Schwerste rechte Niederlage seit Mai ’45

Die Kärntner, die Jörg Haider groß gemacht haben, wählen jetzt Rot-Grün. Ja, wie geht das denn? die tageszeitung, Berlin, 5. März 2013
Als sich am Sonntag so gegen 18 Uhr das Endergebnis der Kärntner Landtagswahlen abzeichnete, wollten die Österreicherinnen und Österreicher kaum ihren Augen und Ohren trauen. Jörg Haiders Erben, die „Freiheitlichen in Kärnten“, sind im rechtspopulistischen Kernland nicht nur krachend abgewählt worden; knapp 28 Prozentpunkte haben sie verloren, sodass sie nunmehr gerade noch bei 17 Prozent rangieren. Mehr noch: Rot-Grün landet nur knapp unterhalb der 50 Prozent-Marke und könnte mit den Wahlkartenwählern eine Mandatsmehrheit erhalten. 
Rot-Grün! In! Kärnten!, das war noch vor wenigen Monaten so in etwa das politisch Unvorstellbarste überhaupt, und auch bis vorgestern ziemlich unwahrscheinlich. 
Wie auch immer die Mandatsverteilung am Ende sein wird: Ein linker, intellektueller sozialdemokratischer Philosoph namens Peter Kaiser wird nächster Kärntner Landeshauptmann und gemeinsam mit den Grünen das Land regieren. Sollte es mit der rot-grünen Mandatsmehrheit doch nicht reichen, wird die Sache sogar noch interessanter: denn es ist jetzt schon klar, dass Kärntens ins Seriöse gewendete konservative „Volkspartei“ dann eben mit in die Regierung einzieht. Erstmals werden dann Konservative als dritter Partner in eine rot-grüne Regierung eintreten. 

Freilich: Ganz so überraschend, wie es für Beobachter aus der Ferne erscheinen mag, ist das Ergebnis doch wieder nicht. Denn was sich der 2008 verstorbene Haider und seine Nachfolger alles geleistet haben, kam in den vergangenen Jahren Stück für Stück ans Licht. Sie haben das Land ausplündert, den Haushalt und staatsnahe Betriebe wie ihr Privateigentum behandelt, sie haben versucht, Staatsbürgerschaften an russische Millionäre zu verkaufen, und sich auch sonst ziemlich aufgeführt. Noch Haider hat in einer buchstäblich kriminellen Operation die Landesbank Hypo Alpe Adria (eine Bank, die de fakto bankrott war) an die bayrische HVB verscherbelt – vorher dem Land aber noch Bürgschaften von 4 Milliarden Euro umgehängt, für die jetzt alle österreichischen Steuerzahler gerade stehen müssen. Kaum einer der FPK-Spitzenleute, der nicht rechtskräftig verurteilt oder Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist. Bloß der bisherige Landeshauptmann Gerhard Dörfler hat juristisch eine weiße Weste, aber nur deshalb, weil Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch mit dem Argument eingestellt wurden, er sei wegen „Unwissenheit nicht schuldfähig“. Soll heißen: Weil er die Gesetze leider nicht verstehen konnte, könne er nicht bestraft werden. So war Dörfler der einzige Landeshauptmann mit einem amtlichen Deppenzertifikat. Wurde Haider bewundert und auch gefürchtet, so haben über die Dolme, die in seine Fußstapfen treten wollten, am Ende alle einfach nur mehr gelacht.
Dass die Diebe und Schlawiner abgestraft werden würden, war also klar – nur das Ausmaß ist ein wenig überraschend. 
Kommentatoren sprechen nun unisono vom endgültigen Ende des Haider-Modells. Tatsächlich ist das Wahlergebnis, so betrachtet, richtiggehend spooky. Die letzte Wahl hatten Haiders Leute kurz nach dem Tod des Oberpopulisten noch mit der Mitleidsmasche triumphal gewonnen – in einem gewissen Sinne war schon damals ein Toter gewählt worden. Und diesmal wurde der Tote eben abgewählt. Für Haider war Kärnten immer sein politisches Basislager: Hier wurde er 1989 erstmals zum Landeshauptmann gewählt, ein Amt, das er 1999 zurückeroberte und bis zu seinem Tod bekleidete. 
Aber Haider, das war nicht nur rechte Politik, sondern auch ein politischer Stil: Kumpelhafte Volksnähe, Großevents, fröhliches Geldverteilen, lustiges Spaßvögeltum, kein Scheren um Regeln und vor allem Politik als Entertainment. Wenn jetzt gerade ein Peter Kaiser triumphiert, dem man nachsagt, er sei so nachdenklich und seriös, dass er geradezu fad ist, dann muss man präzisieren: Er wurde wohl nicht gewählt, obwohl er fad ist, sondern weil er fad ist. Von den lustigen Schlitzohren sind die Kärntner für’s erste geheilt. 
Jetzt scherzen Polit-Comedians schon: Das ist die schwerste Niederlage des „freiheitlichen“ Lagers seit Mai 1945. Damit hat auch die große Schwesterpartei der FPK, die rechtsradikale FPÖ mit ihrem Anführer Heinz-Christian Strache, ein Problem. Doch man sollte es auch nicht überschätzen. Die Abrechnung mit der FPK war doch eine sehr lokale Angelegenheit. 
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