Im Zweifel für die Liberalität

Das Hakenkreuz wird doch nicht europaweit verboten.

Und das ist ganz gut so. taz, 31. Jänner 2007

 

 

Die Bundesregierung hat ihren Versuch, das Tragen von Hakenkreuzen europaweit unter Strafe zu stellen, wieder still zurückgezogen. Offenbar haben die Zuständigen realisiert, dass eine derartige Regelung vor allem mit der anglobritischen Rechtskultur völlig unvereinbar ist. Hätte ihnen das nicht vorher jemand sagen können? Es gibt die ehrenwerte Rechtstradition, dass Meinungen gesagt und politische Symbole gezeigt werden dürfen – auch wenn sie noch so unappetitlich sind. Gegen Radikale geht man dort nicht mit Meinungsparagraphen vor, sondern politisch – sowie mit dem normalen Strafrecht, wenn sie handgreiflich oder terroristisch agieren. Die Vorstellung, wie Timothy Garton Ash vergangene Woche im „Guardian“ schrieb, dass Prinz Harry vor Gericht gestellt werden müsste, weil er – wie geschehen – als Nazi verkleidet zu einer Party kam, hat die deutsche Initiative vollends absurd erscheinen lassen.

 

 

Die Haltung dahinter: Die Meinungsfreiheit ist ein hohes demokratisches Gut, das sich auch angesichts der Feinde der Freiheit als unteilbar erweisen müsse. Das bedeutet freilich, dass „Hate-Speech“ jeder Art in letzter Konsequenz nicht geahndet wird, auch wenn sich die Betroffenen, gegen die gehetzt wird, dadurch mit Recht bedroht fühlen.

 

Es gibt keinen vollends zufrieden stellenden Umgang von Demokratien mit Meinungsdelikten von Holocaustleugnung bis Nazi-Symbole-Schwenken. Lässt man alles zu, toleriert man, dass aus Bedrohungsrhetorik womöglich reale Bedrohung wird. Verbietet man es, versündigt man sich am Prinzip „Free Speech“ und kommt in die Lage, auch irgendwelche Spinner in den Knast stecken zu müssen, deren Verbrechen darin besteht, dass sie obsessiv historische Unwahrheiten vertreten, wie unlängst in Österreich mit dem rechtsradikalen „Historiker“ David Irving geschehen; und dass die Dynamik besteht, alles mögliche zu verbieten.

 

Jede Variante hat ihre – historische – Berechtigung, die nach Ort und Epoche wechseln kann. Es ist gut, dass die Verbotslogik nicht zur „europäischen Linie“ generalisiert wird. Wenn schon eine Generallinie, dann muss die heißen: Im Zweifel für die Liberalität.

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