Zur Ausreise von Arigona Zogaj und ihrer Familie

Arigona Zogaj und ihre Familie werden morgen, Mittwoch, Österreich verlassen – wenn man diesem Bericht der Krone glauben darf. Der genaue Zeitpunkt ist aber im Grunde auch belanglos.

Ist das ein Grund dafür, sich als Österreicher zu schämen?

Ich denke doch. Denn als Staatsbürger sind wir, auch wenn wir diese Entscheidung ablehnen, letztlich auch mit verantwortlich für das, was in unserem Namen geschieht – im Namen dieser Republik und ihrer Gesetze. Wie überhaupt die Bedeutung der Scham für politischen Protest oft unterschätzt wird.

In einem Essay mit dem Titel „Für unser Land?“ für die taz habe ich schon vor ein paar Jahren einige Sätze geschrieben, die auch in diesem Moment angemessen erschienen:

Der Umstand, daß der Patriotismus zu unseren wie zu allen Zeiten für viele Übel verantwortlich war und ist, ändert jedenfalls nichts daran, daß der Stolz auf die Leistungen einer Gemeinschaft zu einem der stärksten Motive und Impulse auch für positives politisches Handeln werden kann; genauso, wie umgekehrt ein Gefühl der Scham für Fehlentwicklungen des eigenen Gemeinwesens ein mächtiger Impuls für Protest, und, in der Folge, für Veränderungen werden kann. Warum, fragt Charles Taylor deswegen, reagieren in einem bestimmten Land viele Menschen mit Entrüstung, wenn die Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte verletzt werden? Grundsätzliche Abscheu gegen Unrecht „würde an sich jedoch nicht zu der Reaktion eines Amerikaners führen, die gegenüber Nixons Vergehen stärker ist als gegenüber denen von Pinochet oder Enver Hoxha.“ Den Impuls, der diese Entrüstung erzeugt, nennt Taylor „eine Art patriotischer Identifikation“. Selbst wenn mich die Einschränkung der Freiheit eines jeden bekümmert, so bringt mich ein Anschlag auf die Freiheit in meinem Gemeinwesen in der Regel stärker in Rage.

Als Österreicher bin ich für Unrecht, das hier geschieht, in einem höheren Maße verantwortlich, als für Unrecht irgendwo hinter Ulan Bator. Kurzum: Es ist ein Moment, in dem Scham eine angemessene Reaktion ist.

 

2 Gedanken zu „Zur Ausreise von Arigona Zogaj und ihrer Familie“

  1. sehr guter ansatz. in ö dürfte diese patriotische scham bei der mehrheit der bevölkerung jedoch nicht ausgeprägt sein.
    denn bei uns ist der aufschrei über menschenrechtsverletzungen in andern ländern fast immer größer als bei solchen, die hierzulande stattfinden…

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