Wird unser Wirtschaftssystem am Ende untergehen?

Foto Krise.jpg

Drei Fragen stellte der aktuelle „Falter“ an mich, und zwar: Ist das schon eine neue oder noch die alte Krise? Gibt es einen Kapitalismus ohne Krise? Wie lange dauert die Krise noch und wird unser Wirtschaftssystem am Ende untergehen? Die Antworten finden Sie hier. 

Ist das schon eine neue oder noch die alte Krise? 
Es ist die nächste Etappe der „alten“ Finanzkrise. Der Absturz in die Finanzkrise zeigte zunächst einmal, auf welch tönernem Fundament viele Banken und Finanzinstitutionen stehen. Mit massiven Hilfspaketen mussten die Banken gerettet werden. Weil die Banken nicht mehr funktionierten und viel Verbraucher überschuldet waren, stürzte auch die Konjunktur ab. Deshalb mussten die Regierungen Konjunkturpakete auflegen, zudem brach das Steuereinkommen ein. Alles zusammen – Bankenrettungprogramme, Konjunkturprogramme und Steuerausfälle – führten zur Staatsschuldenkrise. Weil in vielen Staaten die Konjunktur nicht wieder in Schwung geriet, haben die privaten Verbraucher weniger Geld in der Tasche, sie können weniger einkaufen, weshalb erst Recht keine wirtschaftliche Belebung einsetzt. Hohe Schuldenstände – von Privaten, von Unternehmen und von Staaten – bei schwacher Konjunktur sind aber tödlich. Deshalb kommen wir nicht aus der Krise heraus. 
Gibt es einen Kapitalismus ohne Krise? 
Krise ist nicht gleich Krise. Es gibt sicher immer konjunkturelle Auf- und Abschwünge, und sektorale Krisen, die mit Modernisierungsprozessen zusammenhängen. Diese Krisen sind aber nicht identisch mit den katastrophalen Krisen im Finanzsektor, die das ganze System an den Rand des Kollaps bringen können. Das Finanzsystem tendiert zu solchen systemischen Krisen, wenn man es unzureichend reguliert. Strenge Regeln für das Finanzwesen können aber solche Krisen verhindern. In Folge der „Großen Depression“ der Dreißiger Jahre hat man in den USA und Europa das Finanzsystem einer Menge von rigiden Regeln unterworfen, mit dem Ergebnis, dass es zwischen den vierziger und den achtziger Jahren keine Finanzkrisen gab. Hinzu kam, dass die Einkommen der normalen Bürger entsprechend des Wirtschafts- und des Produktivitätswachstums stiegen, was die Konjunktur stabilisierte. Kurzum: Ja, ein Kapitalismus, der auf Gerechtigkeit achtet und die systemischen Risiken begrenzt, die vom Finanzsektor ausgehen, kann stabil prosperieren, ohne katastrophale Einbrüche. Ein Hochrisiko-Kapitalismus, der schnelle Gewinne hochhält, der mit Phantasierenditen winkt und Regeln für die Finanzmärkte schleift, ist dagegen nicht nur aus Gerechtigkeitsaspekten fragwürdig, er ist vor allem ökonomisch weniger funktionstüchtig. 
Wie lange dauert die Krise noch und wird unser Wirtschaftssystem am Ende untergehen? 
Das Problem ist, dass verschiedene Dinge getan werden müssen, die sich aber wechselseitig erschweren. Die Banken müssen ihre Schulden reduzieren. Die Regierungen müssen die Staatsschulden reduzieren. Und die Verbraucher vieler Länder – nicht zuletzt der USA, aber auch Spaniens, Griechenlands, Irlands – können nicht mehr so viel konsumieren wie zuletzt. Andererseits müssen diese Konsolidierungen so hingekriegt werden, dass die Konjunktur nicht noch mehr einbricht. Denn es ist keine sehr erfolgversprechende Strategie, die Schulden eines Landes zu reduzieren, indem man das Nationaleinkommen verringert. Exakt: Es ist eine saudumme Strategie. Bessere Möglichkeiten gibt es – Stichwort Vermögenssteuern -, aber es fehlt politische Handlungsfähigkeit. So oder so wird diese Phase der Instabilität wohl zehn Jahre mindestens andauern. Unser Wirtschaftssystem kann jeden Moment zusammenbrechen. Ein fataler Fehler reicht. Kommt ein Dominoeffekt mit Staatspleiten und Bankenzusammenbrüchen in Gang, kann die gesamte globale Ökonomie verwüstet werden. Wird solch ein „Fatal Error“ vermieden, bricht es nicht zusammen. Also: Untergang? Kann sein. Muss nicht sein. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.