Der Künstler, einst das Antimodell zum Wirtschaftsbürger, ist heute Leitfigur für Unternehmer, Angestellte und Neue Selbstständige: als Kreativer, der auf eigene Rechnung arbeitet. Zwei neue Bücher analysieren das Phänomen aus unterschiedlicher Blickrichtung
Kategorie: Texte aus dem Standard (Wien)
Der Weg ins Freie
Warum die Geschichte der Natascha Kampusch jetzt schon zum kulturellen Fundus der großen Menschheitsgeschichten zählt.
Als der weltberühmte marxistische Philosoph Louis Althusser 1980 seine Frau Hélène erwürgte, löste das bei einem Großteil der theoretisch interessierten Community eine Abwehrreaktion aus. Der Mord wurde gewissermaßen als banale, uninteressante menschliche Fehlleistung gewertet, welche nicht den Blick auf den welthistorischen Rang des Denkers verstellen solle. Der Dichter Heiner Müller lieferte damals einen bemerkenswerten Kontrapunkt. Der Staatstheoretiker Althusser habe ihm eigentlich nicht viel zu sagen, murmelte der Dramatiker, aber, so fügte er hinzu: „Der Fall Althusser interessiert mich“ – als Material, als „dramatischer Stoff“. Müller, dem es die menschlichen Ausnahmesituationen und Extremmomente immer angetan haben, war nicht vom Intellektuellen Althusser fasziniert, sondern vom Kriminalfall Althusser – beziehungsweise, um exakt zu sein, von der Tatsache, dass ein intellektuelles Scheitern in einem Mord münden kann.
Bei allen Differenzen im je Konkreten, ist das natürlich das, was das Publikum immer an Kriminalfällen interessiert: dieser Blick, den sie frei geben auf das, was die Alten die „conditio humana“ genannt hätten.
Alles Kultur!
Politik wird zum "Kampf der Zivilisationen" oder als Entertainment zur Kulturware, die Ökonomie verkauft Lebensstile, Identitäten prallen aufeinander und Selbstmordattentäter drehen Homevideos – warum sich heute alles in Kultur auflöst. Standard & Falter, Februar 2005
Ziemlich amtswegig
Vor vier Jahren wurde der Entschädigungsfonds für Nazi-Opfer eingerichtet. Geld werden die Überlebenden aber nicht so bald sehen. Innenansichten eines Skandals, an dem niemand schuld ist. Standard, Februar 2005
Wenn die FPÖ aus der FPÖ austritt
Die Befreiung von den Freiheitlichen kann nur das Werk der Freiheitlichen selbst sein, oder: Warum findet niemand etwas dabei, dass wir von Clowns regiert werden? Standard, April 2005
Marke Hitler
Ein Standard-Album zum Hype um den "Untergang". Standard, April 2005
Du sollst ein Held sein!
Im "postheroischen Zeitalter" ist die Sehnsucht nach dem Heldischen nicht verschwunden. Im Gegenteil: Es wurde verallgemeinert – und demokratisiert. Niemand will Mainstream sein. Jeder muss ein außergewöhnliches Individuum sein. Standard Album Juni 2005
Wählen ohne Wahlmöglichkeit
Der große Konsens und seine Folgen: Was passiert, wenn man zwischen politischen Programmatiken wählen darf, die etwa so stark divergieren wie Coke und Pepsi. Standard-Album, Juni 2005
Verrat, Flexibilität, Befreiungsschlag
Wie kommt Bewegung ins Koalitionsspiel? Die politische Kunst besteht darin, mit den richtigen Begriffen zur richtigen Zeit überkommene Positionen zu räumen. Standard, September 2005
Ich leb‘ prekär
Sind in zerfasernden Gesellschaften Solidarität und Rebellion überhaupt noch möglich? Über Sinn und Nebensinn der aufstrebenden Vokabel Prekarisierung / Standard Oktober 2005
Realitätsverlust und Entrückung
Die Kärntner Koalition ist schlimm. Noch schlimmer ist aber das politische Missmanagement der sozialdemokratischen Führungsriege. Eine Antwort auf die SPÖ-"Kommunikations"(!)-Chefin Katharina Krawagna-Pfeifer. Standard April 04
Lob der Ungerechtigkeit
Ein Nachtrag zur Bush-Wiederwahl. Standard, November 2004