We are Pope!

Der Papst liebt Amerika, aber er hasst die Amerikanisierung. Jetzt besucht das Oberhaupt der Katholiken die Führungsmacht der christlichen Welt. Welcome to God’s own Country! taz, 16. April, und Standard, 17. April 2008
 

Der Papst besucht Amerika – was für eine Begegnung! Amerika, das ist für den Papst einerseits die Führungsmacht der christlichen Welt, das Land, dem seine Gründerväter strikte Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat in die Verfassung geschrieben haben, das aber von Gläubigkeit und Spiritualität geprägt wird. Fast jeder zweite glaubt dort an die buchstäbliche Wahrheit der Bibel, kaum jemand wäre bereit, jemanden zum Präsidenten zu wählen, der nicht an Gott glaubt und „God bless you“ gehört zum Standardrepertoire jeder Politikerrede. Aber Amerika ist auch das Land, aus dem alles Schreckliche kommt, der Relativismus der Massenkultur, der Nihilismus, Kommerz und Konsumismus. Benedikt XVI. liebt Amerika. Benedikt XVI. hasst Amerika.
 
Er wird vor der UNO in New York sprechen und der Welt ins Gewissen reden, als Höhepunkt der Pontifex-Visite gilt aber jetzt schon das Gebet, das der Papst auf Ground Zero halten wird. Danach wird er die Todeszone des 11. September segnen. Natürlich wird er auch Präsident George W. Bush treffen.
 
„Der amerikanische Papst“, titelt das Nachrichtenmagazin „Time“ zur Begrüßung des Pontifex – klingt fast wie „We are Pope!“ Erstaunlich ist das zunächst deshalb, weil die amerikanischen Katholiken nicht nur von Skandalen und Krisen gebeutelt, sondern auch, weil sie seit jeher eine Minorität im Land sind. Nicht einmal 25 Prozent der Amerikaner sind Katholiken. 51 Prozent Protestanten. Und aufgrund der wachsenden Politisierung der Evangelikalen gerieten die Katholiken in der öffentlichen Wahrnehmung noch mehr ins Hintertreffen. Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte: Mit dem Bedeutungsverlust der „Traditionsreligiösität“ sind die Grenzen der Konfessionen nicht mehr gar so trennscharf. Man hat gemeinsame Gegner: den Werterelativismus, die Homo-Ehe, die liberale Abtreibungsregelung, die linken Ungläubigen in New York und den anderen Metropolen. George W. Bush, eigentlich ein Protestant, hat sich immer wieder auf Reden von Johannes Paul II. bezogen und sich mit signifikant vielen frommen katholischen Redenschreibern umgeben. „Man kann George W. Bush den ersten katholischen Präsidenten der USA nennen“, schrieb die „Washington Post“ am Wochenende mit leiser Ironie. 
 
Benedikt XVI. wiederum hat eine Idee, ein Idealbild von Amerika im Kopf: das Bild von einer optimistischen, vitalen und vor allem frommen Gesellschaft, in der „der Glaube und glaubensbasierte Konversation“ auch in politischen Fragen lebendig geblieben ist, urteilt „Time“. Und weiter: Amerika ist für den Papst ein „Modell und eine Inspiration für seine europäische Heimat, er betrachtet uns als das beste Modell der Welt, wie die Dinge laufen sollten“. In Amerika, so Ratzinger selbst, habe man die „offenkundigen spirituellen Fundierungen“ nie aus den Augen verloren – die christlichen Wurzeln der Nation. Schlußendlich sieht der Papst Amerika auch in der Konkurrenz der Weltreligionen als die christliche Supermacht – nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit dem Islam. Der Papst glaubt an den „Kampf der Kulturen“, da soll man sich nichts vormachen – er ist bloß nicht dafür, ihn mit Marschflugkörpern und Sprengstoffgürteln auszutragen.
 
Dumm nur, dass der „amerikanische Geist“, der Individualismus und der unternehmerische Optimismus, mögen sie ursprünglich auch von der Frömmigkeit gläubiger Siedler inspiriert worden sein, längst nicht bloß mit christlichen Tugenden verbündet sind, sondern eher mit Lastern. Die Spar- und Investitionsgesinnung der „protestantischen Ethik“, für Max Weber noch Triebfeder des Kapitalismus, ist in der Konsumgesellschaft passé. „In God we trust“, die Botschaft auf den Dollarscheinen, ist nur mehr nostalgische Reminiszenz. Heute lebt der Kapitalismus vom ungezügelten Konsum, verdient macht sich um diese Wirtschaftsweise nicht der Asket, sondern wer Tonnen von Fast-Food in sich hineinstopft, sich ein Privatflugzeug zulegt oder Hard-Core-Pornos guckt. Der „Geist“ des Konsumkapitalismus, somit das, was man heute so salopp „Amerikanismus“ nennt, ist von der Gewissheit beseelt, dass jedes Begehren berechtigt ist und dass der Markt die Güter bereitstellt, um es zu stillen. Wer, wie Benedikt XVI., den „Werterelativismus“ zur schlimmsten Todsünde unserer Zeit erklärt, kann darüber nicht hinwegsehen.
 
Oder vielleicht doch? Schon blüht das Geschäft mit dem Papstbesuch. So kann man auf www.papalvisit2008.com einen süßen weißen Plüschbären kaufen, der einen kleinen Sweater trägt mit der Aufschrift: „Christ Is Our Hope“. Amerikanismus und Christentum, oder einfacher formuliert: Pray and Pay.  

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