„Aggressives Betteln“

Die Roma sind seit jeher die paradigmatischen „fremden Fremden“. taz, 16. September 2009

 

Wer singt nicht gerne einen Lobgesang auf das kulturell Fremde? Wie schön, dass die Welt bunt ist, dass sich die Kulturen mischen: Kebap, Sushi, Pizza, Weißwurst. Aber neben dem bekannten Fremden gibt es noch das „fremde Fremde“. Die osteuropäischen Roma sind seit jeher die paradigmatischen „fremden Fremden“. Die Praxis französischer Polizisten, Roma einen Stempel auf den Unterarm zu verpassen, sorgt jetzt für einige Empörung, wie zuvor schon die Debatte über „Bettelverbote“ in westeuropäischen Städten – die richteten sich ja auch vornehmlich gegen Roma.

 

Im vertrauten Gespräch ist selbst vom gutmenschlichsten Menschenfreund zu hören: „Aber die nerven ja wirklich.“ Es gibt kulturelle Codes, ein „Gewusst-Wie“, das regelt, wie wir einander zu begegnen haben, im Privaten, im öffentlichen Raum, wie man Freunde begrüßt, mit fernen Bekannten umgeht, wie nah man einem Unbekannten kommen darf. Und so gibt es auch offenbar ungeschriebene kulturelle Gesetze, wie „man“ bettelt: gewaschen, rasiert und gekämmt soll man bitte schön still im seinem Elend am Straßenrand sitzen. Dann gibt’s ein paar Groschen.

 

Anderswo gibt’s andere Codes, und wenn diese unterschiedlichen Codes aufeinander treffen, dann gibt es einen Clash der Kulturen. Keinen lautstarken meist. Eher Gereiztheit. Im Zusammenhang mit den Roma hat sich die Phrase vom „aggressiven Betteln“ eingebürgert. Man will nicht angesprochen werden, man will nicht, dass die Bedürftigen ihre Bedürftigkeit allzu ostentativ darstellen. Dies empfinden wir offenbar als massive Übertretung. Man fühlt sich erpresst, etwas zu geben, und wirft den Bedürftigen noch das schlechte Gewissen vor, das man hat, wenn man nichts gibt: Die sind schuld, dass ich mich jetzt schlecht fühle.

 

Dieses „Unwohlsein“ lässt sich durch Rationalisierung bearbeiten. Die Beliebteste: Das sind ja Gangs, in denen Kinder gezwungen werden, zu betteln. Dann ist plötzlich nicht mehr eine soziale Realität schuld, die ganze Ethnien in Chancenlosigkeit hält, sondern ein imaginierter Gangboss, ein anonymer Profiteur, den zwar noch nie jemand gesehen hat, der aber prima zur Legitimierung von Hartherzigkeit taugt. Übrigens: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bettelei auf irgendeine mafiaähnliche Weise „organisiert“ ist.

 

Aber es ist eben verdammt schwer, nicht xenophob zu werden, wenn einem die Fremden mit ihrem Elend und ihrem Fremdsein belästigen.  

7 Gedanken zu „„Aggressives Betteln““

  1. Mich nerven Roma. Sorry. Micht nervt das agressive Betteln. Mich nervt die Clan-Stamm-Sippe-Ehre-Ehrverlust-Struktur der Gemeinschaft. Und: Ich werde rassistisch, wenn ich Roma sehe.
    Aber: Das alles werden ich und Du und Österreich und Europa aushalten müssen, denn die Menschen sind nun einmal nicht aus einer Form gegossen. Deswegen: Roma nerven, wenn einer einem Roma eine in die Goschn haut, kriegt er von mir eine reingesemmelt. Basta..

  2. Ich bin zwar auch gegen Praktiken, wie sie in Frankreich gehandhabt werden bzw. gegen ein „Bettelverbot“, nur kann man wiederum dem Straßenspaziergänger an sich keinen Vorwurf machen, wenn die soziale Lage so übel ist, dass selbst Kinder betteln gehen müssen – dafür hat dieser alleine viel zu wenig Einfluss.
    Auch ist es eine Tatsache, dass einige Bettler (da ist die Herkunft erst mal irrelevant) in ihrer Vorgehensweise äußerst penetrant sind – von Aggressivität würde ich dabei zwar nicht sprechen, aber zumindest von einer lästigen Bestimmtheit und Hartnäckigkeit, die kein „Nein“ akzeptiert. Und dann dem Angesprochenen die Schuld zu geben, wenn er sich belästigt fühlt – ist das wiederum die richtige Zuweisung?

  3. Zwar kann ich mich mit der Benamsung culture clash mehr oder weniger anfreunden — fraglich bleibt für mich weiterhin wieviel culture und nicht Maskerade dahintersteckt; kann das aber ohnehin nicht beurteilen.
    Beurteilen lässt sich aber subjektiv, dass der vorletzte Satz konträr zur Berichterstattung der österr. Medienlandschaft ist:
    ital Caritas spricht von Kriminellenorganisationen
    http://diepresse.com/home/panorama/welt/370330/index.do
    Kinder als Wahre titelt der Standard
    http://derstandard.at/fs/3236938/Kinder-als-Ware-im-Bettlergeschaeft
    und wie erwartet auch der orf über kriminelle Organisationen
    http://oesterreich.orf.at/wien/stories/366250/
    Habe ich übers Ziel hinaus gegoogelt? Unterliegt die österr. Medienlandschaft einem zu großen Bias?
    Auch die Xenophobie steht da eher in einem katalytischen Zusammenhang als in einem kausalen: die Reaktionen auf Bettler „vertrauterer/einheimischer“ Kulturen fallen durch die Bank gleich aus (da nicht das Fremde per se angegriffen wird halte ich Xenophobie für überzogen)

  4. @David kann ich nur zustimmen .
    Die Roma die an jedem U-Bahn Abgang sitzen haben nichts mehr mit Armut zu tun .Kinder zu missbrauchen und sie auf die Strassen zu schleppen des Profites wegen noch weniger.Wenn ich ganze Busladungen nach Wien Kare weil es ein gutes Geschäft ist ,finde ich es schade zu sehen wie die wirklich arme Omi vor mir beim Billa Ihre Groschen abzählt um ein paar Kartoffeln zu kaufen. Diese Leute werden vergessen zu wenig sichtbar in der Öfentlichkeit und Medien. Die Caritas sollte sich das Marketing bei den Romas abschauen eventuell kommt mehr ins Börsel.

  5. Nix für ungut, aber wenn Herr Misik meint, (Zitat) „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bettelei auf irgendeine mafiaähnliche Weise „organisiert“ ist“ empfehle ich einen frühmorgendlichen Besuch auf dem Wiener Naschmarkt, wo busweise (!!!) Bettler angekarrt werden. Siehe auch – unter vielen anderen – Caritas: http://diepresse.com/home/panorama/welt/370330/index.do und Kommentare oben. Genau dieses von Herrn Misik vorgelebte Verweigern der Realität erschwert jede ernsthafte Diskussion des Problems.

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