„Total desorientiert“

Frankreich. Turbulenzen im Präsidentschaftwahlkampf: Linkskandidatin Ségolène Royal lässt kaum ein Fettnäpfchen aus, Rivale Nicolas Sarkozy macht ein Spitzelskandal zu schaffen. profil, 5. Februar 2007

 

 

 

Sie hat es ihren engsten Vertrauten vorhergesagt: „Wir werden uns fest anhalten müssen“, prophezeite Ségolène Royal spätabends an ihrem Geburtstag im September. „Und es wird auch Luftlöcher geben“. Keine vier Monate später ist die Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialisten (PS) in einem solchen Moment, in der der Auftrieb wegfällt und durch einen Sog nach Unten ersetzt wird.

 

Mit einem Mal läuft alles unrund für die 53jährige, die mit einer Mischung aus Mädchenhaftigkeit, entschiedener Härte gegenüber den eigenen Parteirivalen und einer Prise Populismus bisher so gut gefahren war. Ein paar peinliche Fehler hat sie gemacht, und schon fragen sich die Franzosen, ob das, was ihnen an Ségolène  so gut gefallen hat, nicht auch ihr großes Manko ist: Ihre Frische, ihre Unerfahrenheit.

 

Es begann mit einer kleinen Unstimmigkeit in der Steuerpolitik. Eine sozialistische Regierung werde die Steuererleichterungen für die Vermögenden abschaffen, die die Konservativen eingeführt haben, erklärten die Granden ihrer Partei – an deren Spitze Royals Lebensgefährte, Francois Hollande, steht. „Das ist nicht meine Sicht der Dinge“, relativierte Royal, die sich als Frau der Mitte positionieren möchte. Der Hohn war programmiert: „Können sie sich nicht am Frühstückstisch absprechen?“ fragten höhnische Kommentatoren. Dass Royals Sprecher in einer hitzigen TV-Debatte auf die Frage nach Ségolènes Fehler ironisch erwiderte, „ihr einziger Fehler ist ihr Lebensgefährte“, machte die Sache nicht wirklich besser.

 

Vollends nach hinten losgegangen ist der Versuch Royals, die bisher nur als Umwelt-, Familien- und Regionalpolitikerin Erfahrung gesammelt hat, sich als Außenpolitikerin zu beweisen. Zu diesem Zweck reiste sie in den Libanon und nach China. In beiden Fällen passierte ihr ein Fauxpass. Im Libanon verglich ein Hizbollah-Führer in einen Gespräch den israelischen Einmarsch vom vergangenen Sommer mit der Nazi-Besatzung Frankreichs, ohne dass Royal widersprach – was ihr offenbar auch nicht möglich war, weil die Passage nicht übersetzt worden war. In China lobte sie die Effizienz des Rechtssystems der Volksrepublik – die ja dafür bekannt ist, dass sie mit Delinquenten jeder Art kurzen Prozess macht.

 

Dass Royal bei ihrer China-Tour auch Menschenrechtsaktivisten und Frauengruppen traf, die sich für die Wanderarbeiterinnen stark machen, half da auch nichts mehr.

 

Hinzu kam noch, dass im Internet enthüllt wurde, das Sozialistenehepaar Royal-Hollande habe eine Immobiliengesellschaft gegründet, um keine Vermögenssteuer für ihren Hausbesitz – eine Villa am Rande von Paris und ein Landhaus – bezahlen zu müssen. Das stellte sich allerdings als falsch heraus: Die beiden zahlen „Reichensteuer“, was den Imageverlust der Kandidatin auch nicht wettmachte – schließlich wollen die klassenkämpferischen Sozialisten nicht gern von zwei Reichen angeführt werden.

 

Zu allem Überdruss ging Ségolène  Royal noch einem Stimmenimitator auf den Leim, der sich als Ministerpräsident der frankophonen kanadischen Provinz Quebec ausgab, und merkte scherzhaft an, die Franzosen hätten gar nichts dagegen, wenn sich die Korsen abspalten würden – die Kanadier sollten ähnlich gelassen sein. Kanada protestierte, Frankreichs Konservative tobten.

 

Nach zwei Horrorwochen fiel „Ségo la gaffe“ – die „Patzer-Ségo“ – in den Umfragen gegen ihren Rivalen Nicolas Sarkozy zurück, ihre Truppe ist, so das Magazin „Nouvelle Observateur“ „total desorientiert“. Verloren ist zwar noch nichts, aber Ségolène  Royal, reagiert nur mehr, statt zu agieren.

 

Für die Rettung in der Not könnte da allerdings ihr aussichtsreichster Gegenkandidat Nicolas Sarkozy sorgen. Der Innenminister, als harter Knochen bekannt, droht in den Strudel eines Spitzelskandals gezogen zu werden. Der Polizei-Geheimdienst RG, der seinem Ministerium untersteht, hat offenbar das Ségolène-Team gezielt ausgespäht. Die Geheimdienstler sammelten nicht nur ein dickes Dossier über Ségolènes Umweltberater, den einstigen Greenpeace-Chef Bruno Rebelle, sondern haben offenbar auch die Informationen über die Vermögensverhältnisse des Sozialistenpaares Royal-Hollande zusammengetragen, die nun prompt im Wahlkampf benutzt wurden.

 

„Infam“ sei das, Sarkozy müsse „sofort als Innenminister zurücktreten“, empören sich nun die PS-Spitzen – und können doch ihre Freude über das Glück kaum verbergen, dass die Tour ihrer Kandidatin durch die Fettnäpfchen von einem echten Skandal aus den Schlagzeilen verdrängt wird.

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