Joschka als Kanzler?

Am Wochenende war ich mal wieder in Berlin. Und da kennen die „Chattering Classes“ gerade nur ein Thema: Wird Joschka Fischer als Kanzlerkandidat der Grünen 2013 ins Rennen gehen? Und kann es dann wirklich so kommen, dass Joschka Fischer der erste Grüne Kanzler der Republik wird? 

Kollegin Bettina Gaus hat das in der „taz“ gerade so beschrieben: 
„Noch im April habe ich laut gelacht, wenn über einen möglichen Kanzlerkandidaten oder gar Bundeskanzler Fischer gesprochen wurde. Inzwischen lache ich nicht mehr… Niemand, mit dem man über das Thema redet, bezweifelt, dass Fischer gerne gerufen würde.“

Alle, ob Grüne, Sozialdemokraten oder Konservative, sind ganz elektrisiert von dem Thema. Alle aus etwas unterschiedlichen Gründen. Die Grünen, weil sie wissen, dass natürlich die gegenwärtige grüne Führung, allen voran Jürgen Trittin und Renate Künast, ihre Sache hervorragend machen und niemand von den beiden gerne das alte Schlachtross Fischer zurückrufen würde wollen. Aber gleichzeitig wissen natürlich  alle, dass Fischer auch weit ins liberale und konservative Milieu hinein Stimmen fischen könnte – besser als das Trittin und Künast gelänge. Die paar Prozent, die vielleicht nötig sind, um die SPD zu überholen – die könnte Fischer bringen. 
Bei den Sozialdemokraten ist das Thema Fischer natürlich gerade deshalb eine elektrisierende Causa: Man sieht sich schon vom zweiten auf den dritten Platz verdrängt, wenn Fischer antritt. Mit dem Fischer-Thema verhandelt man quasi mit, dass die SPD derzeit über keinen potentiellen Kanzlerkandidaten verfügt. Parteichef Gabriel hat Schwung, aber womöglich zuwenig staatsmännisches Standing. Fraktionschef Steinmeier hat staatsmännische Seriosität, aber rockt etwas wenig in einem Wahlkampf – außerdem hat er mit 23 Prozent ja die schwerste Niederlage der Sozialdemokraten eingefahren und Hartz IV hängt immer noch an seinem Bein. Nur unter diesen Umständen kann man überhaupt auf die Idee kommen, ein aufgeblasener Sich-Selbst-Wichtignehmer wie Peer Steinbrück, der jede Wahl, die er je schlagen musste, verloren hat, wäre ein Kanzlerkandidat für die Sozialdemokratie. Also man weiß insgeheim: Ein Politrocker wie Fischer würde alle drei potentiellen Kandidaten an die Wand spielen, die Grünen würden die SPD möglicherweise tatsächlich überholen und dann gäbs Grün-Rot im Bund. Und schließlich die Union: Die weiß, dass es ohnehin knapp für sie wird. Zwar wird sie wohl stärkste Partei bleiben. Aber mit den schwächelnden Liberalen ziemlich sicher keine Mehrheit mehr zusammen bringen. Rot-Grün möglicherweise auch nicht (schließlich gibts ja noch die Linkspartei im Parlament). Aber möglicherweise eben doch, wenn ein charismatischer Kandidat die drei, vier Zusatzprozente holt, die einen Wahlerfolg von einem Wahlsieg unterscheiden. Und vor allem wissen gerade moderate, urbane Christdemokraten: Einer wie Fischer knöpft ihnen die letzten bürgerlichen Großstadtwähler ab. 
Wieauchimmer: Joschka als Kanzler, das wär schon eine Karriere…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.