Rot-Grün in Wien hätte Charme

Die SPÖ tut, was möglich ist, um ihre absolute Mehrheit zu verteidigen. Man kann ihr das nicht vorwerfen. Falls sie sie aber verliert, muss sie Rot-Grün wagen. Man muss langsam anfangen, ihr das klarzumachen.

 

Bald wählen die Burgenländer, im Herbst dann die Steiermark und Wien. Und die Wien-Wahl ist die wichtigste Wahl in diesem Jahr. Da kommt auf den verschiedensten Seiten Nervosität auf, ja, Fahrigkeit und Hektik, und das, obwohl der Wahlkampf noch gar nicht richtig begonnen hat und obwohl es ja, beispielsweise, für SPÖ und Grüne recht gut aussieht im  Augenblick.

 

Die SPÖ hat in Wien ihre unangefochtene Mehrheit zu verteidigen. Sie hat in den vergangenen Monaten und Jahren ein paar bessere und ein paar fragwürdigere Dinge getan, um HC Straches Radau-FPÖ etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der hat sich in den letzten Wochen zudem erstaunlich oft selbst ins Bein geschossen, sodass die Wien-Wahl tatsächlich zu einem empfindlichen Rückschlag für die FPÖ werden könnte. Für die Volkspartei ist die Lage bei der Wienwahl nur unwesentlich anders als bei der Bundespräsidentenwahl – sie ist praktisch out of the game. Und die Grünen versuchen, angesichts eines medial herbeigeschriebenen „Duells“ zwischen SPÖ und FPÖ nicht zerrieben zu werden. Die Aussichten, dass ihnen das gelingt, sind nicht schlecht. Denn für die große Mehrheit der Wiener, die gegen die FPÖ stimmen werden, ist klar: Eine Stimme für die Grünen ist ebenso eine Anti-FPÖ-Stimme wie eine Stimme für die SPÖ.

 

Soweit zur Ausgangsposition, die sowohl für Sozialdemokraten wie Grüne eine ziemlich Positive ist. Und dennoch herrscht in den vergangenen Wochen viel Gezänk zwischen beiden Parteien, als würden sie sich das Hauptmatch im Wahlkampf liefern.

 

 

Man kann’s ja auch irgendwie verstehen: Zwischen SPÖ und Grünen gibt es drei, vier Prozent an Wählern, die mal die, mal jene Partei wählen. Jede dieser Parteien will diese drei, vier Prozent unbedingt haben. Sie entscheiden möglicherweise über „Triumph“ oder „unerfreuliches Ergebnis“.  

 

Aber das nimmt ziemlich ärgerliche Formen an: Die SPÖ lanciert seit Monaten schon das aberwitzige Gerücht, Grüne, ÖVP und FPÖ würden einen geheimen Pakt schmieden, um gemeinsam die SPÖ zu stürzen. Man sollte meinen, die Behauptung ist so absurd, dass sie eh niemand glaubt. Es soll aber sozialdemokratische Basisaktivisten geben, die das sogar selbst glauben. Wenn das so ist, offenbart es ein erstaunliches Maß politischer Unintelligenz. Oder, wenn man so will, an Dummheit, die weh tut. Im übrigen ist es der Sozialdemokratie auch unwürdig, ihre eigenen Leute wie Idioten zu behandeln, indem man so tut, als könnte man denen die bizarrsten Dinge einreden.

 

Zumal die Grünen klipp und klar sagen: Sie wollen regieren und sie wollen in Wien Rot-Grün. Maria Vassilakou hat sich da schon so früh wie möglich im Wahlkampf festgelegt – wohl auch, weil andere Wahlkämpfe (etwa in Deutschland) gezeigt haben, dass Lavieren in der Koalitionsfrage eher schadet und Klar- und Ehrlichkeit nützt.

 

Fehlerfrei ist natürlich auch der Grüne Wahlkampf nicht: Da die Grünen ihrerseits um die rot-grünen Wechselwähler rittern, ist die Versuchung groß, die SPÖ-Regierung in Wien möglichst schlecht zu machen. Manchen gelingt es eben auf subtilere Weise, die eigenen Stärken rauszustreichen, manche sind eher Freunde der plumpen Tour. So ist das eben. Nicht immer intelligent, selten schön.

 

Dass man das Wahlrecht in Wien, das Elemente von Mehrheitswahlrecht aufweist und der stärksten Partei nützt (also: der SPÖ Vorteile verschafft) ändern will, haben die Grünen schon oft betont. ÖVP und FPÖ wollen das auch. Dass sich die Grünen dazu hergaben, in einem „Notariatsakt“ mit ÖVP und FPÖ zu bekunden, man wolle gemeinsam gegen die SPÖ das Wahlrecht ändern, sollte diese die absolute Mehrheit verlieren, sehen Maria Vassilakou und Co. mittlerweile auch schon als mittlere Blödheit an. Ein „Notariatsakt“ mit der Partei der „eidesstattlichen Erklärungen“, das hätte wirklich nicht sein müssen.

 

Kurzum: Man kann die ganzen Blödheiten auf beiden Seiten erklären, aber es macht sie nicht besser.

 

Nur um das klar zu stellen: Die Grünen sagen unmissverständlich, sie wollen rot-grün. Man kann von der SPÖ nicht erwarten, dass sie das auch sagt. Die SPÖ hat die absolute Mehrheit und ihr Wahlziel ist zunächst einmal, diese zu verteidigen. Eine Partei, die sich anders verhielte, wäre deppert. Aber man kann sehr wohl von ihr erwarten, dass sie vernünftig argumentiert und keine Lügen erfindet. Und man kann sich sehr wohl von ihr erwarten, dass sie auf intelligente Weise ein paar Weichen stellt, für den Fall, dass sie die absolute Mehrheit verliert.

 

Aber leider kann man sich nicht darauf verlassen, dass es in diesem Fall in Wien Rot-Grün geben wird. Die Apparatschikfraktion der SPÖ sieht Rot-Schwarz als die bequemere Möglichkeit.

 

Genauso gilt für die Grünen: Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie einen Schmeichelwahlkampf führen, der die SPÖ streichelt. Aber man kann von ihnen erwarten, im Wahlkampf so zu agieren, dass am Tag nach dem Wahltag – wenn die Koalitionsfrage möglicherweise im Raum steht – möglichst wenig verbrannte Erde die Lage vergiftet. Ich denke, dass das die meisten Grünen in Wien verstehen. Dass das Verhältnis zwischen SPÖ und Grünen traditionell einen Schuss ins Neurotische hat, macht die Sache natürlich nicht einfacher. 

 

Ich denke angesichts dessen, dass sich in den nächsten Monaten Menschen, die sich dem progressiven Lager verbunden fühlen, gelegentlich zu Wort melden sollten. Auch eingefleischten SPÖ-Anhängern sollte klar sein: Wenn die Sozialdemokratie ihre absolute Mehrheit verliert, ist das kein Weltuntergang – solange nicht die Strache-FPÖ massiv gewinnt; und sollte sie diese Mehrheit verlieren, was ja eine realistische Möglichkeit ist, wäre es ein himmelschreiende Dummheit, eine große Koalition einer rot-grünen Koalition vorzuziehen.

 

Rot-Grün hätte Charme für Wien. Es wäre einfach eine progressive Koalition. Große Koalitionen haben die Menschen satt. Sie sind, im Bund etwa, zur Genüge mit ihrem Geist des gegenseitigen Blockierens konfrontiert. Deshalb hätte Rot-Grün auch eine wichtige exemplarische Wirkung: als andere mögliche Konstellation, die endlich einmal probiert gehört.

 

Am Donnerstag, den 10. Juni wird’s auch über diese Fragen gehen, wenn ich mit den SPÖ-Wien-Politikern Peko Baxant und Raphael Sternfeld, dem grünen Kandidaten Klaus Werner-Lobo und dem Politikberater Thomas Hofer um 19 Uhr beim Wien-Talk im Flex diskutieren.

Ein Gedanke zu „Rot-Grün in Wien hätte Charme“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.