Austerity funktioniert nicht

Griechenland geht das Geld aus und braucht neue Hilfsmittel, und in unseren Breiten haben Politiker und Kommentatoren nichts anderes zu tun, als zu drohen: Geld gibt’s nur, wenn die Griechen ihre „Hausaufgaben“ machen, so die große Weltökonomin Maria Fekter, und Angela Merkel lässt gleich allen Südeuropäern ausrichten, sie sollten ordentlich arbeiten. 

Dabei haben die Griechen natürlich all das, was Maria Fekter „ihre Hausaufgaben“ nennt, längst getan: einen harten Sparkurs eingeschlagen (und außerdem Reformen gestartet, dass Steuern effektiv eingetrieben werden können, aber Staatsaufbau, und darum geht es, braucht halt länger als ein, zwei Quartale). Das Ergebnis des harten Sparkurses ist eben logischerweise ein Einbruch der Wirtschaftsleistung. Und damit steigen auch die Schulden im Verhältnis zum BIP, selbst dann, wenn die Schulden nominell sinken, weil sie relativ anwachsen, wenn das BIP sinkt. Und sie steigen natürlich auch, weil die Steuereinnahmen des Staates zurück gehen, wenn die Einkommen der Unternehmen und der Bürger sinken. 
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hat das in seiner jüngsten NYT-Kolumne mal wieder hervorragend beschrieben: 
European leaders offered emergency loans to nations in crisis, but only in exchange for promises to impose savage austerity programs, mainly consisting of huge spending cuts. Objections that these programs would be self-defeating — not only would they impose large direct pain, but they also would, by worsening the economic slump, reduce revenues — were waved away. Austerity would actually be expansionary, it was claimed, because it would improve confidence. 
Europe’s troubled debtor nations are, as we should have expected, suffering further economic decline thanks to those austerity programs, and confidence is plunging instead of rising. It’s now clear that Greece, Ireland and Portugal can’t and won’t repay their debts in full, although Spain might manage to tough it out. 
Austerity, also scharfe Sparprogramme, haben schmerzhafte Folgen: Ganze Generationen kommen nicht mehr in den Arbeitsmarkt hinein, oder müssen sich mit schlecht bezahlten Praktikantenjobs zufrieden geben, die Menschen können kaum über die Runden kommen. Aber es bleibt auch die Wirtschaftsleistung als ganzes unter ihrem Potential – ein Wohlfahrtsverlust, der sich nie mehr aufholen lässt. Spaniens Jugend steht gerade dagegen auf, dass ihr auf diese Weise die Zukunft geraubt wird. Nur, all dieses menschliche Leid ist notwendig, wird uns gesagt, weil diese Länder ihre Schulden abbauen müssen (die entweder Staatsschulden sind oder die Schulden der Banken, die die Staaten übernehmen mussten, was im Ergebnis keinen Unterschied macht, wenngleich einen erheblichen in Hinblick darauf, wie es überhaupt so weit kam). Und, so sagt man uns weiter, dieses menschliche Leid wird sich auch „rechnen“, weil es dann wieder bergauf gehen würde, wenn die Schulden abgebaut sind. Das ist doch die Philosophie hinter diesen „Hausaufgaben“-Ratschlägen. 
Aber wer einigermaßen Augen hat, zu sehen, der wird schnell bemerken, dass das nicht nur a) menschliches Leid verursacht, sondern b) überhaupt nicht funktioniert. Diese Rezeptur treibt die Länder nur tiefer in die Depression und damit auch in die Schuldenspirale. 
Was sollten intelligente Wesen, und das sind Menschen nun einmal im Unterschied zu, sagen wir einmal, Amöben, daraus für einen Schluss ziehen? Die Austerity-Anhänger haben ihre Chance gehabt. Es hat nicht funktioniert. Man hätte es schon vorher wissen können, aber bitte schön, jetzt sind wir auch noch aus Erfahrung klüger. Und was sich als nicht funktional erwiesen hat, sollte man schleunigst aufgeben. 
Update, 11.49 Uhr: 
Ein sehr kluger Artikel des deutschen Nationalökonomen Gerd Grötzinger findet sich dazu auch in der heutigen taz. Er schreibt: 
Sie haben einfach keinen Plan. Nicht in Berlin, nicht in Brüssel, nicht in Washington. Und der, den sie mal hatten, der war eine Katastrophe: Griechenland sollte darin auf Teufel komm raus sparen, um so vermeintlich die Finanzmärkte zu beruhigen.
Dumm nur, dass auch die meisten Analysten die ein oder andere Volkswirtschaftsvorlesung besucht hatten. Die konnten sich ausrechnen, dass bei dieser Kombination von hohem Verschuldungsgrad und schwacher Wirtschaftslage eine Sparpolitik à la Reichskanzler Brüning das Elend nur verschlimmern würde.
Natürlich ist die Aufgabe nicht einfach. Immerhin sollen drei Ziele gleichzeitig erreicht werden. Erstens darf es infolge der griechischen Krise nicht zu einem großen Bankenkrach kommen. Eine neue Megakrisis in der Finanzwirtschaft nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers wäre bei einer immer noch angeschlagenen Weltwirtschaft vielleicht genau der eine Schock zu viel. Zweitens aber muss dem überschuldeten Land die Chance gegeben werden, sich eines Teils seiner Verbindlichkeiten zu entledigen, da sonst keine Hoffnung auf eine tragfähige wirtschaftliche Entwicklung gegeben ist.
Grötzingers Antwort: Beteiligung jener Vermögenden und Institutionen, die griechische Anleihen halten, aber auf eine Weise, die keinen Bankencrash nach sich zieht. Plus Erhöhung der Vermögenssteuern in den betreffenden Ländern. Wie das gehen könnte beschreibt er im Detail hier

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