Steuermythen – lassen Sie sich nicht blenden!

Konservative Interessensgruppen haben es geschafft, Mythen über die steuerpolitische Realität tief im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Von Gastautor Niki Kowall.

* Niki Kowall ist Sozialwissenschaftler und in der Protestsektion „Sektion 8“ der SPÖ-Alsergrund aktiv, deren Projekt „Steuermythen“ er hier präsentiert.

„Denn die Masse der Menschen lässt sich ebenso gut mit dem Schein abspeisen als mit der Wirklichkeit; ja häufig wird sie mehr durch den Schein der Dinge bewegt als durch die Dinge selbst.“ (Machiavelli)

Steuerpolitik ist für viele ein Thema, dessen Attraktivität irgendwo zwischen Buchhaltung und Kostenrechnung rangiert. Die Materie ist komplex, sperrig und ein auf den ersten Blick nicht leicht zugänglicher Mix aus Jus, Volkswirtschaftslehre und Staatswissenschaften. Wer dem Thema jedoch einmal eine kleine Chance gibt wird feststellen, wieso das Nomen Steuer mit dem Verb steuern identisch ist. Die Steuerpolitik ist womöglich das fundamentale Steuerungsinstrument unserer Gesellschaft. Die Verteilung der Einkommen und Vermögen zwischen sozialen Gruppen und zwischen den Geschlechtern, ökologische Anreize in Verkehr und Industrie, die Bewegungsfreiheit und der Charakter der Finanzwirtschaft, sowie die staatliche Konjunkturpolitik werden ganz wesentlich von der Steuerpolitik geprägt oder gar dominiert.

Demzufolge sind fundamentale Interessen mit der Steuerpolitik verbunden, geht es bei der Verteilung der Steuer- und Abgabenlast doch um eine Summe von rund 120 Mrd. Euro (2009), oder 44 Prozent der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung. Auf Grund seiner Komplexität ist aber die Steuerpolitik ein Thema, das ebenso wichtig wie undurchsichtig ist. Das optimale Umfeld um Verwirrung zu stiften und politische Diskussionen entlang des Scheins der Dinge anstelle ihres Seins zu führen. Tatsächlich haben es in der Vergangenheit vor allem konservative Interessensgruppen geschafft, Mythen über die steuerpolitische Realität tief im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Etwa dass die Wohlhabenden fast die gesamte Steuerlast tragen, dass die Erbschaftssteuer die Übergabe des Handwerkbetriebs an die Kinder verunmöglicht oder dass die Erhöhung des Spitzensteuersatzes den Mittelstand bluten lässt.

Diese von Kronen Zeitung, Industriellenvereinigung, ÖVP und zweifelhaften roten Freunden à la Hannes Androsch geschmiedeten Steuermythen, gerieten erst durch die Wirtschaftkrise ein wenig ins Wanken. Erstmals wurde für die Bevölkerung offenkundig, dass beispielsweise Vermögenssteuern nicht zwangsläufig das per Bausparer finanzierte Eigenheim bedrohen, sondern stattdessen jene treffen können, die die Krise – unter gegebenen politischen Rahmenbedingungen – verursacht haben. Etwa Spekulant/innen, Bezieher/innen von absurden Boni, oder sonstige Jongleure am Finanzmarkt. Nichts desto trotz haben die steuerpolitischen Nebelgranatwerfer bei vielen Themen nach wie vor die Oberhand. Ein hartnäckiger Mythos ist beispielsweise jener, dass bei den Reichen auf Grund ihrer geringen Zahl punkto Vermögenssteuern ohnehin nichts zu holen sei. Dabei werden zwei wichtige Aspekte übersehen:

• Erstens lag das Privatvermögen in Österreich gemäß einer Schätzung der Österreichischen Nationalbank im Jahr 2002 bei beachtlichen 944 Milliarden Euro. Würde die gesamte Privatvermögenssubstanz pro Jahr mit einem Prozent besteuert, hätte dies für das Jahr 2002 Einnahmen von 9,4 Milliarden Euro ergeben. Das sind für die Staatsfinanzen enorme Dimensionen, statt eines Defizits von 0,7 Prozent des BIP wäre im Jahr 2002 ein Überschuss von 3,6 Prozent erwirtschaftet worden.

• Zweitens sind die Vermögen laut Nationalbank extrem ungleich verteilt: Die „Superreichen“, das oberste Prozent, hält ca. 34 Prozent des Vermögens. Die „Wohlhabenden“, als die auf das erste Prozent folgenden zwei bis zehn Prozent, halten rund 35 Prozent des Vermögens – insgesamt verfügen beide Gruppen über beinahe 69 Prozent des Vermögens. Die „restliche Bevölkerung“, 90 Prozent, halten rund 32 Prozent. Das Argument „Es gibt so wenig Reiche, dass bei diesen vermögenssteuerlich nichts zu holen sei“ ist schlicht nicht korrekt. Im Gegenteil, es ist genau umgekehrt: Nur bei den Reichen ist viel zu holen, weil diese fast das gesamte Vermögen besitzen.

Anteil ausgesuchter Gruppen am privaten Gesamtvermögen in Österreich 2002

 

 

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 Quelle: BMSG Sozialbericht 2003/2004

Am herausgegriffenen Beispiel zur Vermögensverteilung wird deutlich, dass die meisten Steuermythen durch die Erläuterung von wenigen einfachen Zusammenhängen widerlegt werden können. Die angeführten Fakten sprechen dabei für sich selbst. Mit durch die Krise verursachte etwas stärkere politische Hellhörigkeit ergibt sich die Chance ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen und steuerpolitische Aufklärungsarbeit zu leisten. Damit dieses zentrale politische Feld nicht den Lobbyisten und ihren realitätsverzerrenden Interpretationen überlassen wird.

Aus diesem Grund haben wir – eine Gruppe von jungen Ökonom/innen die in der Sektion 8 aktiv sind – einige dieser steuerpolitischen Mythen auf der Webseite www.steuermythen.at zu widerlegen versucht. Alle Autor/innen fühlen sich einer seriös-differenzierten Darstellungsweise der nackten Fakten verpflichtet – unserer Meinung nach braucht es nämlich nicht mehr als das, um die meisten Steuermythen zu entzaubern. Wir haben uns deshalb bemüht, die soziale Realität nach bestem Wissen und Gewissen an Hand der verfügbaren Informationen möglichst präzise zu beschreiben.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild.

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Die wichtigsten Steuermythen auf einem Blick:

Mythen zur Lohn- und Einkommenssteuer

 

Mythen zu vermögensbezogenen Steuern

     

    Mythen zu indirekten Steuern und SV-Beiträgen

     

    Sonstige Steuermythen

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