Bei diesen Wahlen geht es um das Klima in der Stadt

Hingehen und Rot-Grün wählen. Und vor allem: Soviele wie möglich mitnehmen. Der Wahlaufruf auf www.misik.at

Der Wiener Wahlkampf geht in die letzten Tage und irgendwie ist er eigenartig. Die Parteiaktivisten und Wahlkämpfer stehen unter Strom, wir als Beobachter sind interessiert, aber er schleppt sich auch ein bisschen dahin, der Wahlkampf. Für richtige Aufregung konnten nicht einmal mehr wirklich die kalkulierten Provokationen der FPÖ sorgen, und das inszenierte „Duell“ zwischen Häupl und Strache will auch nicht elektrisieren – schließlich weiß jeder, dass es dieses Duell gar nicht gibt. Und die Sachthemen – naja, ein wenig Schulpolitik, die ohnehin nicht in Wien entschieden wird und dazu das ewige Ausländerthema, bei dem es hauptsächlich um Aufwiegelung und Emotionalisierung geht, und nur am Rande darum, wie man Unterprivilegierten mit schlechten Startbedingungen faire Chancen auf Aufstieg und Entwicklung ihrer Talente gibt. Für ihren Vorteil, aber auch für den Vorteil von uns allen. Weil das das Leben von uns allen verbessert. Aber Anyway, so ist das eben in Wahlkämpfen.

Ja, man kann sogar der Meinung sein, es geht ohnehin um nicht so viel. Ob die SPÖ jetzt 47 oder 43 Prozent einfährt und damit die absolute Mehrheit verliert? So what. Ob die FPÖ jetzt 19 oder 22 Prozent erhält? Naja. Ob die Grünen jetzt 12, 13 oder 15 Prozent erhalten – das hat, bis auf den oder die MandatarIn, die es knapp nicht in den Gemeinderat schafft, doch jeder in ein paar Wochen vergessen.

Aber dennoch geht’s bei diesen Wahlen um etwas: Zunächst um das gesellschaftliche Klima in der Stadt. Und je besser die Mitte-Links-Parteien, also die Sozialdemokraten und die Grünen abschneiden, umso besser. Klar, diese Parteien sind kein Block und ihre Wählerschaft ist sich oft ziemlich fremd. Aber wer die „Fanblöcke“ der beiden Parteien nebeneinander im ATV-Studio gesehen hat, wie sie nicht nur für die eigenen roten oder grünen, sondern die jeweils auch – umgekehrt – grünen oder roten Kandidaten geklatscht und gejubelt haben, der versteht vielleicht endlich, dass sie mehr eint als sie trennt. Weiß eh jeder was: Liberalität, Werte wie Solidarität und Augenmerk auf soziale Gerechtigkeit, über weite Strecken auch ein geteilter Sinn für Urbanität. Oder, wer’s pathetisch will, die alten Ideen der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Genau das, was sie gemeinsam von ÖVP und FPÖ unterscheidet.

Und der Witz ist: Während sich die Krawallpolitiker immer auf das angebliche Empfinden des „Volkes“ oder „der Österreicherinnen und Österreicher“ berufen, sind diese natürlich die Minderheit. Die große, aber oft schweigende Mehrheit sind die anderen. Sozusagen: Wir. Rund 60 Prozent werden bei der Wienwahl für rot oder grün stimmen. Und das ist toll so. Aber noch nicht genug. Es ist nämlich auch mehr drin. Es sind auch 46 Prozent für die SPÖ und 18 Prozent für die Grünen drin. Es ist drin, dass rot und grün gemeinsam fast eine Zweidrittelmehrheit stellen. Und das ist nicht wurscht, eine solche massive Willensbekundung ist nicht egal. Deshalb ist es wichtig, jetzt noch um jede Stimme zu kämpfen und Mama, Schulkollegen oder Arbeitskollegen zu überzeugen. Omi will Strache wählen? Na, dann kann man ihr ja sanft erklären, dass das möglicherweise unvorteilhafte Auswirkungen auf die künftige Besuchsfrequenz hat. Der Schulkollege liebäugelt mit der FPÖ? Vielleicht hilfts, wenn man Samstag noch mal lang mit ihm ausgeht.

Die Sozialdemokraten haben, auch wenn ihnen die Themen ein wenig abhanden gekommen sind, gekämpft wie die Löwen im Wahl- und Vorwahlkampf. Mal sehen, was es gebracht hat. Und die Grünen haben ein hervorragendes Team und mit Maria Vassilakou eine klasse Frontfrau. Und kommt mir bitte jetzt nicht mit Mariahilf und der Josefstadt. Schnee von gestern, und die ärgsten Streithähne sind eh raus aus der Partei jetzt.

Wen ich wählen werde, das tut hier ja nicht so viel zur Sache. Wen’s interessiert, nur soviel: Ich wähl in den allermeisten Fällen, das dürfte ja nicht so überraschend sein, SPÖ. Ein bisserl aus Sentimentalität dem gegenüber, was die SPÖ mal war – Rotes Wien und so. Ein bisserl, weil ich weiß, dass das nicht so unmöglich ist, dass diese Partei mal wieder ein bisserl mehr wird, was sie sein sollte – eine Kraft für progressive Reformen, die unsere Gesellschaften gleicher und gerechter machen und damit auch funktionstüchtiger. Dass es ordentlich knirscht und knarrt im lahmen Parteiskelett, das weiß ich auch. Aber ich verhalt mich meist wie ein Stammwähler. Kernschicht halt. Freilich, manchmal wähl ich auch die Grünen. Und Maria Vassilakou hat einen fulminanten Wahlkampf hingelegt, den sie mit ihrem großartigen Auftritt in der ATV-Arena noch mal getopt hat. Hat sie sich eigentlich nicht verdient, dass man sie nicht wählt, oder? Aber jeder soll das für sich entscheiden. Ich freu mich ohnehin, wenn beide gut abschneiden.

Wählt was ihr wollt, Hauptsache ihr geht hin und Hauptsache Rot-Grün. Und vor allem: Hingehen und dafür sorgen, dass das so viele Leute wie möglich auch tun.

Ach, ja, und zwei Dinge: Ich kenn ja auch Leute, die KPÖ wählen wollen. Nun, das ist natürlich verständlich – wem sind nicht die Sozis bisweilen zu verknöchert und verkommen, die Grünen gelegentlich zu lahm. Nur – soviel besser ist die KPÖ auch nicht. Die ist halt auf andere Weise schlecht. Aber das ist gar nicht mein Punkt. Vor allem ist ausgeschlossen, dass sie den Einzug in den Gemeinderat schaffen. KPÖ wählt heißt also, seine Stimme nutzlos zu verschenken. Wer KPÖ wählt, schwächt rot-grün. Ishaltso, kann ich auch nichts ändern an dem Faktum.

Und er schwächt damit auch die Aussicht auf eine mögliche Rot-Grüne-Koalition nach den Wahlen. Klar, die SPÖ kämpft um die Absolute, was sonst, als Titelverteidiger. Aber es ist natürlich möglich, dass sie sie verliert. Und wenn sie sie verliert, dann soll endlich Rot-Grün regieren in dieser Stadt, statt dem ewigen Rot-Schwarz, das es ohnehin überall seit ewig gibt. Und insofern kommt das Wichtigste vielleicht erst nach dem 10. Oktober: den Sozialdemokraten klarzumachen, dass sie die spannende und progressive Option der langweiligen, gewohnten Mitte-Links/Mitte-Rechts-Option vorzieht.

Und als Letztes: Wahlaufruf für eine bestimmte Partei ist das absichtlich keiner. Aber ich erlaube mir, für ein paar Bezirke diese Regel aufzugeben. Einfach, weil es da ein paar rationale Gründe dafür gibt, die vielleicht nicht alle kennen, weil sie im Detail liegen.

In der Inneren Stadt würde ich die Liste des Anwalts Karl Newole „WirImErsten“ wählen. Vielleicht schafft er ja die Sensation gegen Stenzel. Und, wenn nicht: Es ist spannend und toll, dass Karl sich das angetan hat mit der Kandidatur. Er hätte es sich auch, wie so viele, bequem machen können als gutverdienender Anwalt. Dass er sich, wie er sagte, keinen Porsche sondern einen Wahlkampf geleistet hat, gehört belohnt.

Im 4. Bezirk, Wieden, rate ich allen dringend, die Grünen zu wählen. Einfach aus folgendem Grund: Der Bezirk ist zu 60 Prozent Rot-Grün, aber die ÖVP stellt die Vorsteherin. Absurd? Aber so ist das Wahlsystem. Und da sich SPÖ und Grüne zuletzt neutralisierten und die ÖVP knapp die Nase vorne hatte, ist das die logische Folge. Nun ist kaum zu erwarten, dass die SPÖ ihr Wahlergebnis von 2005 in Wieden übertrifft. Damals war sie 100 Stimmen hinter der ÖVP. Und die Grünen waren noch mal 100 Stimmen hinterher. Aber die Grünen können sich noch steigern. Und, meinetwegen mit ein hundert paar Leihstimmen von der SPÖ, die ÖVP überholen – womit sie in Gestalt von Barbara Neuroth die Vorsteherin stellen würden.

Drittens, Währing: Dort liegt die SPÖ nicht gar so arg hinter der ÖVP. Nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen, dass sie sie überholt. Die Grünen dagegen haben eher geringe Chancen. Da würde taktisch wählen heißen, als Grüner vielleicht mal SPÖ wählen. Sozusagen: So wie in Wieden, nur umgekehrt.

Ansonsten, wie gesagt: Wählt was ihr wollt, Hauptsache ihr geht hin und Hauptsache ihr wählt Rot-Grün.

3 Gedanken zu „Bei diesen Wahlen geht es um das Klima in der Stadt“

  1. Die Kleinparteien werden in Österreich zu stiefmütterlich behandelt. Sie sind medial beschnitten. Das ist ein Skandal in einer vermeintlichen Demokratie.
    Ich halte strategisches Wählen für einen großen Fehler. Die heutigen Großparteien waren auch mal kleine, neue Parteien. Wenn sie nicht trotzdem irgendwann von vielen gewählt worden wären, würden sie wohl schon längst nicht mehr existieren. Es lohnt sich absolut uns die vielen Kleinen genauer anzusehen, denn die Polit-Theater der gut geförderten Großparteien erschöpfen sich meist im Stimmenfang ohne den Mut neue Wege zu gehen, da sie um ihre Macht fürchten. Wer sie wählt, wählt hauptsächlich die Selbsterhaltung dieser Institutionen, die es eben nicht mehr wagen ihren Status aufs Spiel zu setzen um neue Ideen zu verwirklichen. (Und vom Alten haben wir wohl nahezu alle schon die Nase voll…)

  2. Ich würde mich stark wundern, wenn ein Michael Häupl nach dem Verlust der absoluten Mehrheit mit einer Frau Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou an seiner Seite vor die Medien tritt. „Rathaus-Chemie I“: ein Ding der Unmöglichkeit. Das mag man vielleicht bedauerlich finden, jedoch sollte man, wenn es ans „Taktische“ geht, diesen Aspekt nicht unterschlagen. Viel eher ist es wahrscheinlich, dass am Ende des Tages ein Frau Vizebürgermeisterin „Mindestsicherung-nur-für-Deutschsprechende“ herauskommt und das wäre doch eher schlimm. Das lässt einen wieder zu dem Schluss gelangen, auf Gemeindeebene die Roten zu wählen, weil die Gfraster mit der ÖVP backeln, wenns die „Absolute“ verlieren. Scheinbar paradox, aber eingedenk der Häuplschen „Grünbegeisterung“ doch logisch. Schade für die Grünen. Tun mir eh leid. Aber Rot-schwarz in Wien wäre doch sehr deprimierend. Wenn man die ÖVP auf keinen Fall in der „Agenda-abteilung“ des Stadtsenats sehen will, darf die SPö also nicht unter die 47%. Sonst hamma die Bescherung (gar nicht „geil“)

  3. Ich gebe Ihnen ja eine Chance und lese diesen Blogs um auch die andere Seite anzuhören, aber mich überzeugt das gar nicht. Mein Kreuz geht an HC.

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