Dumm, dümmer, wirtschaftsliberal

Christian Lindner, Generalsekretär einer deutschen politischen Splittergruppe namens FDP, hat vor wenigen Tagen im Berliner „Tagesspiegel“ ein bemerkenswert-bizarres Meinungsstück abgeliefert. Darin grämt er sich über den Zuspruch, den die Studie „Gleichheit ist Glück“ der britischen Sozialwissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Picket erfährt.

Lindner feiert darin geradezu grobe materielle Ungleichheiten, denn die seien

die Hefe im Teig der Marktgesellschaft.

Nicht genung, stellt Lindner völlig argumentfrei fest:

Der Versuch des Buchs, den Vorrang der Gleichheit vor der Freiheit wissenschaftlich zu belegen, ist gescheitert.

Wär es nicht so ärgerlich, könnte man fragen: Wie heißt die Droge, die der Typ genommen hat? Aber im Ernst: Die Herrschaften sollen endlich aufhören, das hohe Wort der Freiheit in den Dreck zu ziehen und vor den Karren ihres miesen Egoismus zu spannen. Grobe materielle Ungleichheiten schränken ja gerade die Freiheit ein. Insofern ist Wilkinsons und Pickets Buch eine Anleitung dafür, wie man mehr Freiheit realisieren kann. Was dazu zu sagen ist, hab ich gerade erst im Grazer Schauspielhaus so formuliert: nämlich, dass

die Gleichheit nicht der Antipode der Freiheit ist, sondern ihr Zwilling. Die vielbeschworene „Optionen- und Risikogesellschaft“ bedeutet in der Realität: Optionen für die Einen, Risiko für die anderen. „Freiheit“ unter den Bedingungen von grober Ungleichheit heißt Freiheit für die Begüterten, aber Optionenmangel für die Unterprivilegierten. Dass eine egalitäre Gesellschaft nur auf Kosten der „Freiheit“ zu haben ist, ist vielleicht die allergrößte Lüge der neuen Konservativen. Gleichheit heißt nämlich, dass alle die „Freiheit“ haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Und Ungleichheit hat freiheitseinschränkende Wirkungen für die Unbegüterten, weil eklatanter materieller Mangel mit eklatantem Mangel an Optionen einher geht. Gleiche Lebenschancen geben allen Menschen die Freiheit, aus ihrem Leben etwas zu machen.

Ein Gedanke zu „Dumm, dümmer, wirtschaftsliberal“

  1. Freiheit und Gleichheit mögen Zwillinge sein, völlig gleichberechtigt sind sie aber meiner Meinung nach nicht
    Folgendes finde ich sehr passend. Es stammt von Christian Felber (der es aber, glaub ich, auch wieder von wo zitiert): Gleichheit ist der absolute Term (alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten). Freiheit ist relativ (meine Freiheit endet dort, wo die meines „Nächsten“ beginnt). Insofern steht Gleichheit vor Freiheit. Unschwer zu beobachten ist auch, daß die vielbeschworene Freiheit Weniger in einer neoliberalen Wirtschaftsordnung sehr oft zu Lasten Vieler geht (Billigfliegen – Klimawandel; Exportweltmeister – Lohndumping). Leicht ist es sicher nicht „gute“ Freiheiten und „schlechte“ auseinanderzuklauben aber laßt uns wenigstens darüber streiten. Im Übrigen bin ich der Meinung, daß die Diskussion im Grazer Schauspielhaus klasse war…

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