Der Dienstwagen – eine Karriere

Früher untermauerte der Dienstwagen die Aura von Erfolg, Macht und Prestige. Heute birgt er die stetige Gefahr der Skandalisierung. Was für eine Karriere: Vom Statussymbol zum Schandmal. Berliner Zeitung, 8. August 2009

 

Aufstiegsorientierte Leistungsgesellschaften sind komplizierte Formationen, voller Symbolismen, die ihre Mucken haben. Einerseits sind diese Gesellschaften von einem egalitären Ideal geprägt: Keiner soll unlautere Vorteile haben, man ist hier ja auf Gerechtigkeit bedacht, und gebühren tut einem hier nur, was man mit eigener Kraft erreicht hat. Andererseits sind sie von einem antiegalitären Geist durchzogen: Wer’s weiter bringt, will auch, dass man ihm das ansieht. Man kann Avancements nicht vollkommen unsichtbar halten – der höhere Status wäre keiner, wenn er sich nicht symbolisierte -, aber wehe, er wird zu sichtbar: das nennt man dann Frivolität. Das ist ein schmaler Grat, und die Sache wird verkompliziert durch die Tatsache, dass sich der Grat, der das Zulässige vom Unzulässigen trennt, über die Jahre verschiebt. Da in jene, dort in die andere Richtung.

 

Der Dienstwagen: Das war noch vor ein paar Jahren die erste Versicherung, dass man es geschafft hat. Kaum jemandem wurde sein Dienstwagen missgönnt. Manager, Minister, Chefredakteur, Behördenchef – der Dienstwagen wurde für gehobene Positionen als angemessen betrachtet, umgekehrt war der Dienstwagen auch äußeres Zeichen, dass der, der ihn fährt, auch wirklich oben angekommen ist. Missgunst grassierte allenfalls, wenn auch schon kleine Abteilungsleiter in der mittleren Etage mit fetten Audis oder Mercedes auf Betriebskosten daher kamen – dann begann das Gemurmel in der Kollegenschaft, wieso der denn auf ihre Kosten herumkurvt.

 

Aber dass der Dienstwagen ein Statussymbol ist, das einem ab einer bestimmten Position zusteht und die Aura von Erfolg, Macht und Prestige untermauert, das war weitgehend unbestritten.

 

Heute dagegen birgt Verfügung über einen Dienstwagen die stetige Gefahr der Skandalisierung. Was für eine Karriere: Vom Statussymbol zum Schandmal.

 

Nun ist das gewiss etwas pauschal gesprochen. Wenn die Ministerin ihren Dienstwagen privat nützt, gibt es Zeter und Mordio, mag ihr das auch nach Verordnungslage zustehen, aber in der Privatwirtschaft kratzt das kaum jemanden. Einerseits ist das ganz in Ordnung so – eine private Firma darf ihr Geld verschwenden, wofür sie will -, andererseits ist es auch ein Indiz dafür, dass sich längst eingeschlichen hat, dass Spitzenpolitiker und Spitzenmanager in einer symbolischen Ordnung nicht ganz ebenbürtig beurteilt werden.

 

Hinzu kommt: Wer vom Dienstwagen spricht, darf vom Chauffeur nicht schweigen. Denn wer sich fahren lässt, begibt sich auf symbolisch heikles Terrain. Einerseits ist der Fahrer, weit mehr noch als das Dienstauto selbst, der ultimative Ausweis der Wichtigkeit. Aber wer sich fahren lässt, sollte sich bewusst sein, dass er fortan mit anderen Augen gesehen wird. Wer gestern noch als zupackender Tatmensch oder als Powerfrau mit Bodenhaftung angesehen wurde, wird von da an als privilegiert und verzärtelt betrachtet, als jemand, der sich zu schade ist, auch nur ein Lenkrad zu drehen, oder als unfähig, eine Adresse zu finden. Zudem hat so jemand ab dann ja einen persönlichen Dienstboten, der oft die halbe Nacht auf den Chef oder die Chefin wartet, was das egalitäre Ideal stetig provoziert. Es ist kein Zufall, dass man mit Argwohn darauf achtet, wie jemand seinen Fahrer behandelt. Geht er auch auf dessen Bedürfnisse ein? Entlässt er ihn, wenn es später wird, in den Feierabend und nimmt sich im Notfall auch einmal ein Taxi?

 

Gewiss, der Dienstwagen mit Chauffeur hat auch seine banale, praktische Seite: Wer viele Termine hat, muss auch im Auto arbeiten. Aber wichtiger ist der symbolische Aspekt, die Bildsprache. Früher war es wichtig, dass einer auch zeigt, dass er es zu etwas gebracht hat. Heute, mit der Ausdifferenzierung von Lebenssphären, wo die Reichen und Wichtigen in ihrem eigenen Orbit leben, ist es aber ein ebensolcher Wert, dass jene, die es zu etwas gebracht haben, auch zeigen, dass sie „normal“ geblieben sind. Nichts beeindruckt mehr, als ein CEO oder eine Ministerin, die Straßenbahn fahren. 

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