Wir haben die Politik der Kleinlichkeiten satt!

Meine Rede vom Heldenplatz, Kundgebung „Genug ist genug“, 1. Juli 2010 zum nach-sehen und nach-lesen

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir stehen heute hier, weil es ganz vielen Leuten in diesem Land reicht. Es reicht, wie schikanös in diesem Land mit Menschen umgegangen wird. Mit Menschen, die hier bei uns leben wollen, die schon seit Jahren hier mit uns leben, die längst zu uns gehören. Man holt Kinder in finsterster Nacht ab und schiebt sie in Länder ab, mit denen sie nichts mehr zu tun haben. In denen sie keine Freunde haben, deren Sprache sie womöglich nicht mehr sprechen. Wir haben Politiker, die sich dann auf den Buchstaben der Gesetze berufen und sagen, ja, das ist natürlich humanitär gar nicht fein, aber was soll man machen, die Gesetze sind halt so – als wären es nicht genau diese Politiker, die diesen Buchstaben der Gesetze gemacht haben und die den Buchstaben der Gesetze auch wieder ändern könnten. Und wir haben eine Innenministerin, die nicht einmal das sagt, eine, die sagt, ja das gehört genau so gemacht. Raus, raus mit allen, und wenn das die Menschen quält und sie völlig unnötig in Verzweiflung stürzt und wenn das menschliche Tragödien auslöst, umso besser, weil ich bin die harte Mitzi.

Und heute früh stellt sie sich hin, weil sie ein bisserl geschockt ist, dass wir nicht den Mund halten und sagt weinerlich: Ich bin ja gar nicht so. Ich werde jetzt nicht mehr schlecht über Asylbewerber reden. Mein größter Fehler war, dass ich nicht auf mein Image geachtet habe. Ja, geht’s noch, Frau Fekter?

Es reicht. Es reicht schon lange. Und wir haben viel hingenommen, aber jetzt sagen wir: Genug ist genug.

Und ich sag Ihnen auch ganz offen: Ich, zum Beispiel, aber ich denk mir, das gilt für ganz viele von uns, wir machen das nicht nur für „die“. Für die armen Verfolgten, denen wir helfen wollen. Das wollen wir natürlich, aber wir machen das auch für uns. Vielleicht machen wir es sogar primär für uns: Weil wir nicht in einem Land leben wollen, in dem böse Innenministerinnen und gemeine Behördenvertreter menschenfeindliche Gesetze exekutieren und niemand etwas dagegen unternimmt. Weil, stellen wir uns vor, die Zogajs wären ausgereist, „freiwillige Ausreise“ heißt das, wenn man gezwungenermaßen ausreist, weil man nicht in Handschellen und geknebelt außer Landes geschafft werden will. Also stellen wir uns vor, die wären ausgereist, und wir wären am nächsten Tag aufgestanden, hätten das mitgekriegt und hätten uns sagen müssen. Jetzt sind die weg und fast niemand hat was dagegen getan. Ich hab nichts getan dagegen. Ich, ich hätt mir dann nicht mehr in den Spiegel schauen können.

Also, wir stehen hier, damit wir uns auch künftig noch in den Spiegel schauen können. Aber wir stehen auch hier, damit Arigona Zogaj und ihre Familie eine Zukunft in Österreich haben. Und damit all die anderen Arigonas eine Zukunft in Österreich haben.

Und wir sind heute sehr viele und ich denke, dass es den meisten von uns noch um etwas viel Eminenteres, viel Größeres geht. Wir sind auch eine Politik leid, wir sind Politiker leid, wir sind Regierende leid und populistische Oppositionelle leid, die immer über die falschen Dinge reden, die unfähig sind auf normale Weise mit den Bürgern zu kommunizieren, die uns mit Floskeln und Phrasen kommen oder die auf billigste Weise, durch Verhetzung, Stimmen maximieren wollen.

Über diesen Strache und seine Partei, diese Hetzerpartei, brauch ich hier doch gar nichts sagen. Der sich als der Fürsprecher des Kleinen Mannes dauernd präsentiert. An den hätte ich nur eine Frage: Wievielen Menschen hat er eine Zukunft gegeben, wie viele Kinder haben eine bessere Ausbildung erhalten, wie viele Kinder haben mehr Chancen im Leben erhalten, dadurch, dass er, der Strache, die Menschen gegeneinander aufhetzt? Kein einziger Mensch natürlich, kein einziges Kind natürlich. Niemand hat etwas davon, und am wenigsten die, als deren Fürsprecher er sich dauernd auf dreiste Weise aufspielt.

Aber, von dem erwarten wir ja auch nichts anderes. Aber von den demokratischen Politiker, den Politikern der progressiven Parteien aber auch von echten, ehrlichen Christdemokraten würden wir uns schon etwas anderes erwarten. Dass sie Werte haben und zu diesen Werten stehen.

Wir haben diese kleine Politik, diese Politik der Kleinlichkeiten satt und dieses Starren auf Umfragen und dieses lächerliche Gezänk, das uns täglich geboten wird. Und man kann natürlich sagen: Die Politik ist eben so, weil sich die Bürger indifferent abwenden. Aber ich denk mir, es ist eher andersrum: Die Bürger wenden sich indifferent und angewidert ab, weil die Politik so ist.

Man sagt heute so gern, die Bürger, die sind alle Egos, die denken nur an sich, die würden sich eh nie für irgendwas einsetzen oder gar begeistern, was unser Gemeinwesen weiter bringt. Aber das ist nicht wahr. Wie falsch das ist, das sieht man, wenn man hier runter schaut.

Wir wissen, dass wir in einer Gesellschaft mit anderen verbunden sind und deshalb wissen wir auch: Es geht mich etwas an, wenn es meinem Mitbürger schlecht geht. Wenn irgendwo in einer unterprivilegierten Wohngegend ein Mädchen lebt, das kaum lesen und schreiben kann, dessen Eltern nicht wissen, wie sie ihr Kind ernähren sollen, dann geht mich das etwas an, auch wenn das nicht meine Tochter oder meine Nichte ist. Wenn dort irgendein alter Mann lebt, der sich entscheiden muss, ob er sich jetzt noch die Rezeptgebühr für seine Medikament leisten soll oder sich besser was zum Essen kauft, weil beides ist nicht drin, dann macht das auch mein Leben ärmer, auch wenn das nicht mein Opa ist. Und wenn irgendwo in Oberösterreich ein junges Mädchen lebt, das man aus ihrer Heimat rausreißen will und in irgendein Kaff deportieren will, mit dem sie schon lange nichts mehr zu tun hat, dann geht mich das etwas an, auch wenn das nicht meine Schwester oder meine Cousine ist.

Es gibt Millionen anständige Leute in diesem Land, Menschen, die das Herz am rechten Fleck haben, die das genauso sehen, und die sich die Haare raufen, angesichts der Performance unserer politischen Eliten. Angesichts einer Innenministerin, die kaltherzig Gesetze exekutiert und dann sagt, Recht muss halt Recht bleiben, und nie dazu sagt, dass sie ja dafür verantwortlich dafür ist, dass die Gemeinheit Gesetz geworden ist in diesem Land. Es gibt ja nicht „das Recht“. Das Recht, das angeblich vorschreibt, dass die Familie Zogaj dieses Land verlässt, ist ja erst Recht geworden, weil die Innenministerin wollte, dass es Recht würde. Dieses Recht soll nicht Recht bleiben, ein anderes Recht soll Recht werden.

Das wär mir recht.

Ich danke Ihnen.

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