ÖVP will Kritik am liebsten verbieten lassen

Man wird das doch noch sagen dürfen!

Die sogenannte „Integrationsdebatte“ ist um einen kleinen Skandal reicher. Nachdem der türkische Botschafter in Wien in einem Interview mit „Der Presse“ klare und offene Worte zur Anti-Ausländer-Stimmung in Österreich gefunden hatte, wurde er prompt ins Außenministerium zitiert, was als unfreundliche diplomatische Maßnahme gilt.

Pikant daran: ÖVP-Parteichef Josef Pröll selbst – und offenbar nicht der eigentlich zuständige Außenminister – steht hinter der Retourkutsche gegen den Botschafter:

„Er, Pröll, habe daher mit dem Außenminister gesprochen und ihn gebeten, den Botschafter morgen ins Außenamt zu zitieren“ (Der Standard).

Tatsächlich hatte der Botschafter in herrlicher Offenheit gesprochen:

Wollen Sie, dass ich im Interview als Diplomat antworte, was langweilig wird? Oder soll ich als jemand antworten, der seit einem Jahr in Wien lebt und viele Kontakte zu den 250.000 Türken hier hat?

(…) Wir müssen noch einige Hausaufgaben erledigen. Aber auch die österreichische Seite muss etwas unternehmen. Es gibt Schulen, in denen türkische Kinder mit 60, 70 Prozent die Mehrheit stellen. Warum? Weil sie in Ghettos leben. Wenn Türken in Wien Wohnungen beantragen, werden sie immer in dieselbe Gegend geschickt, gleichzeitig wirft man ihnen vor, Ghettos zu formen. Und österreichische Familie schicken ihre Kinder nicht an Schulen, in denen ethnische Minderheiten die Mehrheit stellen. So werden Türken in die Ecke gedrängt.

(…) Aber in Österreich ist das Innenministerium für Integration verantwortlich. Das ist unglaublich. Das Innenministerium kann für Asyl oder Visa und viele Sicherheitsprobleme zuständig sein. Aber die Innenministerin sollte aufhören, in den Integrationsprozess zu intervenieren. Wenn man dem Innenministerium ein Problem gibt, wird dabei eine Polizeilösung rauskommen. (…) Meine Leute fragen mich: Stellen wir hier ein Sicherheitsproblem dar? Ich habe mit der Innenministerin gesprochen. Sie möchte das alles nicht hören. Sie ist in der falschen Partei.

(…) Ich habe auch noch nie eine sozialdemokratische Partei wie in diesem Land gesehen. Normalerweise verteidigen Sozialdemokraten die Rechte von Menschen, wo immer sie auch herkommen. Wissen Sie, was mir Sozialdemokraten hier gesagt haben? „Wenn wir etwas dazu sagen, bekommt Strache mehr Stimmen.“ Das ist unglaublich.

(…) In dieser Stadt, die behauptet, ein kulturelles Zentrum Europas zu sein, stimmten fast 30 Prozent für eine extrem rechte Partei. Wenn ich der Generalsekretär der UNO, der OSZE oder der Opec wäre, würde ich nicht hier bleiben. Wenn ihr keine Ausländer hier wollt, dann jagt sie doch fort. Es gibt viele Länder auf der Welt, in denen Ausländer willkommen sind. Ihr müsst lernen, mit anderen Leuten zusammenzuleben. Was für ein Problem hat Österreich?

Dafür, dass er nur das Offensichtliche ausgesprochen hat – dafür wird der Botschafter nun ins Außenministerium zitiert. Nun, das Lustige ist: Sind es nicht die Anti-Ausländer-Stimmungsmacher, die ihre Parolen stets auftrumpfend damit rechtfertigen, man „werde DAS doch noch sagen dürfen!?“ Aber offenbar gilt das nur für sie.

Tom Schaffer hat auf zurPolitik.com unlängst darauf hingewiesen, dass die „Politische Korrektheit“ offenbar die Seiten gewechselt hat. Rechtes Gedankengut darf geäußert werden und werde mit der angeblichen Meinung des Volkes geadelt, wer dagegen spricht, wird niedergemacht – schließlich würde er ja die Meinung des Volkes mißachten. Unerheblich ist übrigens, ob diese angebliche populistische „Volks“meinung von 25, 15 oder nur 10 Prozent des Volkes geteilt wird – in jedem Fall ist es eine Minderheitenmeinung, die hier zur „Volksmeinung“ erhoben wird.

„Heute versuchen die Rechten ihr Gedankengut zum unantastbaren Tabu zu machen, wenn es argumentativ nicht haltbar ist – sie machen es zur Meinung, eine Meinung sei legitim, und sie zu missachten politisch inkorrekt. Begriffe verändern sich manchmal erstaunlich schnell.“

Fein, dass uns Herr Pröll wieder einmal gezeigt hat, wie sehr er für freie Meinungsäußerung ist. Man ist in der ÖVP für jedermanns Meinung offen, solange sie nicht von der ÖVP-Meinung abweicht.

UPDATE: Bundeskanzler Werner Faymann, stets bedacht, keine Gelegenheit auszulassen, sich lächerlich zu machen, hat mittlerweile auch reagiert:

„Bundeskanzler Faymann hat die Aussagen des türkischen Botschafters als „unprofessionell und inakzeptabel“ bezeichnet und sich darüber „empört“ gezeigt. Mit seinen Äußerungen habe Kadri Ecvet Tezcan nicht nur die Menschen im Gastland, demokratische Institutionen und die internationalen Organisationen in Wien „beleidigt, sondern auch keinen Beitrag zum Zusammenleben geleistet“, kritisierte Faymann.“

2 Gedanken zu „ÖVP will Kritik am liebsten verbieten lassen“

  1. Danke Robert, dass Du so klar aussprichst was ich mir auch gleich gedacht habe: der sagt doch nur was Sache ist, sonst gar nix.
    Wenn „Realitätsverleugung bis zur Pension“ die neue Maxime der SPÖVP-Politiker ist, dann braucht uns bald gar nix mehr wundern.
    (Aber ich wunder mich – als alte Optimistin – ja doch, und hoffe dass sie noch aufwachen.)

  2. „Tom Schaffer hat auf zurPolitik.com unlängst darauf hingewiesen, dass die „Politische Korrektheit“ offenbar die Seiten gewechselt hat. Rechtes Gedankengut darf geäußert werden und werde mit der angeblichen Meinung des Volkes geadelt, wer dagegen spricht, wird niedergemacht“
    Das faellt mir schon seit geraumer Zeit auf! Die „politische Unkorrektheit“ ist laengst zur „PI-Korrektheit“ geworden und eine erheblich schlimmere Landplage als es die „politische Korrektheit“ jemals war!
    MfG, Bernd F.

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