Die Bush-Ära, brutalstmöglich abgewählt

Die Amerikaner machen die Präsidentschaftswahl zu einer Demokratieparty. Egal ob Clinton, Obama oder McCain: Die düsteren Jahre sind vorbei. Falter, 13. Februar

 
Es ist eine veritable Demokratie-Party, und das schöne ist: Sie wird so bald nicht zu Ende gehen. 14.000 Anhänger hat Barack Obama erst kürzlich in North Dakota zu einer Wahlveranstaltung mobilisieren können – bei minus 28 Grad. In Nebraska kam es am Highway 370 vergangenes Wochenende zu endlosen Staus, weil Tausende sich an den Vorwahlen beteiligen wollten. Es ist ein elektrisierender Krimi, der da gegenwärtig bei den Demokraten abläuft. Gerade hat Barack Obama in Louisiana, Washington, Nebraska und Maine mit bemerkenswertem Abstand gewonnen und seinen Rückstand auf Hillary Clinton verkürzt – auf 1148 zu 1121 Delegierte für den Nominierungsparteitag. Bei Redaktionsschluss machte sich Obama daran, seine Rivalin zu überholen. Die wird möglicherweise erst in März wieder zurückschlagen können, wenn große Staaten wie Texas am Vorwahlplan stehen. Es ist, neben allem anderen, auch eine große Show. Man könnte ewig zusehen.
 
Möglich, dass erst die „Superdelegierten“ – jene 700 Stimmberechtigten aus dem Parteiestablishment, die frei votieren können – am Nominierungsparteitag im Sommer die Entscheidung bringen. Schon reservieren sich Clinton und Obama mehrere Stunden am Tag, um diese Delegierten zu umgarnen. Hillary Clintons Vorteil: Sie hat Gatten Bill, der in den Hörer flöten kann. Aber auch Tochter Chelsea wird zum Telefondienst vergattert.
 
Die Amerikaner sind offenbar entschieden, ein neues Kapitel ihrer Geschichte aufzuschlagen, auch wenn hiesige Bush-Treue Kommentatoren sich damit zu trösten versuchen, da sei viel europäisches Wunschdenken im Spiel. Eher zeigt sich, dass die Amerikaner nicht gar so anders ticken als die Europäer. Kaum einer lässt sich finden, der die Bush-Ära nicht gründlich satt hätte. Die Ultrarechten, die die US-Politik in den vergangenen acht Jahren gekapert haben, sie sind jetzt schon geschlagen.
 
John McCain wird die Nominierung als Kandidat der Republikaner kaum mehr zu nehmen sein. Und er ist der maximale Kontrast zu den Ideologen, die die Partei seit der „Revolution“ Newt Gingrichs ihrer Alleinherrschaft unterworfen haben. McCain war in den vergangenen Jahren so sehr ein Einzelgänger, dass er politisch praktisch tot war. Sein Triumphzug der letzten Wochen war auch eine Art Auferstehung. Und man soll da nicht herumdeuteln: Er wurde gerade für dieses Einzelgängertum gewählt, und nicht für diese oder jene inhaltliche Position, die er vertritt.
 
Umso verstörter ist die rechte Basis. Scharfmacher verkünden schon schrill, sie würden eher noch Hillary wählen als McCain. Erst vergangene Woche machte McCain der Conservative Political Action Conference seine Aufwartung und das Gemurre unter den harten Rechten war deutlich vernehmbar. Ein „Rino“ sei der Kerl, war allenthalben zu hören – ein „Republican in Name Only“.
 
Der 71jährige Senator aus Arizona ist bei den Republikanern das, was Obama auf der anderen Seite ist – jener Kandidat, der die schroffe Lagerspaltung und die Polarisierung zu überwinden verspricht. Als Kriegsheld ist er eine Legende – jahrelang saß er im Foltergefängnis des Vietcong in Saigon. Mit dieser Autorität hat er sich gegen die „aggressiven“ Verhörtechniken im „Krieg gegen den Terror“ und gegen die Missachtung des internationalen Rechts ausgesprochen. Ostentativ hat er lange sein Desinteresse an den Themen ausgestellt, die für die fundamentalistische Basis so wichtig sind – Homoehe, Abtreibungsverbot, Immigration. Er ist, aus der Perspektive von Clinton und Obama gesprochen, der gefährlichste Kandidat – weil er ein Mann der Mitte ist.
 
Aber man soll McCains Aussichten auch nicht übertrieben rosig darstellen. McCains radikale Eigenständigkeit ist auch sein größtes Problem: Er ist ein Eigenbrötler bis zur Engstirnigkeit, ein sympathischer Rappelkopf, der den Weg geht, den er für richtig hält, ohne alle Pragmatik. Nachdem er die Kriegspolitik von George W. Bush jahrelang kritisiert hat, sagt er jetzt, die USA könnten noch „100 Jahre im Irak“ stehen. Arbeitslose Automobilwerker tröstete er unlängst mit dem Hinweis, „Eure Jobs werden nicht zurück kommen“ – das ist zwar die harte Wahrheit, aber nicht gerade das, was man sagt, wenn man jede Stimme haben will. McCain ist immer dafür gut, sich aus Ehrlichkeit selbst ein Bein zu stellen. In der Vergangenheit gestand er mehrmals salopp, dass er von Wirtschaft nichts verstehe. In Zeiten der Rezessionsangst, in einem Wahlkampf, in dem die Wirtschaft zum zentralen Thema wird, ist das nicht gerade ein Vorteil.
 
Wenn es sich im Herbst auf die zwei Kandidaten zuspitzt – entweder Obama vs. McCain oder Clinton vs. McCain – ist alles offen. In einem solchen Rennen hat niemand den Sieg automatisch in der Tasche. Freilich: McCain konnte sich in seiner Partei auch nur deshalb durchsetzen, weil er der einzige in der „Grand Old Party“ ist, der noch den Funken einer Chance hat. Und die Flügel der Partei sind in heller Aufregung. Diese Lager hatten sich in den vergangenen Jahren zu regelrechten Sekten entwickelt – die Neocon-Sekte, die religiöse Theokon-Sekte und die radikale Steuer-Runter-Sekte. Allenfalls die Neocons kann McCain auf seine Seite ziehen. Die anderen werden höchstens murrend für ihn stimmen – begeistert ins Zeug werden sie sich für den Charakterkopf nicht legen.
 
Barack Obama könnte mit seinem „Messias-Faktor“ („Der Spiegel“) Amerika wieder zum Leuchtturm machen. Hillary Clinton ist weniger kultig, aber auf ihre Art grandios. Und auch John McCain ist ein Politiker, der einen Respekt abnötigt. Freilich, würde er gewinnen, würde die Republikanische Partei mit allen Mitteln versuchen, entschiedene Kurswechsel zu verhindern. Auch ein Querkopf kann nicht auf Dauer gegen seine Partei regieren.
 
Nach zwei Primaries-Monaten stellt sich das Bild so dar: Barack Obama ist, nach seinem Siegeszug der letzten Woche, plötzlich in der Favoritenrolle. Und: Wer immer es wird, die düsteren Jahre sind vorbei.

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