Die FPÖ – eine einzige Skandalorgie

Man kann sich um den Kampf gegen die reaktionäre Ideologie nicht herum drücken.

Zackzack, Juni 2023

Unterstellen wir für einen Augenblick, dass es der ÖVP und Karl Nehammer irgendwie ernst wäre mit der Bekämpfung der FPÖ und dem „Sicherheitsrisiko“ Herbert Kickl. Okay, das bedarf natürlich einiger kognitiver Verrenkungen. Ohne Blauäugigkeit, die beinahe schon an Unzurechnungsfähigkeit grenzt, ist das natürlich schwer hinzubekommen. Schließlich koaliert die ÖVP in drei Bundesländern mit den „Sicherheitsrisiken“, darunter auch mit der Niederösterreich-FPÖ, die den rechtesten Rand vom rechten Rand darstellt. Aber versuchen wir es nur für einen Moment.

Dann ist es doch völlig verrückt, anzunehmen, dass man nahezu alle Rechtsaußen-Themen der FPÖ übernehmen kann, auch den Stil des Niederträchtigen, den Eifer der Bösartigkeit (Karl Mahrer!), und die identitätspolitische Besessenheit, mit der man nebensächliche Kulturkampfthemen zu zentralen Fragen aufbläst (Normaldenker-Hanni!) – und dennoch glauben könnte, es ließe sich zeitgleich vor der radikalen FPÖ warnen.

So nach dem Motto: „Wir sind längst ebenso radikal und kaputt in der Birne, deswegen wählt uns, weil wir sind irgendwie trotzdem vernünftiger.“

Indem man Niederträchtigkeit und Bösartigkeit, aber auch die Kulturkampf-Besessenheit mit ihren Irrsinnigkeiten wie die Schnitzelpolizei und die Gender-Verbote „normalisiert“, bereitet man natürlich den Boden. Weil man einen Echoraum schafft, in dem nur mehr FPÖ-Themen hochgejazzt werden.

Echoräume, in der die FPÖ gedeiht

Alleine die Idee, dass so etwas Verrücktes funktionieren könnte, ist absurd.

Also, noch einmal. Unterstellt, der ÖVP wäre es mit dieser Strategie ernst: Es ist vollkommen verrückt, alle öffentlichen Diskurse in Richtung FPÖ-Meinungen zu verschieben und zu glauben, damit könnte man die FPÖ bekämpfen.

Aber da ich heute in unpolemischer, also nachdenklicher Stimmung bin, wollen wir großzügig feststellen: Es gibt zwei fragwürdige, kursierende Strategien, wie man die FPÖ bekämpfen könnte.

Die eine ist die eben erwähnte der ÖVP: Die FPÖ völlig kopieren, die von ihr vertretenen Meinungen so lange unterstützen, bis sie tatsächlich die Meinungen des Mainstreams sind, und dann zu glauben, man könnte der FPÖ das Wasser abgraben.

Dem Konflikt ausweichen?

Irrglaube Nummer zwei gibt es aber auch und er ist in Teilen der Linken und der progressiven Milieus beliebt: Die Annahme nämlich, man würde die FPÖ am besten bekämpfen, wenn man einfach auf völlig anderem Diskurs-Terrain agiert. Was heißt: Man bekämpft die FPÖ nicht wirklich, sondern ignoriert die Meinungen, die sie trommelt. Man weicht dem Konflikt aus. Man bekämpft die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas nicht, man läuft ihr nicht in die Falle, wie das so schön heißt, man wirbt nicht mit Verve für die Werte einer diversen, pluralistischen, modernen Gesellschaft, man verteidigt nicht die multikulturelle Identität und die Vielfältigkeit an Lebensstilen – sondern man redet einfach über die sozialen Bedrängnisse der breiten Mehrheit. Die Vorstellung ist also: Man bekämpft die FPÖ, ohne eine harte Auseinandersetzung über den Charakter der FPÖ. Die Strategie lautet: Man könne sie schlagen, indem man die Debatten auf andere Felder lenkt, ohne dass man die Auseinandersetzung um die eigenen progressiven Werte führen müsste.

Quasi: Ihr wollt Rugby spielen? Macht ruhig, wir spielen derweil Federball!

Nur damit mich niemand falsch versteht: Es spricht überhaupt nichts dagegen, die eigene politische Kommunikation und den politischen Kampf auf Felder sozialer Gerechtigkeit zu führen. Denn die Bedrängnis und die materiellen Sorgen, aber auch das Gefühl, in der Arbeitswelt immer mehr als Nummer behandelt zu werden, all das belastet die breite Mehrheit. Dass es endlich wieder gerecht zugehen muss, dass es Zeit für mehr Solidarität ist, dass der Wert der Gleichheit wieder hochgehalten werden muss, das ist klar – gerade in der Hölle des Neoliberalismus, der es geschafft hat, alle Untergruppen der Gesellschaft gegeneinander aufzuhetzen. Das Gefühl, verlassen zu sein, das weite Milieus unserer Gesellschaft befallen hat, ist ein fruchtbarer Humus für die Rechten.

Natürlich hat ein „Sozialfightertum“ für Linke eine Zentralität. Nur: Man darf auch nicht feig dem Kampf um die Werte einer Gesellschaft aufgeben, in der den Unterprivilegiertesten geholfen werden soll, in der alle Diskriminierungen geächtet sein sollen, in der jeder und jede Respekt und Anerkennung genießen sollen – und alle zu „unseren Leuten“ zählen, egal ob sie Zeynep oder Christian, Ibrahim oder Herbert heißen (okay, der eine Herbert nicht unbedingt).

Demokratie, Pluralismus, die Freiheit der Kunst, die Grundrechte und die Pressefreiheit, die Ausweitung von Freiheiten von Lebensstilen, der entschiedene Kampf gegen Autoritarismus und die Ideologie des Faschismus – all das darf nicht als Nebensache betrieben werden. Es ist falsch, aus Feigheit diese Debatte zu scheuen. Es ist aber auch falsch, zu glauben, dass man diese Debatte nicht gewinnen kann. Denn diese Annahme steht ja letztlich hinter dieser „Theorie“.

Die Werte von Pluralismus und Liberalität verteidigen

Wer daran zweifelt, kann eigentlich sowieso gleich aufgeben. Natürlich ist die Mehrheit für die demokratische Vernunft zu gewinnen.

Nur, und damit zurück zum Ausgangspunkt: Wenn man der FPÖ permanent quasi recht gibt, aber dann leise anmerkt, man solle sie nicht wählen, wird das nichts werden. Die Aufgabe besteht im Gegenteil darin, die reaktionäre Ideologie anzugreifen. Diese hat stets – in der Geschichte und in der Gegenwart – Gesellschaften nur ruiniert. Extremistischer Nationalismus, die Verteufelung von Sündenböcken und das Schüren von Hader gegen Minderheiten zerstören Gemeinwesen.

Eine Partei liegt bei 30 Prozent in den Umfragen, die, wenn immer sie regierte, an nichts anderem interessiert war, als ihre Günstlinge in lukrative Positionen zu bringen und Geld in die eigenen Taschen zu wirtschaften.

Ihr letzter Vizekanzler leistete sich einen frivolen Lebensstil auf Parteikosten.

Die FPÖ – eine einzige Skandalorgie

Ihre Grazer Gemeindratsfraktion gibt es quasi nicht mehr, da sich die Funktionäre nach Korruptionsskandalen gewissermaßen gegenseitig ausgeschlossen haben. Am Ende wurden jene ausgeschlossen, die die unsauberen Praktiken aufklären wollten. Der Ausschluss erfolgte mit Goodwill von Pseudo-Saubermann Herbert Kickl. Unzählige Ermittlungsverfahren sind anhängig, in zwei Causen hat die Staatsanwaltschaft auch die Auslieferung des Landesvorsitzenden der Partei, Mario Kunasek, beantragt. Die Vorwürfe, die im Raum stehen, sind haarsträubend. Von mutmaßlicher Untreue, Veruntreuung, Betrug, NS-Wiederbetätigung und Drogenhandel im Umfeld der Partei – alles dabei. Es gibt Selbstanzeigen, Massenrücktritte. Ohnehin wurde viel zu schleppend ermittelt. Erst als das Verfahren von der Grazer zur Klagenfurter Staatsanwaltschaft wanderte, kam etwas Schwung in die Sache. Doch für Schlagzeilen sorgt das komischerweise nicht. Wahrscheinlich, weil sowieso alle davon ausgehen, dass es bei der FPÖ derart zugeht.

Kickl selbst hat ja auch schon einmal von der Sanftheit der Ermittler profitiert. Die Firma „Ideenschmiede“ hat für Aufträge des Landes Kärnten in der blauen Ära einfach 20 Prozent an die Partei zurück überwiesen. Die Verstrickungen Kickls konnten nie geklärt werden, weil Erhebungen auf wundersame Weise von den ÖVP-Seilschaften verhindert wurden. Es gab glasklare Zeugenaussagen von Beteiligten, es gab Treuhandverträge, aber Kickl musste nicht einmal vor Gericht eine Aussage machen. „Die WKStA wollte gegen Kickl ermitteln, aber ein Antrag, ihn auszuliefern, wurde per Weisung des damaligen Sektionschefs Christian Pilnacek untersagt“, weiß der „Falter“. Ja, Pilnacek, den Namen kennt man ja von irgendwo. Schön für Kickl, dass sich alles so zur Zufriedenheit erledigte. Steht ihm ja gut, die weiße Weste.

Wo immer man hinsieht, ein Sumpf. Wie jener Mann, der vorvergangenes Jahr einen Anschlag auf das Volksstimmefest plante und vom Verfassungsschutz rechtszeitig aus dem Verkehr gezogen wurde. Der war früher FPÖ-Funktionär, dann Mitläufer der Identitären, Fan des Massenmörders Breivik. Als FPÖ-Ortschef wurde er laut Recherchen von „Stoppt die Rechten“ erst rausgeworfen, als bei ihm Kindesmissbrauch-Darstellungen gefunden wurden.

Es ist einfach eine feine Gesellschaft, die sich da tummelt.

Aber das wird alles so hingenommen und nicht besonders skandalisiert. In Oberösterreich wurde bei Rechtsextremisten unlängst ein Waffenarsenal gefunden, das für eine mittlere Privatarmee gereicht hätte. Sturmgewehr, Glock-Pistolen, sogar Maschinengewehre. „Die ganze Landesregierung ist daran interessiert, dass entschieden gegen den Extremismus vorgegangen wird“, sagt Landeshauptmann Thomas Stelzer plötzlich. Man ist nicht ganz überzeugt, dass das so der Wahrheit entspricht, wenn man sich ansieht, mit wem die ÖVP in Oberösterreich koaliert. Bisher hat man ja eher wenig davon gemerkt.

Man stelle sich einmal vor, bei Islamisten würde ein Waffenlager gefunden, mit dem man ein ganzes IS-Bataillon ausrüsten könnte – was da los wäre. Da würde das gesamte Sympathisantenmilieu hochgenommen. Aber die FPÖ- und Identitären-Seilschaften bleiben verschont, wenn rechte Terrorgangs hochgehen. Man spricht dann sogar von „Rockern“, als hätten sie ihre Hakenkreuzfahnen nur zufällig auch im Depot.

Die Selbstradikalisierung dieser Milieus wird von Kickl und seinen Leuten noch stets befeuert. Den Wiener Neustädter Radikalinski, der vor wenigen Jahren die Identitären herzlich im Herz seiner Stadt willkommen hieß, machte Kickl zum Generalsekretär. Michael Schnedlitz nämlich. Während des Corona-Leugner-Irrsinns schrie er von der Bühne der Wochenend-Demos herab, die damals regelmäßig die Wienerinnen und Wiener terrorisierten, dass hier zusammen wachse, was zusammen gehört. Damals wuchsen spinnerte Esoteriker, gewaltbereite Verschwörungstheoretiker und Nazi-Anführer rund um Gottfried Küssel ganz famos zusammen. Kickl rief sogar zu einem Aufmarsch in den Prater, in Anschluss daran wurde einem privaten Sicherheitsmann, der völlig unbeteiligt war, ein Bein gebrochen.

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Apropos, Küssel: Den Wiederbetätigungs-Veteranen ruft man schon mal, wenn man ihn braucht. In Niederösterreich darf jetzt als Abgeordneter einer Regierungsfraktion Herr Hubert Keyl die Geschicke des Landes mitbestimmen. Der bekam bei einer Schlägerei in einem Rotlicht-Lokal einiges ab, so dass seine Frau, selbst FPÖ-Mitarbeiterin, seinerzeit Küssel zu Hilfe rief. Schön, wenn man Freunde hat. Wohl nur Zufall, dass in Korneuburg, wo Keyl in der FPÖ das Sagen hat, die Jugendorganisation nunmehr von einem jungen Mann geleitet wird, den man bisher als Aktivisten der Identitären kannte. So fügt sich alles wunderbar. Solchen Leuten gab Johanna Mikl-Leitner quasi den Zweitschlüssel zum Regierungsapparat. Das ist wahrscheinlich eine Vorgangsweise für „Normaldenkende“ der niederösterreichischen Version.

Ausstiegsprogramme aus der rechten Sekte

Das Gesellschaftsbild ist das einer „Festung“, in die niemand mehr hineindarf. Und in der sich, wenn er es schon hineingeschafft hat, jeder jahrzehntelang hinten anstellen muss, bis er dazu gehört. Spießruten laufen muss man, bis man Staatsbürger werden kann. Kinder wachsen im Bewusstsein auf, hier nicht dazu zu gehören. Sie werden vom Kindergarten an zu „Anderen“ erklärt. Und Einwanderer, die alle Hürden dennoch überwinden, werden „Pass-Österreicher“ genannt. So richtig „von da“ bist erst, wennst am Zentralfriedhof liegst. Sogar der Schweinsbraten wird jetzt subventioniert, damit sich die Pizza nicht zu sehr verbreitet.

Eine kompakte homogene Phantasiemehrheit schreibt vor, was „normal“ sei, man träumt von einer kompakten, formierten Gesellschaft, in der der Pluralismus an Lebensstilen, das „Leben und leben lassen“ wieder Platz macht für die „Normalen“, die wieder den Ton angeben sollen. Dass jeder nach seiner eigenen Fasson glücklich werden soll, diese alte Grundformel sich liberalisierender Gesellschaften – gilt nicht mehr. Gegenüber dem Gesellschaftsbild der Rechten war ja der alte Preußenkönig Friedrich der II. modern. Und der ist seit 1786 tot, das muss man sich einmal vorstellen.

Mit dieser Ideologie muss eine harte Auseinandersetzung geführt – und gewonnen werden. Wegducken hilft da nicht. Den Rechten nachdackeln? Unsinn. Im Gegenteil: Was der Konservativismus macht, ist, wie eine Einstiegsdroge in den Extremismus zu wirken. Dabei wäre das Gegenteil nötig: Aussteigerprogramme, die jene, die sich in die rechte Ideologie verwickelt haben und die in den Radikalisierungsmaschinen der Sozialen Medien immer mehr in ihre Parallelwelten abdriften, herausholen.

So wie bei den Sekten – auch hier gibt es staatliche Sektenbeauftragte und Beratungsstellen für verzweifelte Angehörige – bräuchte es auch Aussteigerprogramme für die Rechten. Wer in die Fänge rechter Sekten gerät, wird gehirngewaschen. Wer in den Sog der Parallelwelten in den Sozialen Medien gerät, glaubt den Unsinn irgendwann selbst und ist in einem ständigen Kampf gegen eingebildete Feinde. Wer in rechten Sekten ist, stellt sich gegen die Gesellschaft. Aber die liberale Gesellschaft holt Euch da raus. Denn sie kultiviert kein verhärtetes Wir-gegen-Sie, sie ist die Kultur der Freiheit. Sie befreit Euch aus den Fängen des Hasses, aus der Spirale des übelgelaunten Gegeneinander.
Das wäre die Botschaft, die mit voller Klarheit vertreten werden muss.

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