José Bové – Präsidentschaftskandidat der Linken?

José BovéJosé Bové, der französische Bauernführer und Altermondialist, hat heute seine Kandidatur zur Präsidentschaft erklärt. Ein recht eigenwilliger Typ – um das mal nobel auszudrücken. Vor zwei Jahren habe ich ein Interview mit ihm geführt, in dem es eine, naja, sprechende Passage gibt:

Sie haben gesagt, der Mossad führt antisemitische Anschläge in Frankreich vielleicht selbst aus. Seither haben Sie die zweifelhafte Ehre, als linker Antisemit zu gelten. 

Ich habe das nicht so gesagt. Ich habe gesagt, dass so etwas in den fünfziger Jahre vorgekommen ist. Darum sollen wir sehr vorsichtig sein, vorschnell irgend jemanden die Verantwortung für antisemitische Akte zuzuschieben. Es war ein Fehler, das in einem Moment zu sagen, in dem sich jüdische Menschen wirklich gefürchtet haben. (Fortsetzung unten)


Jüdische Franzosen hatten Angst auf die Straße zu gehen, Angst um ihre Familie. Ich hätte das in diesem Moment nicht sagen sollen. 

Ich kann mir eigentlich keinen Moment vorstellen, in dem es besser passen würde, zu sagen, die Juden führen antisemitische Anschläge in Wirklichkeit selbst aus. 

Habe ich doch nicht gesagt! Ich habe gemeint: Es gibt das jüdische Volk, das Ziel antisemitischer Ressentiments, sogar von Übergriffen ist. Und es gibt einen Staat mit einer Regierung, die in bestimmten Phasen ihrer Existenz ein Interesse daran haben, den Antisemitismus zu dramatisieren. Das habe ich gesagt, aber es ist offenbar nicht möglich, dass das sachlich aufgenommen wird. Wenn das nicht möglich ist, soll man so etwas besser nicht sagen. Darum tut es mir leid, dass ich das gesagt habe.

Das ganze Interview gibt es hier.

3 Gedanken zu „José Bové – Präsidentschaftskandidat der Linken?“

  1. „Ein recht eigenwilliger Typ – um das mal nobel auszudrücken.“ – und sonst? Ist Bové Antisemit oder nicht? Ich meine, ganz entschieden JA. Sie wollen sich – was wunder – dazu nicht näher äußern. Meine Diagnose „Standpunktlosigkeit“ trifft tatsächlich auf Sie zu, Herr Misik. Hauptsache links. Mal hier, mal da, und nirgendwo so wirklich. Ist ja nur Pop. Nichts gegen Pop, aber Gesellschaftstheorie/ -kritik muss kompromisslos sein. Oder sie ist harmlos bzw. arbeitet denen in die Hände, von denen man sich abgrenzen will. Allerdings: Kommt drauf an, ob man sich abgrenzen will…

  2. Aha, und woher wissen Sie, dass er ein Antisemit ist? Weil so „standpunktlose“ Leute wie ich ihn in standpunktlosen Interviews dazu bringen, sich als solcher zu erweisen. Meine: Da braucht man nicht mehr viel Worte zu machen. Das überlasse ich gerne Ihnen. 😉

  3. Zu Gentle Avalanche:
    Das Gesellschaftstheorie/ -kritik kompromisslos sein muss und der Abgrenzung dient, halte ich für eine interessante Aussage.
    Bedeutet das nicht, dass der, der Kritik übt, selbst kritikunfähig ist, nimmt er doch für sich durch seine Haltung in Anspruch, Inhaber der einzigen Wahrheit zu sein? Da wo es nur eine Wahrheit gibt und deswegen Ziel einer Kritik nur andere sein können, sind Kompromisse ja auch völlig fehl am Platz.
    Da diese Kritik dann auch noch im wesentlichen der Abgrenzung dient, wird das ganze dann auch noch ziemlich totalitär. „Entweder, Du denkst genau so wie ich, oder Du gehörst nicht dazu!“.
    Glauben Sie wirklich, dass eine Demokratie gut funktioniert, wenn das Ziel von Kritik Abgrenzung bedeutet und man selbst in seinen Ansichten kompromisslos ist. Oder stehen sie ihr eher feindlich gegenüber und sehen Sie sie wie z.B. Marx bestenfalls als eine Übergangsform an? Das wäre eine klassisch linke Position. Allerdings auch eine klassisch rechte.
    Dann kann ich die Leichtigkeit, mit der Sie anderen vorwerfen, Antisemit zu sein, gut verstehen.
    Wenn man aber so manchen gesellschaftspolitischen Studien vertraut, sind rechtsradikale Positionen in unserer Gesellschaft weit verbreitet, ohne dass man die Betreffenden selbst als Rechtsradikale bezeichnen kann, und dass sie mit diesen Positionen oft etwas ganz anderes ausdrücken wollen. Wenn wir aber jetzt jeden, der solche Ansichten äussert, pauschal zum Rechtsradikalen machen, dann spielen wir Parteien wie der NPD direkt in die Arme. Das ist dann aber keine Kritik sondern Ignoranz.

    Zu Robert Misik:
    Sie können ja ganz schön fies fragen 😉
    Ich habe zu Ihrem Interview eine Frage:
    Sehen Sie nationalstaatliche Lösungen wirklich als Rückfall? Da Demokratie nahezu ausschliesslich auf nationalstaatlicher Ebene stattfindet, sehe ich die Tendenz, weitreichende politische Entscheidungen immer häufiger auf die zwischenstaatliche Ebene zu verlagern, eher als Rückschritt bzw. als Flucht vor demokratischen Entscheidungsprozessen an. Das gilt besonders, wenn es um Ökonomie geht. Die Wirtschaft, so wie sie aktuell existiert, ist ein totalitäres System mit einem enormen Einfluss auf meinen Alltag. Die überstaatliche WTO ist demokratisch faktisch nicht beeinflussbar. Für mich als Bürger ist es deswegen naheliegend, Entscheidungen auf den Ebenen zu suchen, auf die ich einen demokratischen Einfluss habe und Machtansprüche, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, möglichst zu unterbinden.
    Lieber Thomas Worm
    Meine Antwort dazu:
    Ich sehe das gar nicht so sehr anders als Sie. Habe Probleme damit, wenn man „reflexhaft“ nationalstaatlich-protektionistische Antworten favorisiert, aber natürlich nicht grundsätzlich etwas gegen nationalstaatliche Lösungen, wo sie funktionieren. Wo sie immer schlechter funktionieren, sollte man eher über mehr globale Regulierung nachdenken als über weniger. Ich finde auch, dass Herr Bové seinen Standpunkt im ersten Teil des Interviews ganz überzeugend vertritt. Dass ich auch in diesen Passagen hart frage, heißt ja nicht, dass ich grundsätzlich anderer Meinung bin. Weil: Ein Interview, in dem der Interviewer die gleiche Meinung vertritt wie der Interviewte, ist ein schelchtes Interview…
    Robert Misik

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