Überraschung: Niemand verteufelt die „Linkspartei“ mehr

Für das Wahlblog der Böll-Stiftung.

 

„Der Bürger weiß jetzt einigermaßen, woran er ist“, hob am Wochenende die FAZ in ihrem Vorwahlkommentar an. Und das stimmt schon: Da die FDP eine Ampel ausschließt und die SPD eine Koalition mit den Linken ist den Wählern, jedenfalls was die Regierungskonstellation angeht, letztlich die eine Frage vorgelegt: Soll Deutschland Schwarz-Gelb regiert werden, oder soll Deutschland nicht Schwarz-Gelb regiert werden? Logischerweise heißt das: Wer Schwarz-Gelb nicht will, darf weder Schwarz noch Gelb wählen. Die Wähler können also ein Signal senden, was sie nicht wollen, eine sehr viel präzisere Botschaft lässt sich diesmal an der Urne kaum abfassen.

 

Was ins Auge sticht in dem etwas verschwurbelten FAZ-Kommentar ist aber ein Halbsatz, in dem in Richtung Union formuliert wird, sie könne ja C-Prominenz für sich auflaufen lassen, „aber sie muss die Linkspartei nicht dauernd als antidemokratisch hinstellen“. Das ist nun, wenn wir den Kommentator richtig interpretieren, etwas erstaunlich. Erstens: Weil aus der FAZ der Union geraten wird, sie solle aufhören, die Linkspartei so hinzustellen. Zweitens: Weil doch, wenn man genau darüber nachdenkt, die Union das gar nicht mehr wirklich tut. Und das ist das eigentlich Überraschende. „Rote Socken“ war einmal. Dass von der Linkspartei eine Gefahr für die Demokratie ausgeht, das behaupten heute doch nur mehr irgendwelche staatlich alimentierte Eigenbrötler wie Hubertus Knabe, für den PDS, Steuerstaat und staatliche Bürokratien allesamt böser Sozialismus sind (komisch, dass man so etwas immer nur von Leuten hört, deren Gehalt krisenfest aus Steuergeld finanziert wird).

 

Die Linkspartei kommt an im politischen Spiel. Erst hat man sich gewöhnt, dass sie im Osten an Landesregierungen beteiligt ist. Kein Mensch wird etwas dabei finden, wenn sie demnächst im Saarland mitregiert. Dass es durchaus im Bereich des Möglichen ist, dass sie einen Ministerpräsidenten stellt, diesem Gedanken wird man, selbst wenn Ramelow in Thüringen noch einmal zur Seite tritt, auch bald nähertreten. Sehr bald wird sie auch im Bund als normale Koalitionsoption erscheinen. Was übrigens nicht heißt, dass sich jeder oder auch nur eine signifikante Minderheit eine Regierungsbeteiligung der Linken wünschen muss. Ich, beispielsweise, wünsche mir auch keine Regierungsbeteiligung der FDP. Aber ihr Recht, mitzuregieren, wenn es die Mehrheitsverhältnisse hergeben, würde ich deswegen natürlich nie bestreiten.

 

Deutschland macht Lockerungsübungen. Wenn es, wie übrigens auch im gegenwärtigen Bundestag, dessen Legislaturperiode eben zu Ende geht, eine Mitte-Links-Mehrheit gibt, dann kann demnächst auch Mitte-Links regiert werden. Muss nicht. Aber kann. Das wird dann die neue Normalität. Die wird noch nicht am 28. September 2009 eintreten, vielleicht auch noch nicht 2010, aber bald danach.

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