Die Pessimisten-Gesellschaft

Es braucht endlich eine Politik, die Hoffnung gibt, statt Gegeneinander und Deprimiertheit.

Was oft sehr ungenau als „Polarisierung“ beschrieben wird hat auch viel mit allgemeiner Gereiztheit zu tun. Das Eigentümliche an dieser Gereiztheit ist, dass es zwar Streit gibt, aber eigentlich keine positiven Ideen. Es gibt viel Empörung, genügend Anlass zur Nörgelei, viel Enttäuschung, aber so verdammt wenig Dinge, für die man sich begeistern kann. Noch nie war so wenig Optimismus wie in unserer Epoche, und das hat lange vor der Pandemie begonnen. Wo sind die Politiker, die, statt zu spalten, ein Bild einer Zukunft entwerfen, für das man sich begeistern könnte?

Zeichnet man ein etwas grobes Bild des Zeitgeistes und der damit verbundenen politischen Landschaft, dann können wir es so skizzieren: Der gesellschaftliche Wandel überfordert viele, Aufstieg zu mehr Wohlstand ist kaum mehr mit normaler Arbeit zu schaffen, und in das Leben vieler Menschen zieht immer mehr wirtschaftlicher Druck ein. Dazu kommt: Klimawandel, diverse Bedrohungsgefühle. Kaum ein gewinnendes Bild von gesellschaftlichem Fortschritt ist vorhanden.

Politisch ist das die Stunde von Populisten, die die allgemeine Deprimiertheit im Wut verwandeln, die Leute aufganseln, damit sie Wählerstimmen ergattern. Für die FPÖ ist das seit Jahrzehnten ihr Geschäftsmodell, Sebastian Kurz hat ihr dieses Modell der spalterischen Politik abzunehmen versucht, womit er einen Überbietungswettbewerb gestartet hat, der zu noch mehr schlechter Stimmung führte. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Weltverbesserer kaum mehr Zeit zur Weltverbesserung hatten, sondern nur mehr Verschlechterungen bekämpften. All das ist extrem ungesund für eine politische Kultur und für den gesellschaftlichen Fortschritt. Gut, dass Sebastian Kurz jetzt weg ist. Aber damit ist natürlich das Problem nicht aus der Welt.

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Es ist hoch an der Zeit für eine Politik, die Ideale und packende Ideen und Optimismus hat und ein klares Programm, das auch wieder Hoffnung gibt. Wir brauchen ordentliche Mindestlöhne. Menschen, die gute, harte Arbeit leisten, müssen von dieser auch ordentlich leben können. Wir brauchen Ordnung auf den Arbeitsmärkten, damit diese moderne Lohnsklaverei für Mini-Honorare aufhört. Wir brauchen einen Wohnungsbau wie aus der legendären Zeit des Roten Wien, in dem perfekte Wohnungen für die normalen Leute geschaffen wurden. Wir brauchen aber auch eine Idee von einer besseren Gesellschaft mit mehr Freiheit, mit Schulen, in denen alle Kinder die Chance haben, ihre Talente zu entwickeln. Alle Menschen haben Potentiale, und wir als Gesellschaft haben das Potential zu einer Gemeinschaft zu werden, die reicher ist, nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch in ideeller Hinsicht. Niemand ist mehr Wert als der andere, alle haben das Recht auf Respekt und an Anerkennung, egal, in welche Familien sie hineingeboren sind. „Wir sind die richtigen Freunde der einfachen Leute“, hat Olaf Scholz, der neue deutsche Bundeskanzler am Wochenende gesagt. So etwas würde man sich hier auch einmal wünschen.

Und, ja, wir können auch Gesellschaften mit mehr Reichtum schaffen, ohne die Umwelt zu ruinieren, es braucht dafür nur etwas Anstrengung, Schwung und Erneuerungsgeist. Pessimisten und Kleingeister haben noch nie etwas zuwege gebracht.

Christian Kern, der letzte SPÖ-Kanzler, seinerzeit in seiner Antrittsrede diesen phantastischen Satz gesagt: „Ich will nicht ihre Ängste schüren, ich will ihre Hoffnung nähren.“ Es braucht wieder mehr von diesem Geist.

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