person, die 27 Prozent erlangte, die Person wählen, die 34 Prozent erlangte. Das ist überhaupt keine Trivialität oder Zahlenscholastik. So stellt man sicher, dass der oder die Gewinnerin am Ende die Legitimität einer Mehrheit der Mitglieder hat.

Nähme man den ersten Durchgang als verbindlich, dann könnte man in die absurde Situation kommen, dass eine Person Parteivorsitzende/r wird, der oder die von einer Mehrheit der Mitglieder entschlossen abgelehnt wird. Das wäre absurd und auch fatal.

Nun gibt es noch eine andere Möglichkeit, nämlich die, dass dann tatsächlich eine Stichwahl beim Parteitag stattfindet. Das kann natürlich vermieden werden, wenn die Zweit- und Drittplatzierten aus dem ersten Durchgang freiwillig ausscheiden, wie das Hans-Peter Doskozil und auch Pamela Rendi-Wagner angekündigt oder zumindest in den Raum gestellt haben. Aber wäre das gut? Eigentlich nicht, denn das Problem, das ich oben geschildert habe, bleibt ja bestehen, ganz egal wie nobel sich die Kandidaten verhalten.

Nehmen wir aber wiederum an, es würden beim Parteitag dann nicht nur der eine/die eine Kandidatin zur Wahl stehen, die im Mitgliederdurchgang die relative Mehrheit hatten, sondern die ersten zwei – und der Parteitag würde dann eine Stichwahl durchführen. Das ist natürlich an sich okay und üblich bei Parteitagsverfahren. Aber es wäre ein riesiges Problem durch die Kombination von Mitgliederbefragung und Parteitagsentscheid. Die Kombination wäre dann das Problem. Denn Verfahren müssen nicht nur nach den Regeln korrekt ablaufen (also „legal“ sein), sondern sie brauchen auch allgemeine Akzeptanz („Legitimität“). Aber wie soll die denn hergestellt werden? Man befragt erst die Mitglieder in einer Abstimmung – ein Verfahren mit höchster Legitimität –, unterlässt es dann aber, diese Mitglieder zu einer klaren, eindeutigen Meinungsbildung über die Parteiführung zu befragen. Und dann sollen es die Parteitagsdelegierten richten? Das werden sie nicht schaffen, selbst wenn alle tausend Leute im Raum die hehrsten Absichten verfolgen. Das hat auch gar nichts mit den Kandidaten und Kandidatinnen zu tun. Es ist ja in allen denkbaren Varianten schwierig, so ein legitimes Ergebnis zu erzielen. Nur als Beispiel: Stellen wir uns vor, Doskozil hat 36 Prozent, und Babler hat 35. Oder umgekehrt. Dann darf weder ein Automatismus einsetzen, dass der Erstplatzierte gewählt wird, noch darf ein Parteitag eine kontroverse Letztentscheidung übertragen bekommen. Es geht hier einfach um das Verfahren: Man kann keine Vorauswahl mit hoher Legitimität treffen, um eine Letztentscheidung mit niedrigerer Legitimität vorzunehmen. Das würde nur zu weiterem Chaos führen.

Noch viel fataler wäre die Chose, wenn es auch nur das verbreitete Gefühl gäbe, jemand wäre mit unlauteren Mitteln zum Sieg getrickst worden. Dann kann man den Laden sowieso zusperren.

Aber man male sich eine weniger fatale Variante aus, nämlich dass eine Letztentscheidung getroffen würde, bei der eine Mehrheit der Parteimitglieder auch nur das Gefühl hat, es wäre höchstwahrscheinlich anders ausgegangen, wenn es eine Stichwahl gegeben hätte. Wie soll eine auf diese Weise gewählte Person Legitimität und damit auch Autorität erlangen? Wie soll eine solche Gewinner-Person das tun, was dann notwendig wäre, nämlich auf die andere Seite zuzugehen, die Zerwürfnisse zu heilen, mit dem nötigen Rückenwind in die Zukunft zu gehen? Das Ergebnis würde von vielen – nicht nur von der unterlegenen Seite – als Unfall angesehen. Der Gewinner würde als halber Verlierer vom Platz gehen, nämlich als Lame Duck vom ersten Tage an. Ein Parteichef braucht nicht nur eine relative Mehrheit. Er braucht auch die Gewissheit, von der absoluten Mehrheit wenigstens nicht abgelehnt zu werden. Und die ist auf die geplante Weise einfach nicht einmal mehr fiktional herstellbar, wenn man einmal die Tür zur Mitgliederdemokratie aufgestoßen hat.

3 Gedanken zu „Eine sehr gutgemeinte Warnung an die SPÖ“

  1. Besser kann man es kaum formulieren. Ich hoffe im Sinne der Sozialdemokratie auf eine entsprechend „legitime“ Entscheidungsfindung = Wahl!

  2. Es ist doch so klar: werden Parteien gewählt, bekommt jede ihre Mandate – es kann keine Stichwahl geben. Bei einer Personenwahl bleibt nur eine Person übrig – es muss eine Stichwahl geben!! Bestes Beispiel: sonst wäre Norbert Hofer gegen den Willen der Mehrheit BP geworden.
    Die SPÖ wird hoffentlich nicht die Demokratie neu erfinden wollen?
    Allerdings glaube ich ohnehin an absolute Mehrheit für AB auf Anhieb….

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