Haider und die Männer

Sein Nachfolger stilisiert sich zur
Nebenwitwe, vor seiner Todesfahrt betrank er sich im Schwulen-Treff.
War Populistenführer Jörg Haider schwul, bi oder sonst was? Geht uns
das überhaupt etwas an? taz, 21. Oktober 2008

„Haider schwul? Wen interessiert das?“ titelte die Wiener „Presse“ im vergangenen Dezember. Um dann anzuheben: „Es
ist schon fast eine der klassischen Stadt-Legenden. Der Freund eines
guten Bekannten eines Cousins soll mit Jörg Haider Sex oder zumindest
einen Kontakt gehabt haben, der dorthin hätte führen sollen.“ Botschaft
des voyeuristischen Stücks, das sich über den Voyeurismus der anderen
mokierte: Man weiß das nicht genau und braucht es auch nicht zu wissen.
 
Österreichs
Medien, auch die sensationsheischenden Blätter, hielten sich immer an
den Grundsatz, man werde Haiders sexuelle Vorlieben nicht zum Thema
machen. Schließlich, so wurde das Prinzip formuliert, habe der
Populistenführer noch nie gegen Homosexuelle gehetzt. Würde er das tun,
wäre das etwas anderes – dann ginge es schließlich um Doppelmoral und
politische Unglaubwürdigkeit. Da das nicht der Fall ist, liege die
Sache anders: Haider hat eine Frau und zwei Töchter. Sollte er – auch?
– Männer lieben, ginge das nur ihn und seine Nächsten etwas an.
Freilich, ganz so moralisch hochstehend wird die Zurückhaltung der
Rechercheure schon nicht gewesen sein: Letztendlich hatte wohl nie
jemand genug belastbare Beweise auf dem Tisch, die für ein Outing
ausgereicht hätten.
 
Nach
Haiders spektakulärer Todesfahrt im Vollrausch – der Kärntner
Landeshauptmann hat sich mit 142 km/h und 1,8 Promille Blutalkohol
„derschlagen“, wie man hierzulande sagt – kocht das Thema wieder hoch.
Aus zwei Gründen: Erstens stilisiert sich Stefan Petzner, sein Sprecher
und Nachfolger als Chef des „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ), auf
bizarre Weise als Nebenwitwe. Zweitens steht die Frage im Raum, was
genau in den eineinhalb letzten Lebensstunden Haiders geschehen ist.
 
Stefan
Petzner, 27, Haiders engster Getreuer der letzten Jahre, heult seit
einer Woche in jede Kamera, die er finden kann. Er spricht, wenn er
nicht gerade die Fassung verliert, von einer Beziehung, die weit über
ein freundschaftliches Maß hinausgegangen wäre. „Immer Sorgen gemacht“
habe sich der Jörg, erzählt er, „wegen dem Altersunterschied“ – Haider
war 31 Jahre älter als Petzner. „Wie weit“ die Beziehung über
Freundschaft hinaus gegangen wäre, ließ Petzner offen, fügte aber
hinzu, dass Haiders Witwe Claudia daran keinen Anstoß genommen hätte.
Und ob er Haiders Liebhaber gewesen ist, wagt kein Interviewer aus
Pietätsgründen direkt zu fragen, was den erschütternd zweideutigen
Gesprächen erst recht den Charakter schmierigen Herumgedruckses
verleiht. Spekulationen wurden auch genährt durch irreführende Angaben,
die Petzner zunächst über den letzten Abend Haiders gemacht hatte –
ursprünglich sagte er, er habe sich von Haider unmittelbar vor dessen
Todesfahrt getrennt. Später wurde klar, dass Petzner und Haider am
Abend eine Party in Velden besucht hatten, diese aber – offenkundig
streitend – zwischen 22 und 23 Uhr verlassen hatten. Haider war da noch
nüchtern. Der Landeshauptmann fuhr dann in das Lokal „Zum Stadtkrämer“,
Klagenfurts bekannteste Schwulenkneipe. Dort wurde er zufällig
fotografiert, als er mit einem bisher unbekannten jungen Mann an der
Bar saß und sich ausgiebig betrank.
 
Ist
all das politisch relevant? Jetzt natürlich nicht mehr, denn Haider ist
tot. Aber natürlich hat es Bedeutung für die öffentliche Person, die
Haider bis vorvergangenen Samstag war. Haiders Magnetismus schuldete
sich ja nicht im Geringsten seiner schillernden, widersprüchlichen
Persönlichkeit, die immer auch mit Gesten des Erotischen spielte, aber
auch mit der Uneindeutigkeit. Er hatte einen persönlichen Zauber, der
offenkundig besonders auf Männer in ihren frühen Zwanzigern wirkte, die
er um sich scharte und blutjung in höchste Ämter hievte –
„Buberlpartie“ nannte man diese Prätorianergarde. Haider war, wie immer
man politisch zu ihm stehen mag, eine interessante Figur, und diese
lässt sich einfach nicht charakterisieren und porträtieren ohne diese
homoerotische Dimension – und möglicherweise auch nicht ohne den
inneren Leidensdruck einer nie offen ausgelebten Sexualität. Seine
Führerschaft stützte sich auf junge, schick gekleidete Männer, die
emotional stark von ihm abhängig waren, die er fest an sich band, immer
wieder aber auch in dramatischen Gesten verstieß. Ob all das nur eine
erotische Note hatte oder eine explizit sexuelle Dimension – man weiß
es nicht. Abseits des Umstandes, dass Haider sich nie als schwul
outete, haben er und sein Kreis aber auch nie versucht, das besonders
zu verbergen. Man feierte, auch in Wien, in den bekannten In-Treffs der
Schwulenszene, und das nie sonderlich versteckt.
 
Privatsache?
Klar. Aber lässt sich Haider, immerhin eine prägende Figur der
österreichischen Nachkriegsgeschichte, ohne diese Privatsache
verstehen? Ganz gewiss nicht.

7 Gedanken zu „Haider und die Männer“

  1. ich bin seit März 1993 (richtig! seit der Gründung des LIF) politisch aktiv.
    Seit diesem Zeitpunkt ist mir die sexuelle Ausrichtung Jörg Haiders bekannt aber auch immer schon sehr egal…..
    Beweise dazu lagen nicht auf meinem Tisch, saßen äusserst lebendig an selbigem….
    sondern
    Wobei ich mich schon seit vielen Jahren Frage, warum Alfons Haider so viel mehr Erfolg bei den Frauen hat, als es „unser“ Jörgi je hatte 😉
    Liberale Grüße aus Koroska!

  2. Bei Haider war das immer man besten. Man sieht so was http://images.derstandard.at/20071201/haider1.jpg und man redet ueber Saufgelage, und nicht dass er mit die Jungs mehr flirtet als mit ihnen trinkt…
    Man sieht im ORF die Tuer des zuletzt besuchten Lokas „Zum Stadtkrämer“ (Glastuer mit Regenbogenfahne dahinter), und kein Wort daruber dass das ein „Schwulenbeisl“ ist.
    „Die Intelektuellen“/Haider-kritischen Medien findens egal bis indisskutabel (dass das Wort fuer die Presse ueberhaupt existiert find ich laecherlich, aber mir scheint es so). Der Rest will bis kanns nicht ansprechen, und die auslaendischen Zeitungen halten sich eher weniger zurueck. Was jedoch „bei uns“ weitgehend egal ist:
    „Es gibt Sochen, de siecht ma ned, de heard ma ned und reden tuat ma scho gorned drüber!“
    Und jetzt vom „Mischasyndrom“ befreit, und dazu bereit uns von etwas zu erzaehlen was wir laengst wissen, und/oder laengst nicht mehr wissen wollen…?
    Weiss echt nicht was ich davon halten soll.

  3. Mir ist die Haiders sexuelle Ausrichtung egal (ich habe ohnehin nie auch nur daran gedacht, ihn zu wählen). Die Haltung der Presse ist allerdings interessant. Ich finde es durchaus gut, dass die österreichische Presse großteils das Privatleben der Politiker nicht behandelt (und wenn, dann mit deren Einverständnis).
    Man muss aber auch anmerken, dass es Haider blendend verstanden hat, die österreichischen Zeitungen und das Fernsehen für seine Zwecke zu verwenden. Er setzte bewusst-teilweise rechtswidrige-Aktionen, um diese kostenlose Publicity zu bekommen. Ich hätte mir öfters gewünscht, dass diese Aktionen nicht medial breitgetreten werden; in der Hoffnung, weitere zu verhindern.
    Haider hat andere oft ausgenutzt, wenn dies zu seinem politischen Vorteil war (z.B. Asylwerber). Ohne jetzt zu einer „Auge-für-Auge, Zahn-für-Zahn“-Mentalität zu gelangen glaube ich, dass die Medien jetzt auch einen Blick in Haiders Privatleben machen sollen. Vielleicht verhindert man dadurch, dass Haider zu einem Märtyrer hochstilisiert wird.

  4. „Privatleben der Politiker nicht behandelt (und wenn, dann mit deren Einverständnis).“
    Gutes Beispiel dafuer ist die News Berichterstattung ueber Gusenbauers Tochter?

  5. Haider war (auch) schwul! (bi)

    Warum spricht das keiner aus? Darf man das nicht? Ist Stefan Petzner nicht Beweis genug?
    Bestes Beispiel das „Frühstück bei mir“ am letzten Sonntag, mit einer einmal mehr unfähigen Claudia Stöckl und Petzner, der sich „auf bizarre …

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