Money for nothing

Arcandor ist insolvent, den Chef muss das nicht grämen: der geht nach sechs Monaten im Job mit 15 Millionen Euro heim. Das ist nicht korrupt, sondern normal in einem korrupten System. taz, 2. September 2009

Arcandor ist in der Insolvenz, Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick dagegen ist sehr solvent: 15 Millionen gibt es zum Abschied auf die Hand, nach nur sechs Monaten im Amt. Herr Eick hatte in kluger Voraussicht ausverhandelt, dass er in jedem Fall das Salär für fünf Arbeitsjahre erhält, auch, wenn man seine Dienste nicht so lange wünscht. Jetzt gibt’s also fünf Jahresgehälter für sechs Monate im Job.

Da ärgert sich sogar Kanzlerin Angela Merkel und murmelt, sie habe „absolut kein Verständnis“

Nach der Empörung über Dödelbanker, die astronomische Boni kassieren, nun der Fall Eick. Der Arcandor-Manager hat nach einer Schrecksekunde angekündigt, er werde ein paar Millionen für soziale Zwecke spenden – wie zuvor schon Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der 25 Millionen seiner 50-Millionen-Abfindung abgeben will.

Dabei könnte man für Eick noch ins Treffen führen: Er erhält seine Millionen nicht als Gratifikation dafür, das Unternehmen ruiniert zu haben – dafür hätte er in den paar Wochen einfach nicht genug Zeit gehabt. Das hatten andere schon vor ihm erledigt.

Es ist im Fall Eick also nicht die Frage, ob er seine Kohle für gute oder schlechte Ergebnisse erhält: Er erhält sie schlichtweg, ohne dass seine Tätigkeit irgendwelche Ergebnisse gezeitigt hätte. Herr Eick ist gewissermaßen ein Kontostand ohne besondere Eigenschaften. Insofern stellt sich in diesem Fall freilich die Frage nach dem Entlohnungssystem einer Marktökonomie in ihrer Reinform, gewissermaßen unter Laborbedingungen, die durch keine speziellen Besonderheiten wie grandiosen Erfolg oder grandiosen Misserfolg beeinträchtigt sind.

Das heißt dann aber natürlich auch: In einer bestimmten Kaste erhält man Millionen praktisch für nix. Es reicht, wenn man in dieser Sphäre angekommen ist, dafür gibt es dann sehr viel Geld. Die Frage ist, und deshalb ist die Debatte über Managergehälter eben keine Neiddebatte: Was das mit einer Gesellschaft anstellt.

Zunächst ist es ja ganz offenbar so, dass zumindest bis vor wenigen Monaten implizit davon ausgegangen wurde, dass es zwei Menschenschläge gibt. Man muss sich nur vor Augen führen, wie über die Spitzen der Gesellschaft und über die Untersten in einer Gesellschaft geredet und gedacht wurde. Die Einkommensexplosion der Spitzenmanager wurde immer mit dem Argument begründet, nur so könne man die Leistungsträger halten, nur mit exorbitanten Boni könne man ihnen einen Anreiz geben, sich voll ins Zeug zu legen. Demgegenüber wurde im Fall von Niedrigverdienern und Leuten, die vom Wohlfahrtssystem abhängen, immer wieder gesagt, man müsse die Leistungen senken, um sie dazu zu „motivieren“.

Die einen kann man also nur motivieren, wenn man sie mit Millionen überhäuft, die anderen nur, in dem man ihnen noch ein paar Pfennige wegnimmt – als ob die beiden Phänotypen nicht der gleichen Spezies angehören.

Anreizsysteme wirken, aber was ist genau ihre Wirkung? Die Möglichkeit, im Spitzenmanagement in kurzer Zeit ohne irgendein relevantes Risiko astronomische Summen zu verdienen, wenn man nur über ein ausreichendes Maß an Skrupel- und Schamlosigkeit verfügt, zieht natürlich nicht primär verantwortungsbewusste und altruistische Charaktere an. Sie ist, wie man das heute so nennt, ein mächtiger „Incentive“ gerade für Glücksritter und Blender, in solche Positionen zu drängen. Wenn man solche Anreizstrukturen zulässt, dann muss man sich auch nicht wundern, dass man einen bestimmten Persönlichkeitstyp überproportional in bestimmten Funktionen wiederfindet.

Solche Anreizsysteme können dann leicht einen kontraproduktiven Effekt haben: Man will Manager, die ein Unternehmen stärken, und züchtet sich Plünderer heran.

Im Boom und in der Hausse wirkt all das anders als in normalen Zeiten. Im Boom wirkt der Gerissene wie ein Genie, dem alle nacheifern wollen. Ist die Hausse einmal zu Ende, erscheint der Erfolgreiche mit einemmal als korrupt, mutieren die Siegertypen zu Hinterlistigen, die ein krankes System etabliert haben, um es auszunützen. Herr Eick ist in all dem kein besonderer Fall, ohne dem diabolischen Glanz eines Madoff, eher ein Symptom einer Madoff-Ökonomie.

 

2 Gedanken zu „Money for nothing“

  1. Schöner als mit dieser Abfindung kann das derzeit hersschende kapitalistische System gar nicht dargestellt werden.
    Ich glaube nicht dass sich daran wirklich etwas ändern lässt solange die Politik nicht einen Weg findet da vernünftig einzugreifen. Was ich nicht verstehe ist, dass man die Steuern nicht einfach wirklich stark progressiv weiterwachsen lässt.
    Diese hohen Einkommen sind ja irgendwie eine „Beurteilung“ des Managers. Wer 10 Millionen im Jahr verdient ist „besser“ als jemand der 5 Millionen verdient – und so weit ich ab und zu gehört habe ist es ganau das was diese Manager letzendlich mit diesen hohen Einkommen beweisen wollen. Warum lässt man diese Einkommen nicht so wie es die Firmen und Manager anscheinend wollen und erhöht aber die Steuern wirklich ensthaft. Soll doch ab 1 Million (oder welche Zahl da sinnvoll erscheint) der Steuersatz langsam Richtung 100% wandern.
    Kann mir doch niemend erzählen, dass jemand 30 Millionen möglichst steuersparend verdienen muss weil ers sonst nicht luuriös genug leben könnte.
    Und wenn Herr Eick von 15 Millionen eben schon 60 oder 70% an den Staat abführen müsset, sollten doch eigentlich alle glücklich sein.

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