Abrüstung der Worte?

Auf eine der eigentümlichen Eigentümlichkeiten des öffentlichen politischen Diskurses hat Paul Krugman dieser Tage im Zusammenhang mit den republikanischen Fanatikern hingewiesen, die einen Staatsbankrott und einen katastrophalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft in Kauf nehmen, nur um Barack Obama eines auswischen zu können. 

Diese Eigentümlichkeit besteht in der Obsession vieler Kommentatoren, eine irgendwie geartete Mittelposition einzunehmen, ausgewogen zu sein, beide Seiten zu Kompromissen aufzufordern. Um ja nicht „parteiisch“ zu erscheinen. Wenn auf der einen Seite die Vernunft steht und auf der anderen der Irrsinn, würden sie noch zu „Kompromissen“ und zu „Mäßigung“ aufrufen. 
Würde eine Seite von der bekannten Tatsache ausgehen, dass die Erde eine Kugel ist, die andere Seite aber behaupten, die Erde sei eine Scheibe, würden sie noch schreiben, „A meint, dass die Erde eine Kugel ist, B meint, sie sei flach. Die Frage ist umstritten, und keine Seite ist bereit, von den eingefahrenen Positionen abzurücken“
Eine bizarre Objektivität, von der ich, wie unschwer zu erraten ist, nichts halte. 
Aus dem selben Grund halte ich auch die allgemeinen Aufrufe zu einer „Abrüstung der Worte“ nach den Anschlägen von Oslo für grotesk. Es gibt eine Strömung, die hat jahrelang Hetze betrieben, und einer aus dieser Strömung hat einen Massenmord begangen. Was soll da ein Appell an die Opfer dieses Massenmordes zur allgemeinen „Abrüstung der Worte“? 
Es sind immer die Rechten, die „Ausgewogenheit“ anmahnen, aber damit nichts anderes meinen, als dass man ihrem Irrsinn irgendwelchen Respekt entgegen zu bringen habe. 

2 Gedanken zu „Abrüstung der Worte?“

  1. @ Robert Misik: Da machen Sie schon einen guten Punkt und abstrahierend von jeglichen konkreten Sachverhalten lässt sich generell feststellen, dass der sogenannte goldene Mittelweg zwischen zwei Positionen eben nicht per se besser als eine beliebig gewählte Position irgendwo dazwischen. Allerdings habe ich in den letzten Jahren bei der Lektüre Ihrer Artikel den Eindruck gewonnen, dass Sie beim Thema Nahostkonflikt selbst oft auf genau solche Argumentationsmuster zurückgreifen, wie Sie sie im Artikel beschreiben. Das ist nur ein für mich lustiges Detail am Rande, weil die im Artikel formulierte Kritik genau die wäre, die ich in Ihren Artikeln zu Israel/Palästina-Themen geübt hätte.

  2. Endlich mal jemand der klare Worte findet, die ich sonst in der deutschen Kommentatorenlandschaft vermisse.
    Die unwürdige Schau die die Konservativen und Rechten im Moment abziehen lässt einen echt verzweifeln.
    Aber wir dürfen nicht verzweifeln. Dem Hass der Broderfans und PI-Leser werden wir mit Solidarität begegnen, ihren Versuchen uns zum Schweigen zu bringen damit noch lauter zu sein und ihre Verachtung für alles Fremde mit noch mehr Mut zur Annäherung bekämpfen.
    Ich habe Sie auf dem IUSY Festival gesehen und wollte hier auch danke sagen, dass Sie da waren. Es tut wirklich gut, auch mal freundlich gesonnene Journalisten auf unseren Zusammenkünften zu sehen!

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