Mit diesen Widersprüchen muss man… sterben

Folgenden Kommentar zu den deutschen Panzerlieferungen an Saudi-Arabien habe ich für die Sendung „Resonanzen“ von WDR-3 geschrieben. Hören kann man ihn hier. (Unter dem Intro auf den „Beitrag hören“-Button drücken)
Si vis pacem para bellum, Wer den Frieden will, der rüste sich für den Krieg, die alte römische Formel lernen die Gymnasiasten noch heute im Lateinunterricht. Und für die Politik heißt das unter anderem: Weil es Kriege geben könnte, braucht man eine Rüstungsindustrie, auch wenn man selbst natürlich nie einen Krieg führen wolle, bestimmt nicht, versprochen, großes Kanzlerinnen- und Ministerehrenwort. Und weil man, um für die theoretische Möglichkeit eines Krieges gewappnet zu sein, eine Rüstungsindustrie braucht, braucht man dann aber, schließlich leben wir ja in einer Wirtschaft, wo sich das Angebot eine Nachfrage sucht, gefälligst Abnehmer. Wer also den Frieden will, braucht eine Rüstungsindustrie, und wer eine Rüstungsindustrie hat, der braucht dann irgendwann irgendwo Kriege, weil sonst wird das ja nichts mit dem Geschäft. 
Für die Rüstungsindustrie sind Friedenszeiten, schlimme Zeiten, wie das die „Süddeutsche“ heute formulierte. 
Mit einem Wort, in der kapitalistischen Marktwirtschaft ist das so: Wer den Frieden will, der braucht am Ende Kriege, an denen er verdienen kann. Dafür gibt’s leider kein lateinisches Sprichwort. 
Es beginnt damit, dass die Politik meint, dass man eine Rüstungsindustrie braucht, und dann wächst die Rüstungsindustrie und wächst, bis sie solch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor wird, dass nicht mehr die Politik über die Rüstungsindustrie bestimmt, sondern die Rüstungsindustrie über die Politik. 
Für diesen Mechanismus haben wir seit den fünfziger Jahren einen Begriff, dem vom militärisch-industriellen Komplex. Damals haben wir den auf die USA des Kalten Krieges gemünzt. Heute ist Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, gleich nach den USA und Russland. 
Und da lernen wir wieder einmal: Alle Friedensbotschaften sind Schall und Rauch, alle Beschwörung der Menschenrechte und der Kultur friedlicher Konfliktbereinigung bleiben Sonntagsreden, wenn eine wichtige Branche in jeder Konfliktzone einen Absatzmarkt und in jeder politischen Krise eine Geschäftsmöglichkeit sieht. 
Oh ja, wir stehen ganz fest auf der Seite der arabischen Demokratiebewegungen. Und wenn die mit Waffengewalt niedergeschlagen werden, wie etwa der Aufstand in Bahrein durch saudische Interventionstruppen, dann sind wir ehrlich empört. Und wenn das demnächst mit deutschen Waffen geschieht, dann ist uns das extrem peinlich. Und zwischendurch kassieren wir ab. 
Denn schließlich müssen wir ja auch an die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie denken, 80.000 arbeiten ja noch in dieser Branche, und wenn es zu viel Frieden gibt, dann kämpft die Branche ums „überleben“, während sie richtig boomt, wenn genügend Menschen vom Leben zum Tod gebracht werden. 
Ja, dafür haben wir Geld, sagen nun die Nörgler, während wir für Schulen, für Universitäten, für die Kunst, kurzum also, für unsere Kultur kein Geld haben, für Panzer haben wir Geld. Aber schon diese moralisch gut begründete Empörung hat natürlich einen Haken: Sogar die Universitäten, die Kunst, die Schulen, die Kultur, sie profitieren ja davon, wenn die Rüstungsfirmen satte Aufträge bekommen, schließlich zahlen ja die Firmen Steuern, und ihre Beschäftigten zahlen auch Steuern. 
Die Realisten sagen: Mit diesen Widersprüchen muss man leben. Am besten, meinen sie insgeheim, sagt man nicht dazu, dass manche mit diesen Widersprüchen, an diesen Widersprüchen sterben müssen. 

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