„Whose street? Our street.“

Wer soll für die Krise zahlen? Der G-20-Gipfel in Kanada provoziert massive Proteste. Von Gastautor Thomas Gegenhuber.


 

gegenhuber.jpg

Die friedlichen Proteste Samstag nachmittags wurden von der Dachorganisation der Gewerkschaften Ontarios organisiert. Abertausende fanden sich trotz Schlechtwetter in Queens Park ein, um an der Großdemonstration teilzunehmen. Wie von Demonstrationen aus Österreich gewohnt, standen zu Beginn Reden auf dem Programm. Eine Botschaft zog sich durch: Die meisten Regierungen haben mit Steuergeldern das Finanzsystem gerettet. Einige Regierungen denken laut über Sparmaßnahmen aufgrund von angespannten öffentlichen Finanzen nach. Es ist ungerecht, wenn die BürgerInnen für die Fehler der Finanzeliten gerade stehen müssen. Jene, die dieses Schlamassel verursacht haben, sollen es auch ausbaden. Ein geschlossener Ruf nach Umverteilung also. Die Forderungen sind klar: Einführung der sogenannten „Robin Hood“ Tax, Regulierung des Finanzsystem und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Thematisch hat die Protestbewegung durch die bunte Vielfalt an Gewerkschaften, UmweltschützerInnen und Grassrootsbewegungen noch mehr zu bieten: Beibehaltung des öffentlichen Bildungssystem, Abschaffung der Studiengebühren,  mehr Rechte für die indigene Bevölkerung, Armutsbekämpfung, Klimawandel und „Green Jobs“, Protest gegen konservativen Premier Harper und gegen den Polizeistaat.

Massive Einschränkungen der Grundrechte

Stichwort Polizeistaat: Die Polizei wurde extra für diesen Gipfel mit erweiternden Befugnissen ausgestattet wurde. Ermöglicht wurde diese Maßnahme durch den Gesetzgeber in Ontario. Jeder und jede kann festgenommen werden, fall er oder sie es verweigert, seine/ihre Identität preiszugeben. Diese Verordnung ist nur für den Zeitraum des G20-Gipfels gültig und wird erst danach (!) veröffentlicht. Ich durfte dies am eigenen Leib erfahren. Aufgrund dieser Regelung mussten wir um zu einem Protesttreffpunkt am Freitag in einem Park zu gelangen, eine Sicherheitskontrolle über uns ergehen lassen. Die Cops untersuchen unsere Rucksäcke nach Waffen. Ich habe schon an einigen Demos teilgenommen, aber das habe ich noch nie erlebt.

Ein Klima der Angst

Die Innenstadt Torontos wird von vielen Kommentatoren als Festung bezeichnet. De facto wurde die Innenstadt für mehrere Tage lahmgelegt, zum Leidwesen der EinwohnerInnen Torontos. Aufgrund der Polizeipräsenz und der Sicherheitszone wurde eine Atmosphäre der Angst geschaffen. Der Ort für den Gipfel mitten in der Innenstadt wurde nicht unbedingt clever gewählt. Anstatt auf mit dem progressiven Bürgermeister Torontos, David Miller zusammenzuarbeiten, hat die konservative Regierung den Ort für diesen Gipfel im Alleingang festgelegt.

Die Sicherheitskräfte haben sich unterdessen auf gewaltsame Proteste vorbereitet. Neben den Sicherheitszäunen, dem großen Polizeiaufgebot, Tränengaswerfern, Helikoptern, Polizeibooten und Wasserwerfern wurden auch sogenannte „Sound Cannons“ angeschafft. Die „Sound Cannons“ erzeugen einen Lärm, der im Gehör Schmerzen verursacht, um potentielle Unruhestifter zu vertreiben. Die Rechnung für Kanadas SteuerzahlerInnen: Über 1  Milliarde Euro. Eine Summe, die vor dem Gipfel bei den meisten KanadierInnen für Unverständnis sorgt.

Die Stadt außer Kontrolle

Aber zurück zur Großdemonstration. Der sogenannte Schwarze Block ist gut organisiert. Zu Beginn waren die AnarchistInnen teil des friedlichen Protestzuges. Perfekt organisiert versammelten sie sich an der Kreuzung Queen und Spadina. Nachdem sich die letzten friedlichen DemonstrantInnen auf ihren Weg nach Norden aufgemacht haben, stürmten die Anarchos durch die Stadt um vorzugsweise Geschäfte von multinationalen Konzernen zu demolieren und steckten Polizeiautos in Brand. Die Polizei konnte die Situation nur mit Mühe unter Kontrolle halten. Während sich die Polizei bei der von den Gewerkschaften friedlichen Protest zurückhaltend verhielt, kam es nach diesen Vorfällen vermehrt zur Anwendung von unangemessener Polizeigewalt auch gegenüber friedlichen DemonstrantInnen.

Was übrig bleibt

Olivia Chow, Abgeordnete aus Toronto für die sozialdemokratische Oppositionspartei NDP, meint zu den Vorfällen: „Die friedlichen DemonstrantInnen haben nichts gemein mit dem schwarzen Block. Diese verstehen nicht, dass Sie mit ihrem Verhalten die Legimitation für die ungeheuren Sicherheitskosten erhöhen“. Dem kann man nur hinzufügen: Aufgrund der gewaltsamen Proteste wird das Verständnis der breiten Bevölkerung für die oben angesprochenen Einschränkung der BürgerInnenrechte zunehmen. Der Macht der Polizei wird durch ihr Verhalten erst recht gefördert. Eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Die Botschaft der friedlichen DemonstrantInnen nach sozialem Ausgleich wird kaum noch vernommen. JedeR in dieser Stadt redet über die Ausschreitungen. Kein Nachteil für die konservative Regierung Harpers. Er kann sich einem seinem Lieblingsthema „Law-and-Order“ widmen und die gewaltsamen Proteste in politisches Kleingeld verwandeln. Die Bilder von brennenden Polizeitautos rechtfertigen die Sicherheitskosten. Das sehen nicht alle so. Ich sprach mit einer Eigentümerin von einem kleinem Geschäft, deren Schaufenster eingeschlagen sind. Sie ist stinksauer: „Bei all diesem Unsummen die für die Sicherheit ausgegeben wurden, hat keiner den Schutz lokaler Geschäfte bedacht.“

 

Thomas Gegenhuber ist ein politischer Aktivist aus Linz. Er studiert an der JKU Linz und absolviert derzeit ein Auslandsjahr in Toronto.

Ein Gedanke zu „„Whose street? Our street.““

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.